[150] Körner. Rosa.
KÖRNER bleibt am Fenster, von der Gardine ein wenig verdeckt.
ROSA in einem eleganten Ueberwurf, tritt hastig durch die Mitte ein. Es läßt mir keine Ruhe, ich weiß es bestimmt, ich habe den Brief hier liegen lassen. Geht zum Schreibtisch.[150]
KÖRNER tritt Rosa entgegen, ruhig. Was willst du?
ROSA leicht erschreckend. Mein Mann!
KÖRNER. Ja, dein Mann.
ROSA. Mein Gott, du siehst ja sonderbar aus, so verstört? – Ist dem Kinde etwas passiert? Will nach dem ersten Zimmer links eilen.
KÖRNER hält sie zurück. Bleib, dem Kinde fehlt nichts – nichts, als eine ehrbare Mutter.
ROSA. Hermann!
Pause.
KÖRNER. Warum hast du mich geheiratet?
ROSA verwirrt. Warum ich –?
KÖRNER. Ja, warum du mich geheiratet hast?
ROSA rasch. Du hast den Brief gelesen?
KÖRNER. Welchen Brief?
ROSA. Ich hatte ihn liegen lassen – dort auf dem Schreibtisch.
KÖRNER. Es tut mir leid, daß ich ihn nicht gefunden habe, er wäre vielleicht ein Beweis mehr, wenn ich eines solchen noch bedürfte.
ROSA. Um Gottes willen, du wirst doch nicht glauben? –
KÖRNER. Antworte mir, warum bist du meine Frau geworden? Oder findest du die Antwort nicht? So will ich es dir sagen. Du warst ein schönes, vielumworbenes Mädchen, deiner Eitelkeit aber genügte das einfach bürgerliche Haus nicht, du wolltest für deine Hand mindestens einen hochklingenden Titel, ein Wappen eintauschen. Und als diese Spekulation mißlang, da trat im geeigneten Augenblick ein Mann vor dich hin, welcher sich einbildete, daß Liebe nur um Liebe, ein Herz nur um ein Herz zu gewinnen sei, ein Mann, welcher dir sein Herz, seine Liebe, sein Leben bot. Und du nahmst es an. Aber du hast ein falsches Spiel getrieben, und mit der Absicht, mich zu betrügen, bist du meine Frau geworden.
ROSA. Wenn du alles weißt, so mußt du auch wissen, daß ich unschuldig bin.
KÖRNER. Kannst du es leugnen, daß du meine Frau geworden bist nicht mit dem Wunsche, mich zu beglücken, sondern mit der Absicht, dich an einem andern zu rächen?! –
ROSA. Wenn du so grausam sein willst, meine Seele zu zermartern und mit schneidigem Messer klar zu legen, was mir selbst damals vielleicht nicht klar war – sei es[151] darum! Hier aber hört meine Schuld auf, was weiter folgt –
KÖRNER sie unterbrechend. Was weiter folgt? Ist es nicht ein Werk der Heuchelei, ein Lügengewebe, in welchem du mich einfingst, wie die Spinne ihr Opfer? Machtest du mich nicht glauben, daß du mein Weib aus Neigung seist? Auf den Gipfel der Seligkeit hast du mich gelockt, um mir mit einem Sturz den Narrenschädel zu zerschmettern.
ROSA. O, wenn du mich nur anhören wolltest? Wenn ich nur wüßte, wie ich die Worte setzen soll, um dich zu überzeugen, daß du mir unrecht tust. Deine Aufregung, dein Zorn verwirren mich – so sah ich dich noch nie.
KÖRNER. Ja, ich kenne mich selber nicht wieder.
ROSA. Du sagst, ich täusche dich. Nun denn, ich tat es gewiß nicht, seitdem ich dein Weib bin. O, wenn du wüßtest, wie mich dein hoher Sinn, deine aufopfernde Liebe gerührt, wie mich deine zarten Aufmerksamkeiten mit innigem Dank erfüllt haben –
KÖRNER höhnisch auflachend. Haha! meine zarten Aufmerksamkeiten! Ergreift das Veilchenbouquet und wirft es Rosa vor die Füße. Da!
ROSA. Dies Bouquet – diese unglückseligen Veilchen – Hermann, bei meinem Seelenheil! Du tust mir unrecht.
KÖRNER finster und ruhig. Nein. Den Verrat, welchen du an meinem Herzen begangen, werde ich verschmerzen lernen – vielleicht schwer, vielleicht erst spät, aber ich will es, und ich bin ein Mann. Allein meinen Namen, das beste Erbteil meines Sohnes, will ich nicht besudeln lassen; darum machen wir ein Ende, ehe es so weit kommt. Wir trennen uns.
ROSA verwirrt. Wie? Wir trennen uns?
KÖRNER. Ja. Die Mittel dazu gebe ich in deine Hand. Wende dich an deine Mutter – sie weiß ja so guten Rat zu geben! – sucht einen Advokaten, er mag, um dem Gesetze zu genügen, aussinnen, was er will – ich werde allem zustimmen. Du bist von heute ab frei.
ROSA. Du willst dich von mir scheiden lassen? Das kann dein Ernst nicht sein.
KÖRNER. Es ist mein Ernst, mein unerschütterlicher Wille.
ROSA. Niemals! Ich werde nein sagen. Du kannst mich nicht zwingen, den Schimpf zu ertragen.
KÖRNER. Du hörst ja, ich bin bereit, die Schuld auf mich zu nehmen.[152]
ROSA. Hermann, es ist nicht möglich, daß du mich so leicht aufgeben kannst?
KÖRNER. Leicht? o, nein! Aber ich werde den Kampf bestehen und meine Schwachheit besiegen.
ROSA. Und wenn ich nicht von dir lasse, wenn ich mich an dich klammere – Ergreift seine Hand.
KÖRNER sie von sich stoßend. Dann werde ich dich gewaltsam abschütteln. Genug! Ich will es mir täglich und täglich vorsagen, daß es das Schicksal versuchen hieß, als ich dein junges, üppiges Leben an mich fesselte. Es wird dieser Gedanke einen milderen Schatten auf dich werfen. Ich will auch einen Teil deiner Schuld auf diejenigen abwälzen, welche deine Jugend so schlecht bewacht und es nicht verstanden haben, deinem Gemüte das bildende Beispiel zu geben. Es wird mir immerhin ein Trost sein, dich beklagen zu dürfen. Aber raubst du mir auch diesen Trost, zeigst du auch jetzt noch den traurigen Mut, das Leben der Lüge und Heuchelei an meiner Seite fortsetzen zu wollen, dann habe ich nichts für dich, als – Verachtung. Leb' wohl! Rasch ab durch die zweite Tür links.
ROSA aufschreiend. Hermann! Sinkt ohnmächtig auf einen Stuhl.
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