Anhang

Zu dem Gehör oder den Ohren.

[180] Von der Music und den Musicanten.


Die Music oder Thon-Kunst wird hauptsächlich abgetheilt in die Vocal- und Instrumental-Music.64 Die Vocal-Music (in welcher die Kunst und die Natur zugleich mitwürcken muß) bestehet in Moderirung und Harmoni der viererley Stimmen / welche nachdem sie tieffer und gröber oder höher und zärter seynd / von einander unterschieden / und auch unterschiedlich benahmset werden: nemlichen der Bass, so die tieffiste /der Tenor, Alt, und Discant, so die höchste Stimm ist.

Die Instrumental-Music aber beschäfftiget sich mit unterschiedlichen musicalischen Instrumenten / auf welchen man nach gewissen Reglen Kunstmäßig aufspielet. Aus disen Instrumenten werden einige mit Claviren / als wie die Orgel / andere aber ohnmittelbar mit den Fingern allein geschlagen / als wie die Harpfen und Lauten etc. andere Instrumenten werden geblasen / mit oder ohne Fingerlein / als wie die Trompeten / Posaunen / Vagot etc. und widerum an dere mit dem Fidel-Bogen gestrichen / als wie die Geigen und Viola d'Amour.

Die 2te Abtheilung der Vocal-Music oder Sing-Kunst geschicht in das Choral- und Figural-Gesang. Cantus Choralis ist / wann eine oder mehr Stimmen im Auf- und Absteigen gleicher und einfältiger Weiß zusammen singen: auch nur einerley Noten und Zeichen gebraucht werden. Figuralis hingegen ist / wann eine oder mehr Stimmen auf unterschiedliche Weiß eingeführt werden / und ein Noten mehr gilt als die andere / auch ihre Zeichen nicht gleich seynd.

Die Figural-Music lehret / wie man das vorgelegte Gesang recht künstlich / zier- und lieblich absingen /oder mit anderen Instrumenten ordentlich zusammen stimmen solle / also daß die Ohren dardurch ergötzt und das Gemüth ermunteret werde. Sie bestehet fürnemmlich in folgenden Stucken: in den Clavibus oder Schlüsseln und gewissen Figuren / die in dem Singen vorkommen / in den Noten / in den Pausen / in Triplen / in Benennung der Noten und intervallis. Die Claves seynd gewisse Zeichen / so von denen Buchstaben ihren Nahmen haben / und seynd derselben eigentlich 3. nemlich G.C.F. die Noten aber seynd gewisse Zeichen / die auf denen 5. Linien oder zwischen denselben stehen / sie seynd nach dem Tact abgemessen / und haben ihre gewisse Zeit-Bedeutung / daß also eine langsamer / und die andere geschwinder gesungen wird: also gilt longa 4. Tact / brevis gilt 2. semibrevis 1. minima einen halben Tact etc. ja es können biß 32. Noten auf einen Tact gehen.

Pausen seynd Zeichen / welche weisen / wie lang man still schweigen / oder mit Singen innhalten soll etc. Tripel ist ein sonderbare Art / da alle Noten verringeret / die Pausen veränderet / und eine gantz andere Ordnung im Singen oder Geigen beobachtet wird. Die Benennung der Noten geschieht entweders mit den Alphabets-Buchstaben a.b.c.d.e.f.g. oder mit dem bekannten ut re mi fa sol la. Ein Intervallum ist der Raum zwischen 2. Noten / oder der Sprung aus einem Thon in den andern / und wird folgendes[180] dem Unisono entgegen gesetzt. Ein Unisonus aber ist / wann 2. oder mehr Noten in einem Thon stehen. Ferners / der Tact ist die ordentliche Abmessung der Noten und Pausen: Ein gantzer Tact aber wehret von einem Niderschlag oder Aufschlag biß zu dem anderen. Ein halber Tact aber ist ein blosser Auf- oder Niderschlag allein.

