[197] Guldberg. Ranzau. Köller.
Leise.
RANZAU. Was habt Ihr vor mit ihm?
GULDBERG. Er soll die Gräfin Gallen sprechen, und diese soll Struensee die Unterredung bewilligen –
RANZAU. Das glaubt Ihr wagen zu können?
GULDBERG. Gewiß. Mit Hilfe der Gräfin allein ist er zu fangen. Hier auf dieser Stelle sei die Unterredung. Durch die Tür dort, welche zum König führt, dringt jedes Wort, das er spricht. Und daß er Herz und Geist immer auf der Zunge trägt, wissen wir alle. Daß er der Gräfin gegenüber, die er versöhnen will, all seine besten Gedanken in Bewegung setzt und sein Herz ausschüttet, das ist vorauszusehn – wird da nicht auch zum Vorschein kommen, was wir brauchen?
RANZAU. Und Ihr hofft, der König werde in seinem Vorzimmer zuhören?
GULDBERG. Der König horcht nicht, das ist seiner unwürdig. Aber kann er nicht, ohne zu horchen, das Nötige erfahren? Das Bild seines Vorfahren Christian II. hängt in jenem Zimmer, hier dicht an der Tür, und fast täglich bleibt er vor diesem Bilde stehn – die geringste passende Bemerkung wird ihn heute dazu veranlassen. Und sein Geist wacht immer auf, wenn Struensee spricht. Mißlänge aber dies alles, werd' ich nicht hören? Glaubt Ihr, ich sei töricht anständig wie ein Deutscher, wenn es sich um Wohl und Wehe meiner selbst, meines Königs, meines Vaterlandes handelt? O nein.[197] Und was ich höre, erfährt der König, und was er erfährt, das bekräftige ich jetzt, da sich's um die Entscheidung handelt, mit meinem Eidschwure, und meinem Eidschwure glaubt der König, ich hab' ihn nie belogen. Er geht nach der Tür zur Königin. Die Gräfin kommt!
RANZAU. Ich gehe; dies sind nicht meine Wege.
KÖLLER. Aber Vetter!
GULDBERG. In Liebe und Freundschaft wolltet Ihr den Despoten stürzen!
RANZAU. In ehrlichem ritterlichem Kampfe soll er besiegt und gebessert werden. Ab.
KÖLLER. Ihr verlaßt uns, Vetter?
GULDBERG. Er verrät uns allenfalls!
KÖLLER. Nimmermehr! Das tut kein Ranzau, und den Sturz Struensees wünscht er wie Ihr und ich –
GULDBERG. Die Entlassung Struensees wünscht er, sonst nichts! Habt Ihr's vorhin nicht vernommen? Will man nicht mehr, so begnügt man sich wohl auch mit einer kleinen Beschränkung in Struensees Machtvollkommenheit – ist dies unser Endziel, Obrist Köller?
KÖLLER. Nein.
GULDBERG laut. Dreimal nein. Verschwinden soll Nach des Königs Zimmer sehend und die Stimme senkend. Struensee aus diesem Königshause für immerdar, verschwinden soll er für immerdar aus dem Reiche Dänemark, verschwinden soll er aus der Welt! Dies ist mein Ziel, danach tracht' ich seit Jahren, dafür bin ich zu Euch getreten, dafür wag' ich meinen Kopf!
KÖLLER. Ich auch.
GULDBERG sich umsehend. Die Gräfin sieht uns zu und harrt! Eilt dem Grafen Ranzau nach, und verhindert ihn, mit der Königin zu sprechen. Darin läge Gefahr für uns. Noch besser: sucht rasch eine Kunde an die Königin zu bringen – aber wie geschieht das am besten? Durch einen Pagen? –
KÖLLER. Durch eine holstein'sche Dame, die das Maskenkleid der Königin besorgt –
GULDBERG. Die ist Euch zu Willen –?
KÖLLER. Sogleich!
GULDBERG. Vortrefflich – und sie wird jetzt zur Königin eintreten, denn es ist Zeit für den Putz – also! Aber unter welchem Vorwande die Königin hierher bringen? Denn alles gewinnt an[198] Leben, wenn sie zwischen Struensee und die Gräfin tritt, und Struensee wird dann zu den unzweideutigsten Äußerungen getrieben! Unter welchem Vorwande? Das Wahrste ist das Nächste, und das Nächste ist das Wirksamste – laßt der Königin die Wahrheit sagen!
KÖLLER. Wie?
GULDBERG. Die blanke Wahrheit! Struensee und die Gräfin hätten hier im Marmorsaale eine leidenschaftliche Unterredung, und Guldberg behorche sie in des Königs Zimmer, und der König sei neben Guldberg! Dann eilt sie herbei, um zu hindern, daß Struensee Verfängliches rede. So sei's! Und eilt!
KÖLLER. Und Ihr wagt es, Euch solche Blöße vor der Königin zu geben?
GULDBERG. Guter Freund, Struensee stürzt nur durch die Königin und nur mit der Königin – sie also mag mich kennen und hassen. Siegen wir nicht, so sind wir doch verloren, und siegen wir, so ist sie unmächtig. Also vorwärts!
KÖLLER. Ihr versteht Euch besser darauf, und ich folge Euch. Ab.
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