5. Szene.

[141] Körner allein. Dann Wilhelm.


KÖRNER. Wie sie bewundert wird! O, ich glaube es wohl; aber von niemand mehr, als von mir.

WILHELM durch die Mitte. Bon soir, Schwager.

KÖRNER. Ah, Wilhelm, guten Abend.[141]

WILHELM. Störe ich dich?

KÖRNER. Durchaus nicht.

WILHELM. Willst du mitkommen?

KÖRNER. Wohin?

WILHELM. Na, zu mir. Du weißt ja, wir feiern Emiliens Geburtstag.

KÖRNER. Leider kann ich nicht, mein Junge. Aber warte einen Augenblick, ich stehe gleich zu deiner Disposition, ich will nur einen Auftrag geben. Ab durch die Mitte.

WILHELM sich umsehend. Es sieht verdammt nobel hier aus, und dabei doch behaglich. Wenn nur sonst alles stimmt! Die Emilie hat mich ordentlich angesteckt mit ihren Befürchtungen. Es täte mir leid um Körner, denn der ist ein prächtiger Kerl.

KÖRNER durch die Mitte. So. Du trinkst doch ein Glas Wein? Ein Dienstmädchen, welches Körner gefolgt ist, setzt eine Flasche Wein und zwei Gläser auf den Tisch und entfernt sich sodann wie der.

WILHELM. Warum nicht! Ich habe zwar heute schon eine ganze Menge durcheinander getrunken; denn erst haben wir auf dem Bau Geburtstag gefeiert, dann zu Hause, dann bei Klinkerts – aber einen Schluck Wein trinke ich schon noch.

KÖRNER. Setze dich.

WILHELM.1 Aber nicht lange, ich muß nach Hause. Uebrigens nette Verwandte seid Ihr! Die Schwester schickt ein Bouquet und eine Gratulation auf rosa Papier, und der Schwager tut gar nicht, als ob er wüßte, daß meine Frau geboren ist. Warum wollt Ihr nicht wenigstens heute einmal ein Stündchen bei uns verplaudern?

KÖRNER. Rosa ist nicht zu Hause.

WILHELM. Wieder in Gesellschaft?

KÖRNER. Eine Einladung, welche sie nicht ausschlagen konnte. Und ich – das weißt du ja – käme sehr gern zu Euch, aber ich habe meiner Frau versprochen, zu Hause zu bleiben wegen des Kleinen, der ihr ein wenig unruhig schien. Ich habe unseren Hausarzt bitten lassen, heute Abend noch einmal vorzusprechen.[142]

WILHELM. Sage 'mal, wie behandelt Ihr den Jungen? Kalt oder warm?

KÖRNER. Das ist eine närrische Frage.

WILHELM. Ich streite mich nämlich immer mit meiner Frau darüber – sie ist für kalte Abreibungen, während ich sage, das Kind muß warm behandelt werden, immer warm.

KÖRNER. Welches Kind? Mein Junge?

WILHELM. Ach, was geht mich denn dein Junge an, ich meine –

KÖRNER. Na, so viel ich weiß, braucht Ihr Euch doch darüber noch keine Sorgen zu machen?

WILHELM. So? Denkst du vielleicht, wir wollen Waiseneltern bleiben? Im Gegenteil, ich rechne auf eine sehr starke Familie – Trinkend. Prosit! – darauf wollen wir mal anstoßen – und es ist von großer Wichtigkeit, daß die Eltern über die Erziehung einig sind. Seid Ihr eigentlich einig?

KÖRNER. Rosa und ich? O, wir sind immer einig.

WILHELM. Das heißt, du tust, was sie will.

KÖRNER lachend. Oho, du hältst mich am Ende gar für einen Pantoffelbruder?

WILHELM. Für so was Aehnliches. Wenn dein Kind unwohl ist, warum bleibt deine Frau nicht zu Hause?