So viel von denen Regulis Musicæ obenhin angezeigt solle genug seyn / auf daß man mir nicht sagen möge: Sutor nè ultra crepidam, ein mehrers lasse ich denen Herren Musicanten über: inmassen ich mich diser Kunst gantz unerfahren / doch einen sonderbaren Cultorem und Liebhaber zu seyn profitire.

Ubrigens ist es gewiß / daß die Music seye ein Beförderin oder Antrieb zur Andacht / ein Zierd und Kleinod des GOttes-Diensts / ein Lust und Freud des Gehörs / ein Königin der freyen Künsten / ein mächtige Beherrscherin der Gemüther / ein absonderliche Gaab GOttes / ein Portion und Vorspiel der himmlischen Freuden / ein Ringerung der Schwermüthigkeit / ein Versüssung der sauren Arbeit / ein kurtzweilige Zeitvertreibung / ein Mittel für den Müßiggang / ein ehrbare Gemüths-Ergötzung / ein Trost der Einsamkeit / ein Versammlung der ausschweiffenden Gedancken / ein Anzeigung guter Verständnus und Ordnung / ein Widerbringerin des verstörten Friedens / ein Besänfftigung des Zornmuths / ein Innhalt und Mäßigung der Grausamkeit / ein annemmlicher Liebs-Gewalt / ein Abwendung vieler Ublen / und ein recht unschuldige Freud.65

Was aber die wundersame Krafft und Würckung der Music / oder den Gewalt die Menschen und die Thier zu bewegen und einzunemmen anbelangt / so ist derselbe über die massen groß.66 Es ist zwar nur ein Fabel-Gedicht der Poeten / daß Orpheus mit seiner Harpfen in dem Wald so lieblich aufgespielt habe /daß er die wilde Thier an sich gelocket / und zahm gemacht / den Lauff der Flüssen eingestellt / ja auch die Berg und Bäum hab hupfen und tantzen gemacht. Ein Fabel ist es / daß Arion auf dem Meer durch sein Kunst oder liebreichen Harpfen-Klang bey denen Delphinen oder Wallfisch eben dergleichen habe zuwegen gebracht. Aber ein Wahrheit ist es / daß öffters gewisse Vögel und andere Thier durch das Singen oder Pfeiffen in das Garn gebracht oder gefangen werden. Also erzehlet Valvasor, daß in dem Culystrom des Hertzogthums Crains die Krebs nach dem gewissen Thon einer Pfeiffen gefangen werden: auch von denen sogenannten Taschen-Krebsen bezeuget der gelehrte D. Geusner, daß solche zu den auf denen Rohren pfeiffenden Fischern aus dem Wasser auf das Land heraus kommen. Die Schwanen sollen dem Klang der Citheren nachgehen / und denen Schaafen die Weid besser gedeyen / wann die Hirten auf der Schalmey oder anderen Pfeiffen darbey aufmachen. Es sollen auch / wie Olearius in seinem Persianischen Rosenthal erzehlet / die Cameel / wann ihnen vorgepfiffen wird / oder wann sie einen klingenden Thon höre / dardurch hurtig ihren Weeg zulauffen / angefrischet werden. Auch die Elephanten können einiger massen zur Music gewöhnet / oder nach derselben abgerichtet werden. Wie muthig und hitzig die Pferd werden / wann sie in dem Feld den Paucken- und Trompeten-Schall hören / das ist genugsam bekandt. Ich hab auch selbsten gesehen / wie daß ein wohl abgerichtes Pferd / ordentlich zu denen Schalmeyen getantzet hat / wie daß es an denen Füssen ein junctur nach der andern gerührt oder bewegt hat / und einen Fuß nach dem andern aufgehebt / bey der Cadenz aber / auf gegebenes Zeichen von dem Bereuter mit allen 4. Füssen zugleich einen halben Mannshochen Lufft-Sprung gethan / und widerum in die alte Fußstapffen / welche es mit dem Huf-Eisen in den Sand-Boden gemacht / richtig eingetroffen hat.

