[40] Renner. Franz.
FRANZ.
Gott grüß Euch, edler Freund! Ihr wißt, es war
Mir stets ein Feiertag, wenn ich Euch sah.
RENNER.
Ja, unsre Freundschaft ist von gestern nicht
Und hat durch keiner Zeiten Lauf gealtert.
Gut, daß Ihr da seid! Pünktlich seid Ihr, Franz,
Und doch erwartet Euch der Kaiser schon
Mit Ungeduld.
FRANZ.
Wollt Ihr mich bei ihm melden?
RENNER.
Ich soll zuvor Geschäfte mit Euch ordnen.
FRANZ.
Wenn Karl mit mir Geschäfte hat – er konnte
Mir keinen lieberen Vermittler wählen.
Ich dank ihm diese Wahl.
RENNER.
So war es auch
Von Karl gemeint. Er wollte Euch wie mich
Verbinden. Denn nicht nur Geschäfte – nein!
Auch hohe Gunst soll hier Euch widerfahren,
Und darum grade nahm der Kaiser mich,
Das alte Erbstück vom Max'milian,[40]
Aus Worms von allen seinen Räten mit,
Weil er die Freundschaft kennt, die uns verbindet.
Denn wie er wußte, daß für mich Genuß
Es wäre, Euch die Ehren anzukünden,
So glaubt' er auch, daß Ihr noch lieber sie
Aus meiner, als aus andrer Hand empfangt.
FRANZ.
Sieh, sieh!
Ein feiner Menschenkenner, dieser Jüngling!
RENNER.
Ja wohl; und Euch vor allen gnädig! Seht, Herr Franz,
Der Kaiser hatte Euch – Ihr hattet ihn
Zu sprechen während dieses Wormser Reichstags;
Doch weil der Kaiser von der alten Fehde
Gehört, die Euch mit Worms veruneint hat,
So glaubte er, es könne Euch vielleicht
Aus manchem Grund beschwerlich sein, wenn er
In Eurer Feinde Stadt Euch hin entbieten wollte.
Und darum zog er – Euch zuliebe, Franz,
Auf ein'ge Tage her in diese Burg
Und gab Euch hier das Stelldichein. Für keinen
Kurfürsten, glaub ich, hätt' er das getan!
FRANZ.
Mich freut so zarte Rücksicht. Hab ich auch
Die Fehde lang vergessen, und die Wormser
Nicht minder, wie ich hoffe, ihren Haß,
Muß ich die Absicht dankend doch erkennen.
Doch nun zur Sache, Freund! Was wünscht der Kaiser
Von Sickingen?
RENNER.
Herr, ohne Einleitung!
Fällig ist jetzt das Anlehn, wie Ihr wißt,
Von zwanzigtausend Goldgulden, das Ihr
Dem Kaiser machtet. Doch in Kaisers Tasche
Ist gleiche Ebbe, wie in seinem Herzen
Flut ist für Euch! – Der Kaiser kann nicht zahlen.
Die Rüstung wider Franz, die Kaiserwahl –
Sie haben unsern Säckel so erschöpft,
Daß wir den einz'gen Grund mit klaren Augen sehn,
Der kaiserlichen Räten imponiert,
Den Grund, der greifbar – und doch körperlos,
Der hohl und nichtig wie ein Schatten – und
Dennoch hart fühlbar ist, wenn man auch nicht
Hinfühlt – des Säckels Grund! – Und weitre Rüstung
Und größere wird gegen König Franz[41]
Gar bald vonnöten sein. Drum bittet Euch
Der Kaiser, ihm das Darlehn zu verlängern.
In wen'gen Jahren zahlt er's Euch zurück.
FRANZ.
Mein würd'ger Freund –
RENNER.
Nein, hört zu Ende erst;
Denn wohl weiß ich, was Ihr mir sagen könnt.
Glaubt mir – ein kaiserlicher Rat ist des
Verkehrs mit widerwill'gen Gläub'gern so
Gewohnt, daß er die Gründe alle Euch
Zum voraus auswendig an seinen Fingern
Herzählen kann, die er sich hinterher
Voller Geduld von jedem Gläub'ger wieder
Immer aufs neue muß auftischen lassen.
Ich habe vierzig Jahre jetzt geborgt!
Seit ich bei Maximilian eintrat, war
Mein Sorgen – Borgen, seht, was wollt Ihr da,
Ihr unerfahrner Freund, mir Neues sagen?
Doch ohne Scherz! Der Kaiser weiß gar wohl,
Daß es Euch Opfer kostet zu willfahren
Es ist 'ne große Summe – und nie war
Das Geld so knapp und rar wie eben jetzt.
