7. Szene.

[101] Hasemann. Körner.


KÖRNER tritt durch die Mitte ein. Guten Tag, Anton.

HASEMANN erfreut. I Herrjeh, Körner! Läßt du dich auch mal wieder sehen? Guten Tag, setze dich.

KÖRNER sich zu Hasemann an den Tisch setzend. Na, wie sieht's im Garten aus?

HASEMANN. Trocken, mein Junge, die Sonne meint es zu gut diesen Sommer; ich kann gar nicht so viel Wasser 'reinpumpen in die Erde, als sie aufsaugt.

KÖRNER. Als sie aufsaugt! So brennt's im Herzen. Kämpfe noch so sehr mit Vernunftgründen gegen eine Leidenschaft an – Tropfen, spärliche Tropfen, welche die sengende Glut nur allzubald verzehrt.

HASEMANN. Spukt bei dir vielleicht so'n leidenschaftlicher Krater unter der Weste?

KÖRNER. Das wäre möglich, Anton. Würde es dich sehr langweilen, wenn ich dich bäte, ein paar ernste Worte von mir anzuhören?

HASEMANN. Wie kannst du so etwas fragen! Bin ich nicht dein Freund?

KÖRNER ihm die Hand reichend. Ja, das bist du. Wenn ich damals vor fünfzehn Jahren dich nicht gehabt hätte, dann wäre ich wohl elend zugrunde gegangen, während ich jetzt –

HASEMANN. Willst du schon wieder von den lumpigen paar hundert Talern anfangen, die du mir längst wiedergegeben hast? Darauf kannst du dir nichts einbilden. Wenn ich aller Leute Freund sein wollte, die mich schon angepumpt haben, müßte mein Freundeskreis ein sehr ausgebreiteter sein. Nee, mein Junge, ich schätze dich, weil ich dich als Biedermann erprobt habe, weil du ein offener und ernster Charakter bist – so was heimelt mich an. – Darum bin ich eigentlich neugierig, zu erfahren, von was für 'ner Leidenschaft du reden willst?

KÖRNER. Warst du jemals verliebt, Anton?[101]

HASEMANN lachend. Du, das ist gewissermaßen 'ne Beleidigung – ich bin ja seit dreiundzwanzig Jahren verheiratet. Aber du brauchst dich nicht zu entschuldigen, es war dabei mit der Liebe nicht so arg. Mein Vater meinte, als ich meine drei Jahre Kasernendienst hinter mir hatte, für die Gärtnerei wäre mein Kopf sehr gut; im übrigen aber könnte der Krone ein bischen aufpfropfen gar nichts schaden. Na, die Früchte kennst du ja.

KÖRNER. Du sprichst von deinen Kindern?

HASEMANN. Natürlich; leider nur ein Viertel Dutzend weibliche Blüten.

KÖRNER. Sage nicht: leider. Rosa ist ein herrliches Geschöpf.

HASEMANN. Na ja, aber sie vergißt, wozu sie eigentlich auf der Welt ist. Schon vier oder fünf ganz anständige junge Männer hat sie mit Körben heimgeschickt, weil sie ihr nicht gut genug waren.

KÖRNER. Das gefällt mir gerade von ihr.

HASEMANN. So, dir gefallt das? Na ja, du hast ja nicht für sie zu sorgen, wenn sie 'ne alte Jungfer wird.

KÖRNER. Du brauchst nur ja zu sagen, und ich nehme dir diese Sorge ab.

HASEMANN verwundert. Was heißt das eigentlich?

KÖRNER. Ich liebe Rosa und wäre der glücklichste Mensch, wenn sie meine Frau werden wollte.

HASEMANN. Ach, mach' keinen Spaß?!