Was und wie viel aber die Music in das menschliche Gemüth vermöge /[181] dessen haben wir erstlich ein klare Prob an dem David / in der Heil. Schrifft / dieser ware in dem Gesang und Harpffen Klang / ja noch in viel anderen Instrumenten ein trefflich wohl erfahrner und fleißig geübter Musicant. So offt der König Saul von dem bösen Feind verstört und beunruhiget wurde / also daß er gantz verwildete / da muste David mit seiner Harpffen kommen / vor ihme singen und aufspielen / durch welches Mittel der König wiederum zu sich selber / und Ruhe bekame / dann der böse Geist muste von ihm abweichen.67

Von einem so gewaltigen Harpfenisten oder Cithern-Schlager wird auch in Weltlichen Geschichten geschrieben.

Dieser Musicant kame an den Hof des Königs Erici, der ein Liebhaber der Künstler ware / und rühmte sich / daß er mit seiner Music die Menschen also einnehmen könne / daß er ihre Gemüther und Hertzen könne biegen und lencken zu was für einer Anmuthung er immer wolle / bald aus Traurigen Lustige / aus Lustigen Traurige / aus Sanfftmüthigen Zornige / und aus Zornigen Sanfftmüthige / ja auch gantz Rasende machen könne.68 Der König Ericus war curios / und möchte gern im Werck erfahren / ob es also seye / wie er vorgab / er befahle demnach dem Musicanten die würckliche Prob darvon zu machen. Diesen kame die Reu an / daß er sich so weit hätte eingelassen / er förchtete / es möchte ihm fehlen / und er folgends als ein Lugner oder Praller verspottet werden / absonderlich gedunckte es ihn gefährlich an der Persohn des Königs selbst die Prob zu machen. Er entschuldigte sich derowegen / und bate die Hoff-Herren / sie sollen es dem König ausreden / daß er von diesem Begehren abstehe. Aber nein / es halffe nichts darfür / der König wurde immer begieriger / und wolte es durchaus haben / so ist dann der Musicant gleichwohl zum Werck geschritten / zuvor aber hat er gebetten / man solle alles Gewehr und Waffen / mit welchen der König ihme selber oder andern schaden konnte auf / die Seiten thun / auch sollen einige etwas entfernet sich parat halten / und wann er ihnen ein Zeichen geben werde / eylends herzulauffen / nur keck ihm selbst die Harpff oder Citheren aus den Händen reissen und zerschlagen. Nachdem die Sach also veranstaltet ware / bliebe er mit dem König und etlich wenigen anderen in dem Zimmer / fienge an aufzuspielen in einem gravitätischen ernsthafften Thon /wordurch er die Zuhörende zu einem Schwermuth und traurigen Stillschweigen vermögt hat. Darauf fieng er bald an also frisch / munter und lustig zu schlagen /daß der König und die andere Anwesende bey nahe hätten angefangen zu hupffen und springen / als wie die junge Mertzen-Kälber. Aber gehlingen hat sich das Blättlein wiederum umgewendt / er ist mit anderen Seiten aufgezogen / und hat in einem hefftigen /kriegerisch und zum Zorn reitzenden Thon geschlagen / welches den König aufbrennennend und wüthend gemacht hat; dann die Gall ergosse sich in ihm / und das Blut wallete in Aderen auf / der Musicant gabe zwar das Zeichen / und man kame auch eylends herbey geloffen / den König zu dämmen und innzuhalten: aber es ware zu spath / die Wuth hatte schon überhand genommen / und er ware so starck / daß er mit eigener Faust etliche zu tod geschlagen: hernach brache er mit Gewalt zur Porten aus / ergriffe einen Degen / und erstache vier Persohnen / biß daß man mit Gewalt ihm auf den Leib kommen ist / viel Better auf ihn geworffen / und also / daß er nicht ferners schaden konnte / gedämmet hat. Endlichen ist gleichwohl die Wuth vergangen / und er wiederum zu sich selbsten kommen / da er dann die an seinen getreuen Bedienten verübte Todschläg sehr bedaurte / auch deßwegen die Cron und Scepter abgelegt / und das Reich seinem Sohn überlassen hat: worauf er sich nacher Jerusalem die begangene Mordthaten abzubüssen / begeben hat /und in der Insul Cypro gestorben ist. Cranzius lib. 5. Daniæ c. 3. apud Joann. Adam. Weber in arte convers.[182]

