Achte Szene

[408] Die Magd – Die Vorigen.


MAGD. Da bringt eben ein Bauer einen Brief. Der Herr, der ihn schickt, liegt draußen im Steinbruch und flucht. Er hat den Wagen zerbrochen, und ich glaube auch ein Bein.

BÜRGERMEISTER. Seit ich Bürgermeister auch Oberältester bin, ist, Gott sei Dank, noch in jeder Woche auf unserer Straße ein Reisender umgeworfen worden.

FRAU STAAR. Warum läßt denn aber ein Hochedler Rat die Wege nicht reparieren?

BÜRGERMEISTER. Was soll denn aus unsern Schmieden und Sattlern werden, die vom Umwerfen leben müssen?

SABINE. Aber, lieber Vater, die Reisenden klagen gewaltig. Sie müssen noch obendrein Chausseegeld bezahlen.

BÜRGERMEISTER. Laß sie klagen und zahlen. Was wollen die[408] Reisenden reden, wenn wir uns sogar gefallen lassen, daß das Pflaster unserer guten Stadt Krähwinkel noch weit schlechter ist als die Landstraße?

SABINE. Trotz des Pflastergeldes.

BÜRGERMEISTER. Eben deswegen. Wir brechen hier auch die Beine, und murren nicht. Also, wo ist der Brief?

MAGD öffnet die Tür. Nur herein guter Freund. Sie geht ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 408-409.
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