Man hat eine Welt bekandte Regul / die heisset also: Was du nicht wilt / daß dir geschehe / das solt du einem andern auch nicht thun: Und was du wilt / daß dir geschehe / das solt du einem andern auch thun. An statt Erklärung dieser Worte kan uns seyn / was Chrysostomus setzet Homilia 13. ad populum, wann er unter andern saget: Es bedarff nicht vieler Worte /noch weitläufftiger Gesetze / auch nicht unterschiedener Lehre. Dein Wille sey dein Gesetze. Wilt du Wohlthaten empfangen? Beweise dieselben einem andern. Wilt du Barmhertzigkeit erhalten? Erbarme dich deines Nechsten. Wilt du gerühmet seyn? Rühme andere / etc. und / was du hassest / das thue andern nicht; Wilt du nicht gelästert seyn / mißgönne einem andern nicht: Wilt du nicht betrogen seyn / betrüge andere nicht / etc. Es ist aber mit dieser Regul und derer Meynung also beschaffen / daß sie gegründet ist nicht allein in der Natur selbsten / sondern auch auff gesetzet sich findet in der Heiligen Schrifft Alt. und N. Testaments. Der alte Tobias in seiner an den jungen Sohn gerichteten väterlichen Vermahnung / Cap. 4. Tobiä / drucket ihm auch selbige ein / vers. 16. Was du wilt / daß man dir thue / das thue einem andern. Oder wie es der Lateinische gegeben: Was du hassest / das thue einem andern nicht. Der himmlische Lehrer Christus hat ihrer auch gedacht in seiner geistvollen Berg-Predigt, Matth. 7. v. 12. und setzet hinbey: Das ist das Gesetz und die Propheten. Der H. Kirchen-Lehrer Augustinus, nachdem diese gesetzte Schrifft-örter angezogen / lib. 3. de Doctrina Christi, cap. 14. saget: Diese Regul / wann sie wol in acht genommen würde / so würden auffhören alle Verbrechen / so wol gegen die erste / als die andere Tafel des Gesetzes. Und weiter sagt er: Niemand will / daß ihm seine Wohnung verdorben werde / derowegen soll er auch nicht verderben die Wohnung Gottes / das ist /sich selbst. Und niemand will / daß ihm von andern Schaden geschehe / darum soll er andern solchen auch nicht zufügen. Ob nun gleich ein jederman / ohne Unterscheid Stundes und Alters / mit einem gedoppelten Bande des natürl. und Göttlichen Gesetzes verbunden ist / dieser obgesetzten Regel nachzuleben; dennoch so belehret die tägliche Erfahrung / daß von vielen auff unterschiedene Weise selbige zerrissen und gebrochen werde / wie von andern / also auch von einigen Buchhändelern und Druckern / und zwar von denselbigen / welche, anderer ihre / ihnen von GOtt und rechtswegen / zugehörige Bücher Verlage / hinter der rechtmäßigen Verleger Rücken / aus lauterem Eigengesuch und durchtriebenen Geitz aufs neue auflegen /nachdrucken / und anderwerts verhandeln. Was thun dieselbigen anders, denn daß sie diese allgemeine Regul mit Füssen treten? Denn hätten sie die in gebührenden Ehren / so würden sie nimmermehr ein solches beginnen / und solche Nachdrücke befördern; sintemahl ihr eigen Gewissen es ihnen sagt, daß es ein solch Werck ist / das sie ungern sehen solten, wann es ihnen begegnete / darum solches andern abzuschneiden, die solche nachgedruckte Bücher suchen mit Privilegien und Freyheiten zu versehen / zum Beweiß /daß sie es übel würden nehmen / wann andere mit gleicher Müntze sie solten bezahlen / und ihnen gleich mit gleichem würden vergelten. Handeln also diese Art