Anhang zu dem Oel-Baum.

Von dem Oel.

[557] Von dem Oel-Baum und denen Oliven komm ich auf das Oel selbsten / dessen grosser Nutz und vielfältiger Gebrauch meines Erachtens füglich angedeutet wird /wann ich sage


Præstans est oleum, fovet, ungit, nutrit & ardet.6


Das Oel allein vil Nutzen bringt /

Indem es heilt / ernährt und brinnt.


Ja also ist es / das Oel allein vil Nutzen bringt /und wird auf unterschiedliche Weiß gebraucht zu den Speisen / absonderlich in Welschland schier so häuffig zu dem Kochen / als wie bey uns das Schmaltz und Butter: nicht weniger von den Wund-Artzten zur Heylung der Wunden und Linderung der Schmertzen neben vielfältigen innerlichen medicinalischen[557] Gebräuch zu dem Brennen etc. ich rede da von dem Baumöhl / welches aus den Oliven geprest wird /nicht aber von Lein- oder Saamen-Oel / Nuß-Oel /Mandel-Oel / Ilgen-Oel / Stein-Oel. etc.

Das Baum-Oel aber wird häuffig aus Welschland /Franckreich und Spanien ins Teutschland überbracht: für das beste wird gehalten / welches zu Lissabon /und um den Lago di garda herum wachst; weil es schön rein und annehmlich von Geschmach ist.7 Das Oel-Pressen geschicht in den gemeldten Ländern /wann die Oliven recht zeitig seynd und schwartz werden: diese Oliven bricht man zu morgens fruhe ab /wann es schön Wetter ist / und zwar nicht mehr auf einmahl als in einem Tag und Nacht können ausgepresset werden.

So bald sie abgebrochen seynd / werden sie auf geflochtene Hurten ausgebreitet / auf daß die überflüßige Feuchtigkeit von ihnen komme. Hierauf schüttet man selbe in die Preß / welche auf einem gepflästerten / und etwas abhängigen Estrich stehet / damit das ausgepreßte Oel desto füglicher ablauffen möge.

Das Orth aber / wo man das Oel prest / muß warm seyn / damit das Oel nicht erkalte und zufliessen aufhöre: wann nun alles parat ist / da werden die Oliven in saubern Körben / die von Weiden geflochten seynd / auf die Oel-Trotten oder Preß getragen und daselbst ausgepreßt: etliche Oel-Schläger pflegen wohl auch vorher die Oliven mit Füssen zu tretten / vast eben wie man bey uns mit den Wein-Trauben zu thun pflegt / wann man selbe auf das Torckel-Beth aufschüttet / dann sagen sie / das auf solche Weiß ausgetrettene Oel seye viel besser / klärer und wohlgeschmackter als das mit grösserem Gewalt ausgepreßte.

Der erste Truck des Oels / so mit der Preß geschchit / gibt allzeit das beste und kläriste Oel /gleichwie auch bey uns der Vorlauff des Mosts oder neuen Weins besser ist / als der Nachtruck / deßwegen man auch gleich dasselbige in besondere Geschirr fasset / und Jungfrauen-Oel / Protropon nennet / der zweyte Truck / Iterativum genannt / ist schon widerum etwas schlechters: der dritte Truck / so sie Tertiatum heissen / gibt das Oel / welches das schlechtiste ist / so man zum Schmiren / und in die Lampen zum Brennen braucht: mithin ist wohl zu besorgen / daß die Herren Italiäner ihr Protropon oder erstes Oel für sich selbsten behalten / und uns Teutschen nur das Iterativum oder zu Zeiten gar das Tertiatum heraus schicken / welches etwan besser für ein Wagen-Schmier als den Salat darmit anzumachen taugte: doch will ich die so ehrliche als kluge Kaufleuth deßwegen nicht gescholten haben.

So bald das ausgepreßte Oel ein Zeitlang in Tonnen oder Fäßlein gestanden ist / da schütten die Oel-Schläger solches in andere Geschirr: weilen jemehr es bewegt und durchlufftet wird / je klärer und läuterer wird es. Die neue Oel-Fässer müssen allzeit innerhalb wohl mit Hartz gepicht werden / die alte aber mit einer Laugen sauber ausgewaschen etc. trüb- und unsauberes Baum-Oel / das verderben will / wird wiederum zu recht gebracht / wann man ein Hand voll Coriander-Kraut in das Fäßlein henckt / oder laßt es ab in ein frisches Faß etc.

Das Baum-Oel ist schon in dem alten Testament aus Göttlichem Befelch bey den fürnehmsten Verrichtungen gebraucht worden / nemlich zur Salbung der Hohenpriester und Königen.8 Auch heutiges Tags wird es von der Catholischen Kirchen bey Administrirung unterschidlicher heiligen Sacramenten gebraucht: nemlich bey Ertheilung des Taufs / der Firmung /[558] der Priester-Weyh und letzten Oelung: dann die äusserliche Salbung des Leibs mit dem Oel / bedeutet die innerliche Salbung der Seelen / mit der Gnad des Heil. Geists / dann diese hat in sittlichem Verstand eben solche / ja weit fürtrefflichere Würckungen als das Oel: sie ernährt die Seel / und erhält sie bey dem geistlichen Leben: sie heilet die auch tödliche Wunden derselben / sie leuchtet / und erleuchtet den Verstand / sie entzündet den Willen / und erweichet das Hertz / das Oel linderet die Schmertzen /stärcket die Glieder / und macht den Leib hel oder schlipfferig / daß er nicht leicht kan gehalten werden: deßwegen vor Zeiten die Kämpfer / ehe daß sie auf den Kampf-Platz getreten seynd / den gantzen Leib mit Oel zu schmieren pflegten / auf daß sie von ihrem Feind nicht wohl kunten gehalten / und zu Boden geworffen werden. Auch noch vil mehr linderet / ja vertreibet des Oel der Gnaden die Schmertzen des Gemüths; Non contristabit justum, quid quid ei acciderit.9 Den Gerechten beleidiget / oder betrübt /nichts / was ihm Unglicks zufält. Absonderlich stärckt dieses Oel / diese kostbare Salbung die Seel im letzten Streit wider die Feind ihres Heyls / und ertheilt ihr übernatürliche Kräfften zu überwinden.

