Siebenter Auftritt

[265] Thusnelda setzt sich wieder nieder, ergreift die Laute, und tut einige Griffe darauf, Ventidius läßt sich hinter ihr, auf einem Sessel, nieder. Gertrud.

Pause.


THUSNELDA spielt und singt.

Ein Knabe sah den Mondenschein

In eines Teiches Becken;

Er faßte mit der Hand hinein,

Den Schimmer einzustecken;

Da trübte sich des Wassers Rand,

Das glänz'ge Mondesbild verschwand

Und seine Hand war –

VENTIDIUS steht auf. Er hat, währenddessen, unbemerkt eine Locke von Thusneldens Haar geschnitten, wendet sich ab, und drückt sie leidenschaftlich an seine Lippe.

THUSNELDA hält inne.

Was hast du?

VENTIDIUS entzückt.

– Was ich um das Gold der Afern,

Die Seide Persiens, die Perlen von Korinth,

Um alles, was die Römerwaffen

Je in dem Kreis der Welt erbeuteten, nicht lasse.

THUSNELDA.

Ich glaub, du treibst die Dreistigkeit so weit,

Und nahmst mir –


Sie legt die Laute weg.


VENTIDIUS.

Nichts, nichts, als diese Locke!

Doch selbst der Tod nicht trennt mich mehr von ihr.


Er beugt ehrfurchtsvoll ein Knie vor ihr und geht ab.


THUSNELDA steht auf.

Ventidius Carbo, du beleidigst mich! –

Gib sie mir her, sag ich! – Ventidius Carbo![265]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 265-266.
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