Wir liegen alle in der Fugger Händen!
Sie sind die wahren Könige der Zeit!
Es ist, als ob 'ne große Saugmaschine
Zu Augsburg aufgerichtet wäre, welche
Mit ihren Schläuchen alles Land umstrickt
Und alles fluss'ge Geld in ihre Taschen pumpte!
Ja, wenn die Fugger dazumal nicht hätten
Karls Wechsel eingelöst und Franzens seine
Zurückgeschickt mit schimpflichem Protest –
Wer weiß, auf welchem Haupt die Kaiserkrone
Heut säße! – Glaubt, niemals vergißt Euch Karl,
Wie Ihr damals, die Fugger seinem Willen
Geneigt zu machen, selber Euch verbürgt
FRANZ.
Sprecht nicht davon –
RENNER.
Nein! Laßt mich davon sprechen
Doch eben darum, weil man stets von Euch
Großes gewohnt ist, bleibt nicht hinter Euch
Diesmal zurück und weigert nicht das Anlehn.
Doppelte Sicherheit will Karl Euch geben,
Er will auf Land und Leute Euch die Summe
Förmlich verbriefen und zu solchem Satz,[42]
Das Ihr gar hohen Vorteil haben sollt,
Wenn bei Verfall er nicht die Summe zahlt.
Doch wollt Ihr's lieber, nun, so bietet Euch
Margreth von Parma ihren Schmuck zum Pfand,
Daß pünktlich –
FRANZ.
Herr, ich bitt Euch, haltet ein!
Mir bietet Ihr den Schmuck der hohen Frau?
Ich soll das Diadem der Kaisersbase
Als Pfand in meine Kisten tun? – Wie lange,
Hans Renner, haben wir uns nicht gesehn,
Und welch Gerücht hat des Franziskus Namen
So arg bei Euch verleumdet, daß Ihr mir
Solch Anerbieten macht? – Nein, Herr, Ihr hattet
Mich mißverstanden, als Ihr unterbracht
Beim ersten Wort stand schon mein Wille fest
Nur die Gewohnheit Eures langen Amts
Hat Euch mit irriger Voraussetzung
Getäuscht! – So sagt denn Eurem Karl von mir:
Wenn er mit gier'gen Krämern, Juden und
Mit unsres Reiches – Fürsten handelt, dann
Mag er an jene Schmuck, an diese Länderein
Verpfänden – doch verhüte Gott, daß auch
Der deutsche Ritter so verkennen sollte
Die Pflicht zu seinem Herrn und Kaiser
Und so gering sich selber achtete,
Von seinem kaiserlichen Herrn, der sich
Wider des Reiches Feinde rüsten will,
Ein Unterpfand zu heischen oder nehmen
Und ihn um seine Länder zu betrügen.
Bewilligt ist das Anlehn, und noch mehr,
Wenn Ihr's bedürft und ich's vermag. – Setzt selbst
Den Zahltermin; doch nichts von Schmuck und Landschaft,
Mir vollgenügt ein kaiserliches Wort!
RENNER für sich.
Seltsamer Gläub'ger das! Mein Seel, ich treffe
Nach vierzigjähr'ger Praxis heut zuerst
Auf einen nimmer dagewesnen Fall!
Zu Franz.
Ihr seid, wie stets, die Blume und der Spiegel
Der Ritterschaft! Ja, grad heraus gesagt,
Beschämt bin ich, daß ich nach der Routine
Grundsätzen hab mit Euch verfahren wollen.[43]
Im ausgetretnen Gleise der Erfahrung
Vergißt man beinah, daß noch etwas lebt,
Das auf des Lebens breiter Heerstraße
Sich nicht erfährt! Daher der Weisen Torheit
Und knabenhafte Täuschungen im Hirn
Des vor Gescheitheit dumm gewordnen Greisen! –
– Ich hatte andres noch mit Euch zu ordnen,
Doch vorher drängt's mich jetzo auszuschütten
Das Füllhorn kaiserlicher Gunst, Franziskus,
Auf Euer Haupt! Vernehmt! Gefertigt liegt,
Bedruckt mit Kaisers großem Insiegel
Schon das Diplom, das Euch und Eu'r Geschlecht
Auf ew'ge Zeiten in den Stand der Grafen
Des deutschen Reichs erhebt.
Zurücktretend und sich verneigend.
Reichsgraf von Sickingen!
Der erste grüß ich Euch mit diesem Titel,
Und nur die erste Staffel ist's, befahl
Der Kaiser Euch zu künden, welche Ihr
Erklimmet auf der Leiter seiner Gunst.
