[12] Adam. Seth.
ADAM. Wäre sie länger geblieben, so hätte ich ihren Anblick nicht mehr aushalten können. Ach, du kannst mir es nicht nachempfinden, Seth, wie unglücklich ich bin! Diese Blume, diese unschuldvolle Blume wird auch abfallen und in Staub sinken! und die Enkelinnen ihrer Enkelinnen auch! Du weißt es, und du verstandst mich immer am Meisten, wenn ich euch erzählte, wer ich nach meiner Schöpfung war! Aber nun muß ich sterben! und alle meine Kinder müssen sterben! Er liegt wie ein Gebirge auf mir! Es ist ein entsetzlicher Gedanke! – Geh, mein Sohn, und heitre Selima auf. Ich will hingehen und mir bei dem Altare ein Grab machen.
SETH. Ich verlasse dich nicht! Und du sollst dir kein Grab machen! Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott! mache dir kein Grab!
ADAM. Abel liegt dort begraben! Ich will dort auch begraben liegen! Wollt ihr mich vor euren Augen verwesen sehn?[12]
SETH. Du furchtbarer Gott, der uns gerichtet hat! –
ADAM. Die Schrecken des Allmächtigen ergreifen mich zu sehr! Ich muß mein Antlitz von dir wen den, Sohn! – Es ist ein dunkler Tag! Was bebt dort? Ein schwarzer entsetzlicher Tag! – Hörst du die Felsen beben, Sohn? Er wandelt immer näher herauf! Vernahmst du, wie jetzt der Hügel an unsrer Hütte bewegt ward? Auf dem Hügel steht er! Siehst du den Fürchterlichen?
SETH. Es ist Nacht um mich; aber mein Ohr hört!
ADAM zu Seth. So hör denn mich und ihn! Zum Todesengel. Ich kannte den Fußtritt deines Ganges wohl, Gesandter des Gerichts! Todesengel! Verderber! hier bin ich!
DER TODESENGEL. So sagt Der, der dich aus Staube zum Menschen schuf: Eh die Sonne den Cedernwald hinunter gestiegen ist, sollst du des Todes sterben! Einige deiner Nachkommen werden entschlummern, einige sterben; aber du sollst des Todes sterben! Das sollst du, wenn ich wiederkomme und auf diesen Felsen trete und ihn erschüttre, daß er hinstürzt. Dein Auge wird dunkel seyn und nicht sehen; aber dein Ohr wird den donnernden Felsen hören, eh die Sonne den Cedernwald hinunter gestiegen ist.
ADAM. Sage Dem, der mich geschaffen und gerichtet hat, daß ich mich aufmache und komme und anbete! Fleh' ihn an, du Furchtbarer, daß er Lindrung in meine Todesangst mische.
SETH. O du mein theurer Vater, ich will mit dir sterben! Warum gehst du von mir, mein Vater?
ADAM. Anzubeten!
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Der Tod Adams
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