Vierte Szene

[436] Sperling – Vorige.


SPERLING. Hochgeehrteste Frau Muhmen, ich wollte, der Fremde läge noch im Steinbruche, denn unter uns gesagt, er hat keine Konduite.

HERR STAAR. Darüber sind wir einig.

SPERLING. Haben Sie wohl das spöttische Lächeln bemerkt, als ich den löblichen alten Leberreim vorschlug?

HERR STAAR. Von Ihrer schönen Ode auf die Braunschweiger Mumme, hat er nicht drei Worte gehört.

FRAU BRENDEL. Da zwinkert' er immer mit der Jungfer Muhme, die ihm gegenübersaß.

SPERLING. Für die schöne Literatur scheint er wenig Sinn zu haben.

HERR STAAR. Er hat ja nicht einmal den Rinaldo Rinaldini gelesen.

SPERLING. Er ist zu bedauern. Es mag ihm nicht an Anlage fehlen, aber keine Ausbildung.

HERR STAAR. Keine Sitten.

FRAU BRENDEL. Keine Moral.

FRAU MORGENROTH. Keine Lebensart.

FRAU STAAR. Keinen Titel.

SPERLING. Wenn der bei dem morgenden großen Feste erscheint, geben Sie acht, der wird zum Kinderspott.[436]

HERR STAAR. Danken wir dem Himmel, daß in unserer guten Stadt Krähwinkel die liebe Jugend feiner erzogen wird.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 436-437.
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