Das Oel ist daß leichtiste aus allen Liquoribus oder fliessenden Dingen / es schwimmet allzeit oben auf /und laßt sich mit andere Säfften nicht vermischen: also / die Gnad GOttes ist die fürnemst- und edliste aus allen Gaben / sie überschwebet alles / und laßt sich mit den sinnlichen und Sündigen Wollüsten nicht vermischen.

Es hat auch GOtt selbsten durch das Oel vil Wunder gewircket: zur Zeit der Geburth Christi / unter der Regierung des Kaysers Augusti ist zu Rom ein Bronnen entsprungen / der ein gantzen Tag mit Oel geflossen ist. Aus den Gebeinen eines Heil. Nicolai, Catharinæ und Walburgæ pflegt noch heutiges Tags ein wunderthätiges Oel zu fliessen / welches für mancherley Zuständ und Anliegen ein bewehrtes Mittel ist.10

Ein gewisser Gottseeliger Priester beschwöret einige von dem bösen Feind besessene Personen / diese aber wolten kein Wort nicht reden und antworten / der Teufel liesse es ihnen nicht zu: der Priester aber legte ihnen die mit dem Heil. Oel gesalbete und geweyhte Finger in den Mund / und sprach zu dem bösen Feind; wann es dir möglich ist / diese Finger zu beissen /und zu verletzen / so thue es gleichwohl: wo nicht so lasse die besessene reden.11 Der Teufel aber wegen Krafft des Heil. Oels kunte ihnen durch aus nicht schaden / sondern müste sie verlassen:

Das Oel welches von dem Heil. Simeone stilita ist geweyhet worden / daß ist wegen seinen wunderthätigen Würckungen sehr hoch geschätzt / und für ein grosse kostbarkeit gehalten worden.

Als das Land / wo der Heil. Hilarion wohnte 3. Jahr lang des Regens beraubt ware / da ist ein grosse Hungers-Noth bey den Leuthen entstanden: die Betrangte lieffen häufig zu diesem grossen Diener GOttes / daß er ihnen durch sein Gebett ein fruchtbaren Regen erhalten solte: es ist auch geschehen. Aber die gehling und starck angefeuchtete Erden / hat ein solche Menge der Schlangen und anderer gifftigen Thieren herfür gebracht / das unzahlbar vil Menschen die darvon gebissen worden / gestorben wären / wann nicht der Heil. Hilarion ihnen beygesprungen wäre /und sie mit geweichten Oel geheilet hatte.

Als die heilige Bischöff Germanus und Lupus von dem Pabst Pelagio in Britanniam gesandt wurden /die[559] belagianische Ketzerey zu bestreiten und zu vertilgen / und mitten auf dem hohen Meer sich befanden /begegnete ihnen ein grosse mächtige Schaar der bösen Geisteren / welche das gute Vorhaben dieser heiligen Männer / nemlich die Bekehrung der Sünder und Ausrottung des Irrthums gern verhinderet hetten. Zu diesem End erwecken sie ein hefftiges Ungewitter / von Wind und Wellen auf dem Meer / welches die Schiffende in die euserste Gefahr des gewissen Untergangs stürtzte. Der Heil. Germanus aber neben eyfrigem Gebett und Anruffung der Göttlichen Barmhertzigkeit / nahme ein wenig geweyhtes Oel / und schüttet selbes im Nahmen der allerheiligsten Dreyfaltigkeit in das tobende Meer / und sihe / alsobald hat sich die Ungestimme gelegt / alle Gefahr ist verschwunden /und ihnen ein sichere günstige Schiffart zu Theil worden.

Es ist auch wie Greg. M.L. 3. Diolog. C. 30. erzehlet / zum öffteren geschehen / daß zu Rom einige ausgelöschte Oel-Amplen für sich selber / wunderbarlicher Weiß wiederum seynd angezündet worden. Mehr anders dergleichen sihe bey Dauroultio in flor. Exempl. Cap. 4. tit. 23. & 4.

Nun haben wir noch zu mercken / was Hugo Card. uns zu ruffet: oleum de Corde non debet deficere, sicut nec de lampade. Gleichwie die Ampel also auch das Hertz / und die Seel solle niemahl ohne Oel seyn: er will sagen / ohne Oel der Gnad GOttes / ohne Oel der Andacht / der guten wercken: absonderlich der Wercken der Barmhertzigkeit / als welche fürnemlich durch das Oel bedeuten werden / ohne welche der Mensch / als wie ein Ampel ohne Oel / ein unnutz verächtliches und todtes Wesen ist.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 557-560.
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