FRANZ lächelnd.
Dann steig ich, teurer Freund, gewiß nicht hoch,
Denn schon die erste Staffel, wie Ihr's nennt,
Sie bleibt mir unersteiglich.
RENNER.
Wie? Was sagt Ihr?
Ich faß Euch nicht.
FRANZ.
Und ist doch leicht zu fassen!
Ich muß die Gunst –
RENNER ängstlich.
Was, Franz! Ihr werdet doch nicht?
FRANZ.
Ablehnen, Freund.
Renner tritt erstaunt zurück.
Ich bin ein simpler Ritter,
Ich bin der Franz – und seht – der will ich bleiben!
RENNER sehr erregt.
Ich bitt Euch, scherzet Ihr? Warum – weshalb
Wollt Ihr so hohe Gunst schimpflich verschmähn?!
FRANZ mit Ernst und Bedeutung.
Ich sagt's Euch schon, und wenn Ihr's wohl erwägt,
Lag hoher Ernst in kurzer Rede! – Freund,
Ich habe selbst den Titel mir gezimmert!
Mein Titel ist mein Name, lieber Herr!
Das ganze Reich nennt mich nur den Franziskus.[44]
Gemeinschaftlich ist vielen dieser Name,
Und doch ist stets der eine nur gemeint.
Mit einem leisen Anflug von Ironie.
Schwer lernt der Mensch! Wozu denn sein Gedächtnis,
Das widerwillige, mit neuen Titeln
Abmühen, die ihm niemals doch so gut
Ins Ohr tönen wie der gewohnte Klang.
Sagt Eurem Karl, ich wolle Männer nicht
Umwandeln zu Schulbuben und sie zwingen
Zu neuem Lernen.
RENNER.
Nein, bei Gott! Ihr dürft
Diesmal nicht Eurem trotz'gen Stolze folgen.
Bedenkt sein stolz Gemüt! Solche Verletzung!
Zurückzuweisen – Nein, besinnt Euch recht!
Ihr dürft nicht, sag ich Euch – nehmt es zurück.
FRANZ mit Größe.
Gleich unerschütterlich wie dieser Erde
Gewalt'ger Bau, steht des Franziskus Wort!
Milder.
Mein Freund, seht mich nicht also bittend an!
Es ist nicht Stolz bloß, der mich sprechen läßt.
Wozu Euch alle Gründe sagen? Seht –
Wenn meine Banner wehn, so folgen viele
Von dieses Reiches Grafen ihnen nach,
Und auch nicht einer mehr, weil ich gegraft,
Doch viele weniger von der Ritterschaft.
Und auch noch anderwärts tät es mir Abbruch:
Zu jenen Titelsücht'gen würde man
Mich werfen, welche eigne Hoheit suchen
Ohne Nutz und Vorteil des gemeinen Wesens.
Nein, niemals nehm ich andre Größe an
Als solche, welche mir zugleich die Größe
Des Wirkens mehrt für dieses Reiches Wohl.
RENNER.
Ich kenne Euch – des Nordpols Eisgebirge
Zerschmölz' ich leichter mit des Mundes Hauch
Als Euren Willen! – Doch was sage ich
Als Grund dem Kaiser für die Weigerung?
FRANZ.
Sagt ihm, ich hätt' es ausgeschlagen – würde,
Falls er's begehrt, ihm selber Rede stehn.
RENNER.
Sei's drum, seltsamer Mann! Doch wenigstens
Erzeigt dem Willen Karls Euch fügsamer
Beim letzten Punkt. – Ernannt hat Euch der Kaiser
Zu seinem Feldhauptmann und Kämmerer[45]
Und kaiserlichem Rate. Eine Leibwach'
Von zwanzig Kürassieren sollt Ihr Euch
Auf seine Kosten halten. Anderm Manne
Würde man das als hohe Gunst verkünden.
Jedoch mit Euch, der, wo er geben soll,
Weich ist wie Wachs, und wo empfangen, spröde
Wie Diamant, ist's klüger, nicht zu listen!
Drum sag ich's, Franz, Euch gradezu heraus:
Ihr seid's, der Karl verpflichtet, wenn Ihr annehmt.
Gar sehr bedarf der Kaiser Eurer, rechnet
Dringend auf Euren Feldherrnarm und Anhang.
Drum nehmet an, denn wenn Ihr nehmt, so gebt Ihr!
FRANZ.
Es ist das Amt was andres als der Rang.
Denn Amt heißt Pflicht, stammt nicht so wie der Rang
Aus Eigenem, geht nicht aufs Eigene.
