Achter Auftritt

[266] Hermann mit einer Pergamentrolle. Hinter ihm Eginhardt. – Die Vorigen.


HERMANN.

Was gibt's, mein Thuschen? Was erhitzt dich so?

THUSNELDA erzürnt.

Nein, dies ist unerträglich, Hermann!

HERMANN.

Was hast du? Sprich! Was ist geschehn, mein Kind?

THUSNELDA.

Ich bitte dich, verschone fürder

Mit den Besuchen dieses Römers mich.

Du wirfst dem Walfisch, wie das Sprichwort sagt,

Zum Spielen eine Tonne vor;

Doch wenn du irgend dich auf offnem Meere noch

Erhalten kannst, so bitt ich dich,

Laß es was anders, als Thusnelden, sein.

HERMANN.

Was wollt er dir, mein Herzchen, sag mir an?

THUSNELDA.

Er kam und bat, mit einer Leidenschaft,

Die wirklich alle Schranken niederwarf,

Gestreckt auf Knieen, wie ein Glücklicher,

Um eine Locke mich –

HERMANN.

Du gabst sie ihm –?

THUSNELDA.

Ich –? ihm die Locke geben!

HERMANN.

Was! Nicht? Nicht?

THUSNELDA.

Ich weigerte die Locke ihm. Ich sagte,

Ihn hätte Wahnsinn, Schwärmerei ergriffen,

Erinnert ihn, an welchem Platz er wäre –

HERMANN.

Da kam er her und schnitt die Locke ab –?

THUSNELDA.

Ja, in der Tat! Es scheint, du denkst, ich scherze.

Inzwischen ich auf jenem Sessel mir

Ein Lied zur Zither sang, löst er,

Mit welchem Werkzeug weiß ich nicht, bis jetzt,

Mir eine Locke heimlich von der Scheitel,

Und gleich, als hätt er sie, der Törichte,

Von meiner Gunst davongetragen,

Drückt' er sie, glühend vor Entzücken, an die Lippen,[266]

Und ging, mit Schritten des Triumphes,

Als du erschienst, mit seiner Beut hinweg.

HERMANN mit Humor.

Ei, Thuschen, was! So sind wir glückliche

Geschöpfe ja, so wahr ich lebe,

Daß er die andern dir gelassen hat.

THUSNELDA.

Wie? Was? Wir wären glücklich –?

HERMANN.

Ja, beim Himmel!

Käm er daher, mit seinen Leuten,

Die Scheitel ratzenkahl dir abzuscheren:

Ein Schelm, mein Herzchen, will ich sein,

Wenn ich die Macht besitz, es ihm zu wehren.

THUSNELDA zuckt die Achseln.

– Ich weiß nicht, was ich von dir denken soll.

HERMANN.

Bei Gott, ich auch nicht. Varus rückt

Mit den Kohorten morgen bei mir ein. –

THUSNELDA streng.

Armin, du hörst, ich wiederhol es dir,

Wenn irgend dir dein Weib was wert ist,

So nötigst du mich nicht, das Herz des Jünglings ferner

Mit falschen Zärtlichkeiten, zu entflammen.

Bekämpf ihn, wenn du willst, mit Waffen des Betrugs,

Da, wo er mit Betrug dich angreift;

Doch hier, wo, gänzlich unbesonnen,

Sein junges Herz sich dir entfaltet,

Hier wünsch ich lebhaft, muß ich dir gestehn,

Daß du auf offne Weise ihm begegnest.

Sag ihm, mit einem Wort, bestimmt, doch ungehässig,

Daß seine kaiserliche Sendung

An dich, und nicht an deine Gattin sei gerichtet.

HERMANN sieht sie an.

Entflammen? Wessen Herz? Ventidius Carbos?

Thuschen! Sieh mich mal an! – Bei unsrer Hertha!

Ich glaub, du bildst dir ein, Ventidius liebt dich?

THUSNELDA.

Ob er mich liebt?

HERMANN.

Nein sprich, im Ernst, das glaubst du?

So, was ein Deutscher lieben nennt,

Mit Ehrfurcht und mit Sehnsucht, wie ich dich?[267]

THUSNELDA.

Gewiß, glaub mir, ich fühl's, und fühl's mit Schmerz,

Daß ich den Irrtum leider selbst,

Der dieses Jünglings Herz ergriff, verschuldet.

Er hätte, ohne die betrügerischen Schritte,

Zu welchen du mich aufgemuntert,

Sich nie in diese Leidenschaft verstrickt;

Und wenn du das Geschäft, ihn offen zu enttäuschen,

Nicht übernehmen willst, wohlan:

Bei unsrer nächsten Zwiesprach werd ich's selbst.

HERMANN.

Nun, Thuschen, ich versichre dich,

Ich liebe meinen Hund mehr, als er dich.

Du machst, beim Styx, dir überflüss'ge Sorge.

Ich zweifle nicht, o ja, wenn ihn dein schöner Mund

Um einen Dienst ersucht, er tut ihn dir:

Doch wenn er die Orange ausgesaugt,

Die Schale, Herzchen, wirft er auf den Schutt.

THUSNELDA empfindlich.

Dich macht, ich seh, dein Römerhaß ganz blind.

Weil als dämonenartig dir

Das Ganz' erscheint, so kannst du dir

Als sittlich nicht den einzelnen gedenken.

HERMANN.

Meinst du? Wohlan! Wer recht hat, wird sich zeigen.

Wie er die Lock, auf welche Weise,

Gebrauchen will, das weiß ich nicht;

Doch sie im stillen an den Mund zu drücken,

Das kannst du sicher glauben, ist es nicht.

– Doch, Thuschen, willst du jetzt allein mich lassen?

THUSNELDA.

O ja. Sehr gern.

HERMANN.

Du bist mir doch nicht bös?

THUSNELDA.

Nein, nein! Versprich mir nur, für immer mich

Mit diesem Toren aus dem Spiel zu lassen!

HERMANN.

Topp! Meine Hand drauf! In drei Tagen,

Soll sein Besuch dir nicht zur Last mehr fallen!


Thusnelda und Gertrud ab.
[268]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 266-269.
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