Vierter Auftritt.

[86] Die Gräfinn. Valer.


DIE GRÄFINN. Es ist gut, daß ich sie noch in meinem Hause antreffe. Ich habe eben erfahren, daß mein Gemahl einem gewissen Licentiaten die Rathsherrnstelle noch heute zu geben versprochen hat. Darum müssen sie sich ja nicht entfernen, damit ich sie als meinen Candidaten, dem seinigen zu rechter Zeit entgegen setzen kan. Der Licentiat muß ein abgeschmackter und unwissender Kerl seyn. Der Tölpel untersteht sich zu glauben, daß es in meines Gemals Gewalt sey, ihm die Bedienung zu geben, und daß er meiner Gewogenheit dabey entbehren könne. Mein gutes Herrchen, und wenn ihr Docter dazu wäret, so sollt ihr diesesmal nicht Rathsherr werden. Ihr wäret der erste Candidat, der ein Amt erhielte, ohne meine Stimme zu haben, sie sind klüger, Herr[86] Valer, sie verstehen es, eine Sache am rechten Ende anzugreifen.

VALER. Unterdessen muß ich doch zum Ruhme Ihro Excellenz, und vielleicht auch zu dem meinigen bekennen, daß ich diese Klugheit nicht von mir selbst habe. Die vortreflichen Eigenschaften ihres Geistes, gnädige Frau, ihre Hoheit, ihr scharfsinniger Verstand, ihr – – –

DIE GRÄFINN verdrießlich. O pfui! bleiben sie mit dergleichen läppischen Schmeicheleyen zu Hause.

VALER. Mehr, als alles, aber, die Gewalt ihrer geistreichen Augen, ihre von Jugend und Schönheit noch blühende Gesichtszüge, so viel Annehmlichkeiten, welche den Liebesgott selbst auf ihrer glänzenden Stirn, auf ihren feurigen Munde, auf ihren küssendswehrten Händen, in ihrer ganzen Leibesgestalt abzeichnen – – –

DIE GRÄFINN verliebt. Ach! sie haben einen guten Geschmack!

VALER. Alle diese Reitzungen, von welchen man die bewundernswürdigste nicht auszulesen weiß, haben mich in der Schule gehabt. Ich schätze mich mit Recht für den glückseligsten Candidaten, der noch jemals nm ein Amt angehalten hat. Was für eine Wollust ist es nicht, die Gewalt so vieler Schönheiten zu empfinden! es kan gar nicht fehlen, es kan kein Mensch, der gesunde Augen hat, Ihro Excellenz betrachten, ohne in ihren Blicken so gleich die Nothwendigkeit gewahr zu werden, sich um ihre Gewogenheit zu[87] bestreben, wenn er in seinen Absichten glücklich seyn will. Ich zum wenigsten habe diese Wahrheit so starck eingesehen, daß ich es gar für un nöthig gehalten habe, mich weittäuftig bey ihrem Herrn Gemal beliebt zu machen. Ich empfinde es daß Ihro Excellenz mächtig genug sind, mich allein glücklich zu machen, und mir ein Amt zu geben, in dessen Bekleidung ich zeit Lebens ein Zeugniß von ihrer Gewalt und Weißheit ablegen werde.

DIE GRÄFINN. Sie betrügen sich vielleicht Herr Valer, meine Reitzungen müssen in der That nicht so mächtig seyn, da der Licentiat so verwegen seyn kan, über dieselben hinzusehen.

VALER. Das ist sein Unglück, aber nicht der Fehler ihrer Reitzungen. Er muß keine Augen, kein Gefühl, keinen Geschmack haben.

DIE GRÄFINN. Der Klotz!

VALER. Er mag wohl gar in dem Irrthum stehen, daß Ihro Excellenz alt sind.

DIE GRÄFINN. Der Tölpel!

VALER. Oder, er mag sich auch scheuen, ihren Herren Gemal eyfersüchtig zu machen!

DIE GRÄFINN. Der Narr!

VALER. Oder er mag auch Ihro Excellenz so wenig Wissenschaft zu leben zutrauen, und glauben, sie wären in ihren Herrn Gemal so verliebt, daß sie den Weyhrauch verschmähen würden, welchen ihnen auch andre Mannspersonen zu opfern schuldig sind.

DIE GRÄFINN. Der einfältige Tropf! kein Klang ist in meinen Ohren verhaßter, als der[88] Thon der Schmeicheleyen, die mir mein Gemal versagt; allein zu meinem Glücke geräth er eben nicht oft zu dieser Ausschweifung, diese Thorheit kömmt ihm nur an, wenn er ein wenig getrunken hat.

