Fünfter Auftritt

[51] Renner aus dem kaiserlichen Kabinett zurückkehrend. Die Vorigen.


RENNER.

Hochgnäd'ge Fürsten! Wollt entschuldigen,

Des Kaisers Majestät vermag Euch nicht

Zu sprechen, weil sie herbeschied den Ritter

Von seiner Burg. In Worms hofft übermorgen

Der Kaiser Euer Anliegen zu hören.

Bald naht er selbst.


Nach diesen Worten, bei deren Beginn Ludwig von seiner Unterhaltung mit Franz zu den andern Fürsten zurückgekehrt ist, geht Renner auf die entgegengesetzte Seite der Bühne auf Franz zu.


RICHARD zu den beiden Fürsten, welche bei dem Bescheide Renners sichtlich befremdet zurücktreten, mit einer höhnisch-triumphierenden Miene.

Sagt, merkt Ihr was?


Er spricht leise. Die Gruppierung ist jetzt diese, daß auf der einen Seite der Bühne Franz mit Renner, auf der entgegengesetzten die drei Fürsten stehen.


RENNER zu Franz.

Franziskus! Gnädiger noch, als ich geglaubt, hat Karl

Vernommen unsres Zwiegesprächs Bericht.


Spricht leise zu Franz.


PHILIPP.

Gewiß, 's ist unerhört! Drei Fürsten Deutschlands,

Zwei Kurfürsten, um einen bloßen Ritter

So abzuweisen!

LUDWIG.

Sonderbar ist es –

Ich leugn' es nicht.

RICHARD.

Ich bitt Euch! 's ist nur Anfang!

Der Ritter, sag ich Euch, frägt uns noch alle

Dereinst, wie teuer unsre Kurhüt' sind!

LUDWIG.

Ihr haßt ihn, weil er römisch nicht gesinnt,

Weil er den Luther stützt.

RICHARD auf Philipp deutend.

Der Fürst hier ist

Ein Freund von Luther – doch darum nicht blind![51]

Auch Ihr seid's, Kurfürstlich Gnaden, nicht,

Wenn Ihr auch Eure Augen absichtlich

Zu schließen liebt. Erinnert Ihr Euch nicht,

Wie Karl zu Aachen bei der Kaiserkrönung

Zu seiner Rechten vor den Fürsten allen

Den Ritter sitzen ließ?


Sie sprechen leise.


RENNER zu Franz.

Gar sehr gnädig

Nahm er die Bitte für den Kurfürst auf,

Und Euch zuliebe hat er's zugesagt.

Soll ich dem Pfalzgraf nicht zu wissen tun,

Was er Euch dankt?

FRANZ.

Nein! Tut das nicht. Es würde

Sein Selbstgefühl verletzen. Gern erspar ich's ihm.

Schon kann die Abweisung ihn kränken, und –


Mit einem Blick auf die Fürstengruppe.


Ich sehe ohnehin, wie röm'scher Stachel

In kleiner Kränkung Wunde emsig wühlt.

RICHARD zu Ludwig.

Sagt, was Ihr wollt! Wenn Euer Lehnsherr dort

– Verzeiht, ich wollte Lehnsmann sagen. Seht,

Worte verwechseln sich gar leicht, fast ganz

So leicht wie Rollen, und wer weiß, was noch

Die Zukunft bringt! – wenn also, wollt' ich sagen,

Eu'r jetz'ger Lehnsmann Euch auch noch so gnädig

Vorhin empfing, so bin ich doch noch nicht

So angesteckt vom Zauber seiner Huld,

Um als Beleid'gung es nicht zu empfinden,

Wenn man mich ins Gesicht schlägt seinethalb.

LUDWIG nachdenklich.

Halb habt Ihr recht in manchem, was Ihr sagt.

RICHARD.

Ich denk Euch auch die andre Hälfte noch

Gar klärlich darzutun. Doch jetzo kommt.

Schlecht stünde es uns an, hier abzuwarten,

Bis Karl mit seinen hohen Augenbrauen

Uns aus dem Saal fortblickt. Kommt, edle Herrn,

Und manches künd ich Euch, wovon Ihr selbst

Urteilen mögt, ob es Zusammenhang

Mit meinen Reden hat und dem was wir erlebt.


Indem sie abgehen, öffnet sich das Kabinett, und der Kaiser tritt herein. Beim Erscheinen des Kaisers geht Renner langsam ab. Franz verbeugt sich tief und bleibt in dieser Stellung.


Quelle:
Ferdinand Lassalle: Franz von Sickingen. Stuttgart 1974, S. 51-52.
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Franz von Sickingen
Franz von Sickingen; a tragedy in five acts (1910)
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