Leute wider das von GOtt und der Natur uns vorgelegte Gesetze: Sie handeln wider ihr eigenes Gewissen / beflecken ihren guten Fam und Nahmen / setzen sich selbst in die Zahl der Brodt und Nahrung- Diebe / laden auff sich und die Ihrigen den Fluch / und die gerechte Straffe GOttes / die ihnen auff dem Fuß folget, so nicht zeitlich / doch geistlich / mit Beunruhigung des Hertzens / welche in der Ubertretung Beharrligkeit die ewige nach sich zeucht. Diß Urtheil ist nicht meines sondern anderer gewissenhaffter und hochgelehrter vielerfahrner Männer einstimmige Meynung und Gutachten. Der so genannte / und die Welt in allen Ständen straffende Sittewald im 1. Theil der Satyrischen Gesichter im 6. von den Höllen-Kindern führet ein einen in der Höllen sitzenden Buchdrucker /so redende: Ich bin ein Buchdrucker / und im Drucken so vortheilhafftig gewesen / daß ich mir nicht genügen lassen mit denjenigen Schrifften und Büchern / die man mir in das Hauß gebracht: Sondern ich hab auch um Genieß und Vortheils willen andere Bücher zu Schaden und Nachtheil ihrer Verleger nachgedruckt /und so bald ich gesehen / daß irgend ein Werck oder Buch wohl abgangen / dasselbe entweder in ein ander Format, oder mit anderer Schrifft auffgelegt / damit ich also den Gewinn zu mir ziehen mögen / und damit hab ich nicht gesehen / ob Gott oder der Christenheit damit gedienet werde / sondern einig und allein wie ich meinen Reichthum damit mehren möchte. O helfft mir, ich erwürge. Was Teuffels hast du im Hauß sprach ich: Einen Nachdruck-Teuffel / einen Buch Teuffel / ein feuriges Buch / das ich unlängst einem ehrlichen Mann zum Verdruß und zu Schaden nachgedruckt / deßwegen die Christliche Liebe aus der Acht gelassen / und um Gewinns willen des Teuffels worden. Daß dirs denn der Teufel gesegne / sprach ich / warum hast du dich nicht an dem genügen lassen / das dein ist / hast du nicht GOttes Gebot vor dir gehabt / du solt nicht stehlen? O weh! O weh! schrie er /nicht sagt mir vom stehlen / fast komm ich gar von Sinnen / ich weiß es zuvor wohl / etc. Da urtheilet dieser sinnreiche Mann / daß solches hinterrückige Nachdrucken zuwider lauffe der Liebe des Nechsten in gemein / absonderlich aber sey es zu halten für eine Ubertretung des siebenden Gebotes. Damit aber jemand nicht vermeyne / es sey diß allein dieses Mannes sein Gefühl / auf welchen nicht groß zu sehen /weil er alles wollen tadeln und durch die Hechel ziehen / als will ich auch kürtzlich beyfügen gleiche Urtheile gewissenhaffter Theologen. D. Mengering sel. gewesener Pastor und Superintendens zu Hall. in Sachsen / stellet in seinem Scrutino Conscientiæ Catechetico, Cap. II. p. 988. die 156. Gewissens-Frage an alle Buchhändler und Buchdrucker: Ob sie Bücher / Schrifft und Materien / so andere ihres gleichen mit grosser Unkost verleget / und von den Autorn wol an sich gebracht / mit dem schändlichen und diebssüchtigen Nachdruck / hinter der Autory und Verleger Wissen und Willen / an sich und ihren Willen ziehen und rauben wollen? Da hält ers ingleichen für einen Diebstahl und bewähret seine Meynung mit zweyen Zeugnissen: Einmal des Herrn D. Mart. Lutheti, der in seiner Warnung über den Wittenbergischen Bibeldruck also spricht: Der verfluchte Geitz hat unter andern Ubeln so er