[195] Lorenz. Die Vorigen.
RANZAU. Still! Struensees Prediger!
KÖLLER. Zum Henker!
GULDBERG. Was horcht Ihr? Was wollt Ihr? Was habt Ihr gehört?[195]
LORENZ. Graf Struensee sendet mich –
GULDBERG. Zu wem? Was habt Ihr gehört?
LORENZ. Verzeiht, Herr, wenn ich Euch störe. Gehört hab' ich nichts, ich suche die Gräfin Gallen.
GULDBERG. Aha. Er will kapitulieren.
LORENZ. O spottet nicht, Ihr Herren von Macht und Rang! Gott schickt seine Prüfungen und Strafen auch in diejenigen Häuser, vor denen Zuversicht und weltliche Herrlichkeit Wache steht. Mein armer Friedrich ist ein trauriges Beispiel dafür. Noch heute morgen war er voll Zuversicht, und jetzt am frühen Abende schon ist Entsagung allein sein Trost –
GULDBERG. Will er entsagen? Will seine Stelle niederlegen?
LORENZ. Das weiß ich nicht, Herr!
RANZAU. Das soll er tun, das rettet ihn!
LORENZ. Das alles weiß ich nicht: ich weiß nur, daß sein frischer Sinn gedämpft, sein Vertrauen gebrochen ist. Sonst spottete er über die Erbsünde der Welt, jetzt widerspricht er nicht mehr, wenn ich sie nenne. Ach, armer Friedrich, und du weißt noch nicht, wie Schmerzliches deiner harrt aus meinem Munde!
GULDBERG. Und was, Prediger?
RANZAU. Was?
LORENZ. Überbildung trieb meinen armen Vetter früh zum Unglauben. Leute, welchen der große Gott ungewöhnliche Denkfähigkeiten im Geiste belegt, sehen den Wald vor Bäumen, Gott vor den Taten Gottes nicht. Sie werden ungläubig wie die Kinder, d.h. sie werden abergläubisch. Also Struensee. An seine Mutter, an das Leben derselben knüpfte er wie ein Heide sein Geschick, und vermaß sich oft: solange die Mutter ihm lebe, sei das Glück an ihn gebannt. Frevelhaftes Gedankenspiel! Seine Mutter, meine teure Schwester –
GULDBERG. Ist tot –?
LORENZ. Ist heute vor neun Tagen plötzlich vom Schlage gerührt worden – es ihm tröstlich mitzuteilen, kam ich nach Kopenhagen.
GULDBERG. Und er weiß es noch nicht?
LORENZ. Noch nicht –
Pause.
GULDBERG nimmt ihn bei der Hand. Verschont ihn noch mit der Nachricht, bis wir Euch sagen, daß er sie vertragen kann![196]
LORENZ. Ihr?
GULDBERG. Und was sollt Ihr bei der Gräfin Gallen?
LORENZ. Ich soll sie um eine Unterredung beschwören vor Beginn des Maskenballs –
GULDBERG. Ganz recht. Und ich werd' Eure Bitte bevorworten; wir erwarten die Gräfin hier; tretet hier in das Vorzimmer des Königs, ich werd' Euch rufen, wenn sie kommt.
LORENZ. Gott behüte Euch vor Spott!
GULDBERG. Das möge er – tretet dort weiter hinüber ans dritte Fenster, würdiger Mann! Lorenz ist eingetreten, Guldberg zurück.
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