KÖRNER. Ich sagte dir ja, eine Einladung, die man nicht abschlagen konnte. Uebrigens hat das mit dem Unwohlsein keine Gefahr.

WILHELM. Dann hättest du ja auch mitgehen können?

KÖRNER. Ich gehe nicht gern in solche Gesellschaften.

WILHELM. Das ist es ja eben. Wenn du deine Frau immer allein läßt, gibst du ihr ja selber die Gelegenheit.

KÖRNER. Die Gelegenheit!? Wozu?

WILHELM. Zum Kokettieren und sich die Cour machen zu lassen. Prosit! stoßen wir mal drauf an.

KÖRNER unruhig. Du hältst Rosa für kokett?

WILHELM. Na und ob! Du etwa nicht? Ich kenne sie ja genau – Mäkelröschen! Ehe ich meine Emilie heiratete, kam ich alle Tage ins Haus – ich wußte damals noch gar nicht, auf welche von Hasemanns Töchtern sich meine Liebe konzentrieren würde. Na, von der Rosa bin ich bald abgeschnappt; denn wenn man das so mit ansah, wie sie mit[143] jedem schmunzelte und liebäugelte, und hinterher, wenn sie Ernst machen wollten, alle auslachte, da konnte einem wahrhaftig der Appetit zum Heiraten vergehen. Meinst du nicht? Prosit! stoßen wir mal an. Dein Wein ist gut.

KÖRNER. Du scheinst gar nicht zu wissen, daß du von meiner Frau sprichst?

WILHELM. Na, na, du denkst wohl, ich bin benebelt? – Ich bitte dich, Schwager, ich weiß doch, wie alles gekommen ist. Wir dachten ja zuletzt alle, der Baron würde kleben bleiben; Mühe hat sie sich ja auch genug um den gegeben.

KÖRNER. Welcher Baron?

WILHELM. Na, der Baron Zinnow. Mir scheint aber, der wollte nicht, und mit einemmal hieß es, Ihr seid verlobt, und schon ein paar Wochen darauf war die Hochzeit. Weißt du, ich habe damals am meisten deine Partei genommen. Die andern sagten: er ist zu alt, zu solide, die passen nicht zusammen; ich aber sagte: laßt nur, er ist ein tüchtiger Mann mit Grundsätzen, der wird sie schon mores lehren und ihr die Mucken austreiben. Nun haben doch die andern recht behalten. Prosit!

KÖRNER. Das sind ja recht freundliche Ansichten – ich weiß nur nicht, ob ich darüber lachen oder mich ärgern soll.

WILHELM. Aergern mußt du dich – natürlich! und dazwischen fahren. Wie wirst du dir denn als Ehemann nachsagen lassen, daß dir so'n windiger Laffe, wie dieser Baron, ins Gehege kommt und versuchen will, dir –

KÖRNER auffahrend. Nun ist's genug!

Wilhelm steht ebenfalls auf. Ja, du hast recht, ich muß nach Hause, Emilie wird schon böse sein. Na, nimm's nicht übel, daß ich damit 'rausgeplatzt bin. Ich wollte es dir eigentlich gar nicht sagen, aber es ist doch am Ende besser, man hackt den bösen Zungen gleich von vornherein die Spitzen ab; denn wenn die Klatschbasen so'n Histörchen mal erst in die Welt gesetzt haben, dann ist's zu spät: man hat sein Anhängsel am Kragen und mag noch so viel stopfen und stopfen – es rutscht doch immer wieder raus. Es täte mir leid um dich, wahrhaftig! Wir haben dich alle gern, bloß ein bißchen zu gutmütig bist du, zu schwach. Na Prosit, stoßen wir nochmal an. Guten Abend, Schwager. Ab durch die Mitte.


1

Die folgende Szene hat Wilhelm nicht etwa als Trunkener zu spielen, sondern nur ein wenig angeregt durch den Wein und möglichst absichtslos.

Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 141-144.
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