KÖRNER. Ich habe niemals im Leben ernster und wohlüberlegter gesprochen. Als ich mir zum ersten Male über die Zuneigung zu deiner Tochter klar wurde, da erschrak ich vor meinen vierzig Jahren und versuchte es, mich selber auszulachen. Aber das wollte schlecht gelingen; sehr bald sogar fand ich es durchaus nicht mehr lächerlich, als Freier eines Zwanzigjährigen Mädchens auftreten zu wollen. Gerade das, was dir an Rosa mißfällt, gab mir den Mut, annehmen zu dürfen, daß sie sich bei der Wahl ihres Gatten nicht bloß durch Aeußerlichkeiten werde bestimmen lassen. Seit Monaten kämpfe ich mit dem Entschluß, mir die entscheidende Antwort zu holen, – heute endlich soll es sein. Ich bitte dich, Anton, trage du deinem Kinde meinen Herzenswunsch vor, sage ihr, daß meine Liebe zu ihr unbesiegbar sei. Und ist die Hoffnung, welche ich aus dem Umstande gezogen, daß Rosa bisher alle Freier abgewiesen hat, eine trügliche gewesen, so bring du mir[102] die Hiobspost und erspare mir die Beschämung, von lachenden Mädchenlippen den Geleitsbrief für ein einsames Wanderleben empfangen zu müssen; denn fort von hier muß ich, wenn sie nein sagt. Es bietet sich gerade jetzt eine Gelegenheit, meine Fabrik vorteilhaft verkaufen zu können – ich habe entfernte Verwandte in Wien –

HASEMANN einwerfend. Fünf Uhr 3, über Breslau.

KÖRNER. Sie würden mich gern aufnehmen, wenn ich mit vollen Taschen käme. Und wenn auch nicht, die Welt ist groß.

HASEMANN. Ach, Wien ist gar nicht so weit: 4 Uhr 15 über Dresden, bist du 8 Uhr 25 früh in Wien.

KÖRNER. Du meinst also –?

HASEMANN. Reisen, mein Junge, reisen. Du weißt ja, das ist meine Schwärmerei, und wenn ich erst 'mal kann –

KÖRNER aufstehend. Ich verstehe dich. Du bist überzeugt, daß Rosa meinen Antrag abweisen würde.

HASEMANN. Ach so! Nein, weißt du, das habe ich damit gar nicht sagen wollen.

KÖRNER. Du gibst mir also Hoffnung?

HASEMANN. O, warum nicht! Hast du dich denn schon mit meiner Alten verständigt?

KÖRNER. Nein, Anton, du bist der erste, dem ich mein Geheimnis anvertraue.

HASEMANN verlegen. Das ist mir ja sehr schmeichelhaft; aber da es sich um eine Familiensache handelt – du weißt ja, die Familiengeschäfte überlasse ich gern meiner Frau.

KÖRNER. So wirst du in diesem Falle, hoffe ich, eine Ausnahme machen. Findest du es denn nicht natürlich, daß ich mich an den Freund wende, wenn dieser Freund der Vater des Mädchens ist, von dem ich die Entscheidung über mein Lebensglück erwarte?

HASEMANN. Gewiß, das ist sehr natürlich, ich werde auch mit meiner Frau darüber sprechen.

KÖRNER. Nein, mit Rosa selber, bitte ich dich. Ich komme heut noch wieder, um mir meinen Bescheid zu holen. Adieu, Anton.

HASEMANN Körner die Hand reichend. Adieu, Körner.

KÖRNER. Und würdest du mich gerne als Schwiegersohn annehmen?

HASEMANN. Gewiß, mein Junge, lieber als jeden andern.[103]

KÖRNER. Nun, dann versuch's, mich in das beste Licht zu stellen. Vielleicht weißt du etwas von mir zu sagen, was mir bei deiner Tochter nützen könnte.

HASEMANN absichtslos. Nee, ich wüßte nicht –

KÖRNER lächelnd. Du bist aufrichtig. Aber wahrhaftig, ich wußte mir selber nichts besseres nachzurühmen, als daß ich in ehrlicher Arbeit die Mittel gewonnen habe, um einer Frau eine sorgenfreie Existenz zu bieten, und daß ich alles, was ich bin und habe, einsetze für die Verwirklichung des holden Traumes, Liebe einzutauschen für Liebe. Hasemann die Hand schüttelnd. Leb' wohl! Rasch ab durch die Mitte.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 101-104.
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