GOtt behüt uns vor solchen gar zu künstlichen Musicanten / welche mit ihrer Kunst vor lauter Verwunderung die Leuth zu Narren machen.

Wie Mart. Capella meldet / so solle Xenocrates die Wassersüchtige durch den Thon der Pfeiffen gesund gemacht haben.69 Asclepiades den Tauben vermittelst des starck durchtringenden Trompeten-Schalls das Gehör widerbracht / Thales aber von Creta gebürtig mit seiner künstlich gerührten Cither die Pestilentzische Sucht vertrieben: auch solle der alte Theophrastus aus der Insul Lesbos zu seiner Zeit durch die Music das Hüfft-Weh curirt haben. Gewiß ist es / daß die gifftige Stich der Tarantulen / (ist eine Art sehr gifftiger Spinnen) durch die Music geheilet /und der Schmertzen gelinderet werde.

Das Alterthum der Music belangend / so ist selbe des ältesten Herkommens: dann sie ist schon im alten Testament jederzeit im Brauch gewesen / von vielen Königen und Weltweisen hochgeschätzt / geliebt und auch selbst geübt worden.70 Tubal ware der erste Musicant nicht gar lang nach Erschaffung der Welt /von welchem herkamen die / so mit Harpffen und Pfeiffen umgiengen / hernach aber ist sie von Zeit zu Zeit höher gestiegen.71 Es wurde einstens für ungelehrt gehalten / wer nicht mit Singen / oder mit einem Saiten-Spiel kunnte umgehen. Der Kayser Nero hatte einen unbeschreiblichen Lust und Eyfer zum Singen /und Cithern schlagen / und als er sterben mußte / hat er vielmehr bedauret / daß ein Musicant / als ein Kayser zu Grund gehe. Der Weltweise Plato hielte darfür / daß die Music zur Verbesserung der Sitten und zum Wohlstand des gemeinen Weesens nothwendig seye. Pythagoras hat sich nicht gescheuet noch in seinem hohen Alter von einem Knaben etwas in der Music zu erlernen. Deßgleichen Socrates in seinem Alter / als ihme vorgeworffen wurde / daß er unter die junge Schuler sich mische / und erst mit ihnen auf den Saithen spielen lerne / gab er zur Antwort: es seye gar nicht ungereimt / oder unanständig etwas erlernen /was er zuvor nicht gewußt habe / daß es so nutzlich und nothwendig seye.

Endlichen der weise Solon, als seines Bruders Sohn bey einer Gasterey ein Lied gesungen / hat er ein solches Wohlgefallen darob geschöpfft / daß er alsbald dem Knaben befohlen hat / ihn selbes auch zu lernen / und als man ihn gefragt / warum er doch das thue? gab er zur Antwort: auf daß / wann ich es gelernt hab / sterbe. Polyanthea V. Musica.

Die Music und die Musicanten / absonderlich das Gesang / seynd GOtt selbsten angenehm / und haben ihme öffters wohlgefallen.72 Der Moyses hat gesungen mit den Israelitern / als sie das rothe Meer mit trockenem Fuß seynd durchpaßirt / ja wie die Rabiner bezeugen / so haben damahls miraculoser Weiß auch die unmündige Kinder das gantze Lob-Gesang mit gesungen / und das Gesang hat GOtt gefallen. Exodi c. 15.

