15. Szene.

[172] Körner. Eduard.


KÖRNER einen Augenblick zögernd. Und ich gehe doch! Wendet sich zur Mitteltür.

EDUARD durch die Mitte. Herr Körner.

KÖRNER. Sie wünschen?

EDUARD. Ich suche Sie, ich habe mit Ihnen zureden.

KÖRNER. Ein andermal, wenn ich bitten darf, ich bin in Eile.

EDUARD. Aber es ist von Wichtigkeit.

KÖRNER. Dann begleiten Sie mich nach meiner Wohnung.

EDUARD. Von dort komme ich eben. Möchten Sie mich nicht hier anhören? Es betrifft Ihre Frau Gemahlin.

KÖRNER. Meine Frau?

EDUARD. Ja. Ist es wirklich wahr, Herr Körner, daß Sie sich von Ihrer Frau trennen wollen? Sie verzeihen, daß ich mit Ihnen darüber spreche, aber ich gehöre so halb und halb zur Verwandtschaft.

KÖRNER. Nun denn, da es sich schon die Spatzen auf dem Dache zu erzählen scheinen, ja, es ist wahr. Und was weiter?

EDUARD. Herr Körner, das ist ein unüberlegter Schritt.

KÖRNER auffahrend. Herr!

EDUARD. Sie tun Ihrer Frau, welche Sie aufrichtig liebt und verehrt, unrecht.

KÖRNER höhnisch lachend. Haha! Das scheint ja ein förmliches Komplott zu sein gegen meine gesunde Vernunft?[172] Lassen Sie mich in Ruhe, Herr. Fangen Sie Gimpel mit Ihrer Melodie, aber keinen Mann.

EDUARD. O, mein Herr, Sie begehen auch ein Unrecht, wenn Sie mich beleidigen, und ich würde auch kein Wort weiter mit Ihnen wechseln, wenn es sich nicht um Rosas Glück handelte.

KÖRNER. Rosa, meine Frau? Was kümmert Sie das Glück meiner Frau?

EDUARD. O, auch ich habe Rosa geliebt.

KÖRNER höhnisch. Noch einer!

EDUARD. Ja, noch einer, und noch dazu einer, der nichts zu hoch gehalten hätte, um es hinzugeben für das Glück, diesen Engel sein zu nennen.

KÖRNER. Zum Henker, Herr, was faseln Sie?!

EDUARD. O, unterbrechen Sie mich jetzt nicht, die Zunge will mir sowieso nicht parieren, wenn ich aufgeregt bin. Wenn Sie jetzt noch einen Augenblick zögern, das arme, schwer geprüfte Weib wieder aufzurichten, dann – dann sind Sie ein schlechter Mensch.

KÖRNER zornig. Sie unterstehen sich?

EDUARD ihn schnell unterbrechend. Hier lesen Sie, und ich will doch sehen, ob Sie dann noch den Mut haben, mich zu beleidigen? Reicht ihm den Brief aus dem zweiten Akt.

KÖRNER. Was soll das?

EDUARD. Lesen Sie nur.

KÖRNER lesend. »Verehrte Frau! Also Sie lieben Ihren Mann? – Was ist das für ein Brief? Mein Gott! Wie kommen Sie zu diesem Briefe?«

EDUARD. Er muß wohl auf dem Schreibtisch Ihrer Frau Gemahlin gelegen haben.

KÖRNER immer erregter. Ja, ja – sie sprach davon. Aber wie kam der Brief in Ihre Hände?

EDUARD. Wenden Sie das Blatt gefälligst um.

KÖRNER betrachtet die Rückseite des Briefes. Das ist ein Rezept?

EDUARD. Dasselbe, welches der Doktor gestern Abend für Ihren Knaben aufschrieb, und welches mir zur Anfertigung übergeben wurde.

KÖRNER vor Freude außer sich. Ist es denn möglich?! Herr – Herr Klein, nicht wahr, so ist Ihr Name?

EDUARD. Wie Sie sich mit einemmal an meinen Namen erinnern![173]

KÖRNER Eduard bei den Schultern fassend. Es ist wirklich Wahrheit? kein Trug? keine Täuschung?

EDUARD sich losmachend. Schütteln Sie mich doch nicht so.

KÖRNER. O, Herr Klein, Sie wissen nicht, was ich Ihnen zu danken habe. Ich wäre ja zu Grunde gegangen – Sie haben mir das Leben gerettet.

EDUARD. Ich bin aufrichtig genug, Ihnen einzugestehen, daß ich nicht an Sie gedacht habe, sondern nur an das Leben einer anderen.

KÖRNER. Dennoch danke ich Ihnen. O, was soll ich tun, um Ihnen meinen Dank zu beweisen?

EDUARD. Machen Sie Rosa glücklich.

KÖRNER. Es ist die höchste Freude meines Lebens.

EDUARD. Ich habe das Veilchenbouquet an mich genommen, welches Rosa gestern verschmähte – Sie wissen jetzt, weshalb sie es tat. Diese Veilchen werde ich aufbewahren und Ihnen nur dann als warnende Erinnerung wieder bringen, wenn Sie diese Stunde je vergessen sollten.

KÖRNER freudig lächelnd. Seien Sie ruhig, mein Freund, die Veilchen werden in Ihrem Besitze welken, trocknen und zu Staub werden.

EDUARD. Dann werde ich wirklich Ihr Freund sein. Reicht Körner die Hand. Still, Ihre Frau.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 172-174.
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