treibet / sich auch an unsere Arbeit gemacht / darinn seine Boßheit und Schaden zuüben. Dann nach dem uns allhie zu Wittenberg der barmhertzige GOtt seine unaussprechliche Gnade gegeben hat / daß wir sein heil. Wort / und die heil. Bibel hell und lauter in die Teutsche Sprache bracht haben / etc. So fähret der Geitz zu / und thut unserm Buchdrucker diese Schalckheit / daß es andre bald hernach drucken / und also der unseren Arbeit und Unkost berauben zu ihrem Gewinn. Welches eine rechte öffenliche grosse Rauberey ist / die GOtt wol straffen wird / und keinem Christlichen ehrlichen Menschen wol anstehet. Hernach führet er an die Worte des Hn. L. Joh. Gerhardi, der in der Vorrede Disput. Th. part. I. davon redet / das zu Teutsch so kan gegeben werden: Es ist mir vorgekommen / daß etzliche Buchhändler Vorhabens seyn meine Tomos in fol. aufs neue aufzulegen. Ob sie nun gleich die Beförderung des gemeinen Nutzens vorwenden / so ist es ihnen doch nur um die Privat-Genieß zu thun, etc. Vermahne demnach gantz ernstlich alle Buchhändler und Drucker / daß sie abstehen von diesem Vorhaben / als welches zumalen der Christl. Liebe zuwider läufft. Diesem geben Beyfall alle verständige und gewissenhafftige Leute / und dieweil dem also / so möchte man wohl wünschen /daß alle rechtschaffene Buchhändler und Buchdrucker dahin sich vereinbahreten / daß sie unter Ihnen keinen wolten dulten / der mit gleichem ungebührlichen Nachdrucken sich behülffe / damit im widriggen Falles nicht das Ansehen gewinne, als wären die Buchhändler und Buddrucker solche Leute, bey denen man auch ungescheut dürffte natur- und Göttliche Gesetze übertreten. Ich habe diß insonderheit zu reiffem Bedencken wollen vorlegen denen / die mir meine Acerram Philologicam wider mein Wissen und Willen nachgedrucket haben / ob sie vielleicht zu dem Erkäntniß ihres Verbrechens dadurch möchten gebracht werden. Ich bin gewiß / daß ihr eigen Gewissen es ihnen sagt / daß sie unrecht daran gehandelt haben /und zumal der erstgesetzten Regul entgegen gewandelt. Mein sel. Schwätzer-Vater hat solches Büchlein dem Autori selbsten abgehandelt, Ihm vor einen jeden Bogen gebührlichen Abtrag gethan. Nach dessen Absterben ist solches durch rechtmäßige Abtheilung an mich gefallen, habe auch von der Zeit an, allezeit dahin gesehen, daß an Exemplarien kein Mangel möchte erfunden werden / daß also niemand mit gutem Gewissen mir darein einigen Eintrag thun können. Der Seegen, welchen solche unrechtfertige Nachdrucker mit den Ihrigen davon haben werden, wird nicht groß seyn, noch Wurtzel setzen. Ich werde mir inzwischen mein von GOtt und Rechts-wegen mir zustehendes Büchlein nicht aus den Händen winden lassen, sondern vor wie nach besten Vermögen, auch mit dem Zusatz und Vermehrung der hinter mir nachgedruckten Historien, herausgegeben, wie bey dieser nunmerho auf 700. bereichten Edition zu ersehen ist.
Lebe der gäntzlichen Zuversicht, daß aller ehrliebende Hertzen mir darinn werden recht geben / und der heimtückischen Nachdrucker Beginnen ihnen mißfallen lassen. Der vielgünstige Leser gebrauche diß Wercklein zu seinem Nutzen und zur Gemüthsbehäglichen Erquickung. Lebe hie glücklich, dort ewig seelig. Geschrieben Alten Stettin, den 15. Sept. S.V. 1687.
Johann Adam Plener.