Debora und Barac haben GOtt Lob gesungen nach erhaltenem Sieg wider den Feind / und das Gesang hat GOtt gefallen / Judic. c. 5. Anna und Helcana haben gesungen / als ihnen ihr Sohn Samuel gebohren ward / und das Gesang hat GOTT gefallen. 1. Reg. c. 2. Der König Ezechias hat gesungen / als er von seiner tödtlichen Kranckheit ist genesen / und sein Gesang hat Gott gefallen. Isa. c. 38. Die Judith hat gesungen / nachdem sie den Holofernem so glücklich erlegt hat / und ihr Gesang hat GOTT gefallen. Judith c. 16. Gesungen haben die 3. Knaben im Babylonischen Feur-Ofen / da sie von der Flammen gantz unverletzt seynd geblieben / und ihr Gesang hat GOTT gefallen. Gesungen hat der König David bey Tag und bey Nacht / mit Psalliren und Saiten-Spiel / und das hat GOtt wohl gefallen. Gesungen hat gantz deutlich mein Heil. Vatter Benedictus samt seiner Schwester Scholastica durch ein unerhörtes Wunder / als sie noch beyde in Mutter-Leib verschlossen / und ihr Gesang[183] hat GOtt wohlgefallen. Ja es scheinet / es haben die Menschen insgemein von der Natur einen Antrieb und Neigung zu der Music / und bevorab zu dem Singen / fast jedermann will mit dem Singen die lange Weil verkürtzen / die Arbeit verringeren / und das Gemüth ergötzen. Der Schneider bey der Nadel / die Spinnerin bey dem Radel / der Gärtner bey dem Pflantzen / der Kriegs-Knecht bey dem Schantzen /der Schuster bey der Ahl / die Schildwacht auf dem Wahl / der Kieffer bey dem binden / die Dienst-Magd bey den Kinden / der Fuhrmann bey dem Fahren / der Kramer bey den Waaren / der Bader bey dem Bad /der Müller bey dem Rad / der Hafner bey dem Letten /der Becker bey dem Knetten / die Jäger in den Wälder / die Hirten auf den Felder / der Maurer auf dem Gerüst / die Vieh-Magd auf dem Mist / der Gerber bey den Häuten / der Reysend in dem Reiten etc. ja auch die kleine Kinder thut man mit dem Gesang stillen und befriedigen.

Es ist nehmlichen die Music nicht nur ein freye /sondern auch freudige Kunst / ja sie ist ein Englisches Weesen / und die Musicanten seynd irrdische Engel /weilen sie das Lob GOttes singen auf Erden / als wie die Engel in dem Himmel.73 Die Musicanten / sage ich / seynd irrdische Engel / aber nicht alle / es gibt auch manche Bengel: Bengel seynd diejenige / welche zwar ein so manches Gloria Patri, Ehr sey dem Vatter etc. und Gloria in excelsis singen / darbey aber nichts wenigers als GOtt durch ihre Music zu ehren gedencken / sonder nur ihre eigene Ehr / ihren eigenen Ruhm und Nutzen suchen.

Bengel und zwar grobe Bengel / die in das Feur gehören / seynd diejenige / welche von gailen Liebs-Gelüsten unverschamte Buhler-Lieder singen / und denen Zuhörern Aergernuß geben. Diese haben gewißlich schlechten Lohn für ihre Mühe und Arbeit / ja vielmehr schwere Straff zu gewarten in jener Welt. Es heißt zwar wohl / qui cantat, bis orat, der singt / thut doppelt betten / aber es muß aus guter Meynung zu Ehr GOttes / nicht wegen eitler Ehr / oder zeitlichem Gewinn geschehen / die so nichts als eitle Ehr durch ihre Music suchen / werden aus gerechter Verhängnuß GOttes öffters auch auf dieser Welt zu schanden. Cæsarius schreibt / daß einstens ein frommer Diener GOttes in einer Kirchen gewesen / allwo zugleich ein fürtreffliche Music ist gehalten worden / wegen welcher sich auch die Musicanten nach vollendtem Gottesdienst nicht wenig gerühmt haben. Aber sie musten zu ihrer nicht geringen Schand von diesem gottseeligen Mann für gewiß hören / daß er mit leiblichen Augen gesehen habe / wie der Teufel / so ihnen zur lincken Seithen stund / all ihre Stimmen und Gesänger gantz emsig in einen Sack zusammen eingepackt und fleißig aufbehalten habe.