Die Krone selber, die Karolus trägt,
Sie ist ein Amt! Vom Fürsten-, Kaiseramte
Sprechen die Völker, wenn sie der Bestimmung,
Der mächtigen, der Völkerhirten denken;
Uneingedenk derselben sprechen jene
Vom Fürstenrange, wenn ins eitle Selbst
Sie sich versenken, kindisch auf sich blähn,
Vergessend ihres Daseins Zweck und Wurzel.
Des Kaisers Feldhauptmann, wenn wider seine
Und Reiches Feinde er mich wenden will –
Das nehm ich an!
Doch leih ich mich damit nicht jedem Dienst,
Zuvörderst nehm ich aus die Freunde und
Die Bundsgenossen, denen ich gesippt –
RENNER.
Macht Eurer Klauseln doch, so viel Ihr wollt!
Genug, daß zu der Sache selber Ihr
Bereit seid! – Aber, Franz, jetzt bitt ich Euch –
Ich geh jetzt zu dem Kaiser, Euch zu melden –
Gebt eine Bitte mir mit auf den Weg!
Erfüllt habt Ihr, was man von Euch gefordert,
Was man Euch geben wollte, ausgeschlagen.
Glaubt mir, das trägt er nicht! Das drückt 'nen Stachel
Ihm in die stolze Kaiserseele. – Fast
Sieht's aus wie Rollentausch! Ich bitt Euch, Franz,
Und sei's auch mir zuliebe nur, um mir
Zu mindern des Berichtes Mißlichkeit –
Erbittet was![46]
FRANZ.
Wohl denn! Der Kaiser zürnt
Dem Kurfürst von der Pfalz, und irr ich nicht,
So könnte sich ein schweres Ungewitter
Über des Pfalzgrafs Haupt gar bald entladen.
Er ist mein Lehnsherr und von Alters her
Mir hold und wohlgesonnen wie ich ihm.
So sagt dem Kaiser denn, wenn Gnade er
Erzeigen wolle dem Franziskus, mög' Er
Den Zorn, gleichviel ob wohl ob schlecht berechtigt,
Durch der Vergebung sanfte Hand erwürgen.
RENNER.
Ihr spielt mit Worten, Freund. Gern melde ich's
Dem Kaiser – doch das heißt nicht bitten, wie
Ich's meinte. Statt für Euch was zu verlangen,
Mittelt Ihr jetzt für andre, gleichsam um
Zu zeigen, daß Ihr selber unbedürftig
Dasteht und viel zu hoch, als daß Karls Gnade
Aufklimmen könnte zu des Thrones Stufen
Der göttergleichen Selbstgenugsamkeit,
Auf dem Ihr sitzt! – Franz, Franz! Verwundet nicht
Den Kaiser! Würdet Ihr an Kaisers Stelle
Mit unverletzter Seele tragen können,
Den Untertan zu brauchen, der Euch selbst
Nicht braucht?
FRANZ.
Laßt das, mein Freund! Ihr könnt auch irren.
Vielleicht hab ich vom Kaiser selbst so viel –
So viel zu bitten, daß nur Klugheit mich
Abhält zu schwächen des Kredits Gewicht,
Weil vielleicht selbst das unverkürzte Pfund
Seiner Gnad' und Huld mit einem Mal
Geworfen in die Waagschale noch nicht
Auf wiegt der Bitte Schwere, die ich stellen will! –
Ich stand bisher Euch Rede, Freund! Laßt mich,
Die Rollen wechselnd, eine Frag' Euch stellen.
Was Karl mit dem Franziskus will – das weiß ich jetzt,
Was ich mit ihm will – davon habt Ihr noch
Kein Wort gekündet. Sagt, wie nahm er auf
Den Inhalt meiner Briefe? Und wie steht's
Mit dieses Reichstages großer Sache?
RENNER.
Luther meint Ihr?
Es kann noch viele Wochen dauern, eh'
Dies Schisma zur Verhandlung kommen wird.
Bis dahin wird kein Mensch vom Kaiser können[47]
Erfahren, was er in der Seele hegt.
Bald scheint es so, bald so, und stets nur scheint es!
Verschlossen ist das Grab nicht so wie seine Brust,
Und eher wird Natur Euch ihren innersten
Gedanken lesbar aufschließen, als er
Die Tat vor ihrem Tun erraten läßt!
Doch jetzt vergönnt, daß ich Euch melde. – Sieh,
Wer naht sich da? – Ei seht, die Kurfürsten
Von Pfalz, von Trier und Philipp von Hessen.
Die drei genannten Fürsten treten auf.
Ausgewählte Ausgaben von
Franz von Sickingen
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