VALER. Darinn sind Ihro Excellenz noch glücklich. Ich kenne Frauens bürgerlichen Standes, welche recht von den Liebkosungen ihrer Männer belagert sind, und doch lieber in der Nachbarschaft eines Tag und Nacht lärmenden Grobschmiedes wohnen würden, wenn sie dadurch das Kreutz los werden könnten, daß sie die Seufzer ihrer verliebten Männer anhören müssen.

DIE GRÄFINN. Ich kan aber bey dem allen die Ursache nicht ergründen, warum uns Frauens die Seufzer der Anbeter lieblicher klingen, als die Seufzer unsrer Männer; es sind doch einmal wie allemal Seufzer. Ich kan nicht umhin ihnen zu gestehen, daß ich es für eine Schwachheit halte, aber diese Schwachheit hat in meinen Augen so etwas angenehmes und bezauberndes, daß ich lieber tod seyn, als diese Schwachheit nicht an mir haben wollte.

VALER. Ihro Excellenz haben vollkommen recht; denn ein Leben ohne Schwachheiten ist ein verdrießliches einerley, welches einem Schlafe nicht unähnlich ist. Die Ursache aber von diesem Geschmacke der Frauens, liegt in der Natur und in der Vernunft selbst. Die Seufzer eines Mannes sind durch den Argwohn vergiftet, daß sie nur die kalte Pflicht hervor bringet, die Seufzer eines Anbeters aber entstehen allemal aus der feurigen[89] Neigung; diese sind die Wirkung der Vortreflichkeiten eines Frauenzimmers, jene aber nur eine Notwendigkeit, welche allemal etwas verdrießliches mit sich führet. Wenn ich hier aber von einer feurigen Neigung rede, so kan ich solches aus meinem Beyspiel erweisen; denn ohngeachtet mich die Ehrfurcht, welche ich als ein bürgerlicher ihrem Stande und ihrer Geburt schuldig bin, im Zaum halten sollte, so reissen mich doch ihre Annehmlichkeiten aus den Schranken, und machen meine ganze Seele gegen sie so zärtlich, als ob mich die Geburt berechtigte – – –

DIE GRÄFINN verliebt. Ach! die Zärtlichkeit ist weit stärcker, als Geburt und Stand; ich empfinde es nur allzusehr. Noch mehr, ich muß ihnen bekennen, daß ich von dem Umgange mit Edelleuten gar keine Freundinn bin, ihre Liebesgeständnisse sind mehr zuversichtlich gegen ihre eigne Verdienste, als demüthig und empfindlich gegen die unsrigen. Vor allen aber sind die Officier in meinen Augen die abscheulichsten; sie seufzen nicht nach unsern Gunstbezeigungen, sie wollen sie durch drohen und pochen erzwingen, sie meinen, es sey mit der Eroberung eines Herzens eben so beschaffen, als mit der Eroberung eines Citadels. Der Sturm sey der kürzeste und rühmlichste Weg. Die guten Herren wissen aber nicht, daß eine Dame nicht so unter den Fuß zu bringen ist, als ein Regiment.

VALER. Ihro Exzellenz irren sich in ihren Empfindungen gar nicht. Ein Officier verschwendet[90] so viel Lobeserhebungen an seine Heldenthaten, an seine Wunden, an seine Gefahr, an seine Tapferkeit, daß er keine Worte übrig behält, den Vortreflichkeiten eines Frauenzimmers Lobreden zu halten. Es kan daher nicht fehlen, er muß mißfallen. Mit uns Gelehrten aber ist es ganz anders beschauen. Ich wenigstens wollte wohl ein ganzes Jahr lang von Ihro Excellenz bewundernswürdigen Eigenschaften reden, und doch noch Materie übrig haben, sie die folgende Jahre damit zu unterhalten.

DIE GRÄFINN. Und sie besitzen eine so einnehmende Beredsamkeit, daß ich niemals müde werden würde, sie anzuhören; allein, es ist war eine schöne Sach um eine angenehme Unterredung, doch ein zärtlicher und feuriger Liebhaber lässet es nicht dabey bewenden; er unterbricht das Gespräch zuweilen durch ein wenig Leichtfertigkeit. Er hat seinem geliebten Gegenstande so viel zu sagen daß ihm die Sprache zu unvollkommen ist, sich auszudrücken, er nimmt noch andre Zeichen zu Hülfe. Verstehen sie mich Herr Valer?

VALER küsset ihr die Hand. Urtheilen Ihro Excellenz selbst, ob ich sie verstehe.


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Candidaten, oder: Die Mittel zu einem Amte zu gelangen. [Braunschweig und Hamburg, 1748], S. 86-91.
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