Ein anderer junger Mensch prangete auch mit seiner Stimm / und sange hochmüthig ein voce sola bey einer Volckreichen Versammlung / aber der Teufel aus einer besessenen Persohn schrie überlaut auf / O du armseeliger Tropff! wie magst du dich rühmen: wann ich auch mitten in meinen Flammen meine Stimm sollte hören lassen / da müßtest du wohl mir weit weichen. Darauf schluge er / der böse Geist /durch den Mund dieser besessenen Persohn einen eintzigen Triller mit einer so unerhörten Kunst und Zierlichkeit / daß alle Anwesende vor Verwunderung erstaunet seynd. O was wird es dann seyn / wann so viel tausend Heil. Engel das immerwährende Lob GOttes zusammen singen!

Entzwischen so lobwürdig die Music immer ist / so will sie doch nicht jedermann loben / so lieblich sie thut in die Ohren fallen / so thut sie doch nicht gar allen gefallen.74 Als man einstens den Aristotelem befragte / was er von der Music halte? gabe er zur Antwort: Jovem neque canere, neque Citharam pulsare. Der Gott Jupiter thue weder singen / noch Harpfen schlagen. Er wollte sagen / das seye denen Menschen wenig[184] nutzlich / ab deme die Götter nicht auch eine Freud haben.

Da sich etliche über Ismeniam, als einen fürtrefflichen Pfeiffer oder Schallmeyen-Blaßer verwunderten /und ihne sehr lobten / da sagte der Antisthenes, das muß ein schlimmer Mensch seyn / dann / wann er tugendsam wäre / so wurde er kein so guter Pfeiffer seyn: Er wolte sagen / weil er so viel Zeit und Mühe auf das Pfeiffen gewendet habe / so muß er gewiß sich wenig auf die Tugend und gute Sitten verlegt oder begeben haben. Polyanth. V. Musica. Der H. Athanasins hat die Music der Andacht verhinderlich zu seyn erachtet / und deßwegen in seiner Kirchen selbe verbotten.

Hingegen der H. Ambrosius wolte das Gesang bey dem Gottesdienst / als anständig haben. Augustinus hält sich in der Mitte / und kan sich hart resolviren /ob er die Music rathen / oder mißrathen soll. Wann es mir erlaubt ist / auch meine wenige Meinung hierüber beyzutragen / so geduncket es mich / daß / gleichwie Musica und Medicina einander in dem Nahmen fast ähnlich seynd / als sollen sie auch gleichmäßig gebraucht werden.75 Die Medicin ist nutzlich und gesund / wann sie zu rechter Zeit / mässig und in vorgeschriebner Dosen gebraucht wird / schädlich aber /wann dieses nicht geschieht. Auch die Music ist schön und gut zu rechter Zeit / und in ihrer gewissen Maß: schädlich aber / wann mans übertreibt. Eben dergleichen hat längst vor mir einer aus den Weisen gesagt / da er gesprochen: die Music seye das Gewürtz der Studien oder Wissenschafften. Das Saltz /der Pfeffer und anderes Gewürtz macht die Speisen gut und wohlgeschmack / wann mans mäßig braucht. So mans aber zu häuffig braucht / da werden sie zu räß und ungesund. Eben eine solche Beschaffenheit hat es mit dem Gebrauch und Mißbrauch der Music etc.

