Neunte Szene


[393] Graf – Adolph – Henriette – Gräfin.


GRAF. Liebe Schwester! diesmal wirst du hoffentlich mit mir zufrieden sein.

ADOLPH. Beste Tante! Ich stelle Ihnen hier meine Braut vor.

GRÄFIN. Deine Braut?

GRAF. Arm, aber brav, – sehr brav!

ADOLPH. Fräulein Henriette von Stein.

GRÄFIN. Von Stein?

GRAF. Nun ja, von Stein. Stelle dich doch nicht, als ob du zu Salz worden wärest.

GRÄFIN. Doch wohl nicht eine Schwester des Lieutenants von Stein?

HENRIETTE. Ja, gnädige Frau!

GRAF beiseite. Die kennt den Lieutenant auch.

GRÄFIN. Vortrefflich! Kommen Sie in meine Arme, liebes Kind!


Umarmt sie.


GRAF. Endlich![393]

HENRIETTE. Mein Herz soll mir Ihre Liebe verdienen.

GRÄFIN. Hätte ich doch den Wildfang kaum eines so vernünftigen Streichs fähig gehalten.

GRAF leise. Welchen von uns beiden meinst du?

GRÄFIN. Beide!

ADOLPH. Meine gute Henriette hat mich ganz verwandelt.

GRÄFIN. Dann ist sie eine mächtige Fee.

ADOLPH. Sie trägt den Zauberstab im Auge.

GRÄFIN. Daß nur nie Tränen um den Flattergeist dies schöne Auge füllen!

ADOLPH. Warum von meinem Tode sprechen? Denn nur im Tode –

GRÄFIN. Still! still! Das sind Redensarten!

ERNESTINE kommt. Er ist im Vorzimmer.

GRÄFIN. Er soll einen Augenblick warten.


Ernestine ab.


GRAF. Wer?

GRÄFIN. Kinder! Ich habe euch alle herzlich lieb, aber jetzt kommt ihr mir ungelegen, denn ich muß eben ein Rendez-vous geben.

GRAF. Du ein Rendez-vous?

GRÄFIN. Warum denn nicht? Es gibt Leute, die funfzehn Jahre älter sind, als ich, und doch noch Rendez-vous geben.

GRAF. Das war grob!

GRÄFIN. Fort, fort, in mein Kabinett! Dem Herrn Neveu wird die Zeit nicht lang werden, und für dich, Herr Bruder, habe ich dort auch eine Gesellschaft.

GRAF. Für mich? Laß doch sehen, ob du meinen Geschmack kennst.


Geht auf das Kabinett zu.


GRÄFIN. Was gilt die Wette?

GRAF öffnet die Tür und bleibt mit offnem Munde stehen. Madame Friedberg?

ADOLPH desgleichen. Madame Friedberg?

HENRIETTE schreit. Amalie! Fliegt ins Kabinett.

AMALIE inwendig. Henriette!

GRAF. Was Teufel!

ADOLPH. Ein fataler Streich!

GRÄFIN. Hinein! hinein! Verwundert euch drinnen, und schämt euch auch und bittet um Vergebung. Schiebt einen nach dem andern hinein. Gern möchte ich dabeisein und mich an euren Armensünderphysiognomien ergötzen, aber ich habe jetzt keine Zeit. Macht die Tür zu und klingelt dann. – Ernestine kommt. Laß ihn herein!


Ernestine ab.
[394]


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 393-395.
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