Mit sonderlicher Lust lieset man / daß zu Gröningen in Frießland ein Mann gewohnet Namens Johannes Canter, der einen Sohn gezeugt / welcher ein solch erwünschtes Ingenium gehabt, daß er leichtlich hat was fassen, verstehen und zu seinem Nutzen anwenden können. Wie nun der Vater ein solches Ingenium bey dem Sohne vermercket, hat er / wiewohl er nicht sonderliches Vermögens gewesen / ihn dennoch nach aller Möglichkeit zur Schulen gehalten / und fleißigen Præceptoren anbefohlen. Es hat aber gedachter Knabe sich dermassen fleißig verhalten, daß er noch vor dem zehenden Jahre seines Alters nicht allein die Heil. Schrifft öffentlich profitieret, sondern auch im Jure wohl erfahren gewesen, daß er würdig geachtet / J.U.D. zu werden. Es hat auch solche Erudition demselben Knaben einen solchen berühmten Nahmen gemacht, daß das Gerücht von ihm vor Käyser Friedrichen den Dritten gelanget, welcher auch alsobald eine hertzliche Begierde bekommen denselben zu sehen. Derowegen er nicht allein seine Gesandten an ihn abgefertiget, sondern auch einen Brieff an ihn geschrieben / und auf das freundlichste zu ihm zu kommen ersuchet. Weil dann solcher Brieff wohl werth, daß er von allen Studenten gelesen werde, hat man vor gut angesehen, denselben hieher zu setzen, massen er dann auf Teutsch also lautet: Friedrich, der Dritte, Römischer Käyser, etc. wünschet Glück und Heil dem höchst zu verwunderendem und vortrefflichem Knaben, Andreä Cantern, Johannis Canters zu Gröningen lieben Sohne.
Es ist zu unserer Käyserlichen Majest. Ohren gelanget das herrliche und grosse Gerüchte von dir und der von Zeiten her unerhörte Ruhm deines herrlichen Lobes, wie nemlich Du / O fürtreffliches allerliebstes Kind, noch vor dem zartesten zehenden Jahre deines Alters fast aller und jeder liberalischen Künste Erfahrenheit erlanget und überkommen, ja auch zu der Wissenschafft unserer Käyserlichen Gesetze / und der heiligen Canonen gelangt, und (welches um so viel höher zu verwundern, als seltzamer und ungewöhnlicher es uns zu seyn scheinet) saget man noch über dieses von dir, daß du das gantze Alte und Neue Test. in gantz richtiger Ordnung, nicht ohne sonderbahre Hülff und Beystand der Göttlichen Gütigkeit und Gnaden, öffentlich vor jederman lesen / auslegen, erklären und in öffentlichen Disputationibus mit unerschrockenem, standhafftigem Gemüthe auf alle Fragen und scharffsinnige Schluß-Reden antworten sollest. Dieweil wir dann begierig seyn, die Warheit eines so grossen Wunderwercks selbst eigentlicher zu erfahren / haben wir dich durch diß Unser Schreiben zu ersuchen nicht unwürdig erachtet, mit gnädigstem Ansirinen, daß du dich nicht beschweren wollest in unserer Käyserlichen Majestät besonders geliebten Universität zu Wien, auff das schleunigste, als du kanst, anzulangen: Sintemahl wir mit unaussprechlicher Begierde dich allhier zu sehen, und die hohe Würde deines so herrlichen und vortrefflichen Ingenii der Käyserlichen Geschencke theilhafftig zu machen, ein Verlangen tragen. Demnach so wirst du, so bald du immer kanst, dich auff die Reise anhero nacher Wien begeben, und zu dem Königlichen Throne unserer Käyserlichen Hoheit verfügen / auf daß wir dich, nachdem Wir warhafftige Bewärniß der so hohen Wissenschafft deiner allerzartesten Jugend verspühret haben werden / mit den güldenen Kleinodien des Doctor-Standes krönen und zieren mögen. Dann wir wollen dir (und zwar nicht unbillig) die vornehmste Stelle an unserm Königlichen Hofe überlassen, und du wirst uns so viel angenehmer / werther und lieber seyn / als geringer du bist von Alter und Jahren. Hiemit gehab dich wol / liebster Sohn, und sey darauf beflissen / daß unsere bey so reiffem und hohen Alter baufällige Majestät dich bald sehen / und eines hohen, wunderbaren und ungläubigen Trostes und Freuden nicht länger benommen seyn möge. Gegeben in unserer geehrten Universität Wien, unter unserer Majestät Secret, Anno 1472. den 25. Januarji, unsers Reichs im 33. Jahr.
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