Welches der König David in seinem Prophetischen Geist wohl vorsehend / seine Nachkömmling zwar zum Psalliren und Musiciren angemahnt und aufgemunteret hat / sprechend: Lobet den HErrn mit Posaunen-Schall / lobet ihn mit Psalter und Harpfen. Lobet ihn mit Paucken und Reyen / mit Saiten-Spil / mit Pfeiffen und wohlklingenden Cymbalen. Und wiederum: Psallite DEO nostro, psallite Regi nostro:76 Lobsinget unserm GOTT / lobsinget unserm König. Aber er beschliesset alles mit diesem merckwürdigen Zusatz / und sagt: Psallite sapienter: lobsinget mit Verstand. Mercket es wohl / sapienter, sagt David /mit Verstand soll man in der Kirchen bey dem Gottesdienst psalliren und musiciren: das ist / mit Bescheidenheit und Mässigkeit / ehrbar- und auferbaulich /nicht gar zu frech und frisch / nicht das Miserere Tantz-weiß / oder als wolte man ein Ballet oder eine Tafel-Music aufmachen / sonder sapienter, mit Verstand und gravitätisch / nicht gar zu affectat in denen Gestibus und Expressionen / als wolte man in der Opera eine Liebs-Geschicht produciren. Sapienter, mit Verstand / nicht mit ungemeiner und gewaltsamer Forcirung der Stimm / als wolte man mit einem Unger-Ochsen wegen dem Clamabile um das Præ streiten. Sapienter, noch einmahl mit Verstand / nicht als wolte man mit den Trompeten und Paucken bey einem Tournier oder Ritter-Spiel die Tummel-Pferd zum Muth anfrischen etc.

Ein gewisser H. Vatter sagt auch deßwegen denen Musicanten auf dem Chor etwas heimliches in ein Ohr: und wann ichs recht verstanden hab / er die Ermahnung ihnen gab: Ne talem faciant musicam, ut audientibus pedes potiùs pruriant ad saltandum, quàm os & labia ad orandum. Ich will es weiters nicht verteutschen / die Herren Capell-Meister und Chor-Regenten verstehen schon Lateinisch.

Ich aber sage nur noch zum Beschluß dieser Materi / daß man bey jeziger Zeit billich zweifflen könne / ob man sich mehr über die Kunst und Zierlichkeit der höchst florirenden Music selber / oder über die kunst-und sinnreiche[185] Erfindung so vieler unterschiedlichen musicalischen Instrumenten (neben den 4. Stimmen /welche eine Gab der Natur seynd /) verwundern solle: massen bey jeziger Zeit in der Wahrheit man sagen kan:


Der Paucken- und Trompeten-Schall

Laßt sich hören überall:

Der tieffe Bass und hoch Discant,

Ist gar schön und wohl bekannt:

Der rein Tenor und zarte Alt

Auch zierlich zusammen halt.77

Besser als der Nachtigallen

Mir diese Stimmen gfallen.

Zur Harpfen und Geigen

Thuts Ghör sich gern neigen:

Cithara und Lauten /

Theorba und Flauten /

Schallmu und die Hoben

Seynd billich zu loben.

Spinetel Bassetel

Annehmliches Flötel /

Und reines Violin

Gar leicht nimmt ein den Sinn.

Mandorel und Galitschon

Gibt ein gar schönen Thon:

Viola d'Gamb und d'Amor

Bringt Lust und Freud dem Ohr:

Doch das Englisch Violet

In der Wahl vor allen hätt.

Waldhorn / Zincken / und Posaunen

Sich beyr Music gar nicht saumen:

Vagot, Serpant, und Clarinet

Künstlich streiten in die Wett /

Auchs Clavicord und Instrument

Ist schön wann mans frisch schlagt und bhendt:

Doch der Orgel ihr Principal

Hats Præ für ein und alle mahl.

Trutz Musæ Parnassi,

Bey jetziger Zeit /

Kunstreiche Phonasci

Euch fordern zum Streit.

Die Clio muß weichen /

Thalia deßgleichen:

Wann jetzige Stimmen /

Und Saiten erklingen.

Ich aber kan da beytragen

Nichts als das billiche Lob:

Diß ist meiner (selbst muß klagen)

Hochschätzung einzige Prob.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 180-186.
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