97. Von der Hand und den Fingern.

[505] Nicht allein bey den weisen Römern und Griechen /sondern auch bey den barbarischen Nimidiern / hat mans dafür gehalten / daß in der rechten Hand eines Mannes sonderliche Tugend und Autorität bestehe. Mit der rechten Hand haben sie den Frieden verkündiget und angedeutet. Wann sie dieselbe darreichten /wars ein Zeichen einer demüthigen unterthänigen Bitte / wie Turnus thate beym Virg. im 12. Buch Æneid.

Beym Euripide wolte Hecuba den Ulyssem um Gnade bitten / auf daß sie ihre Tochter Iphigeniam wieder loß bekäme; Aber Ulysses zog seine rechte Hand, weg / und verbarg sie / damit sie nicht von der Hecuba angerühret würde.

Insonderheit war im Daumen eine Anzeigung der Gunst und Freundlichkeit. Wann man einem Gutes gönnete / so drückete man den Daumen: Gönnte man Ubels / so kehret man ihn um. Der mittelste oder längste Finger ward für unehrlich oder schandbar gehalten: Ward auf jemand mit denselben ausgestreckt gewiesen / so war es eine grosse Schande demselben /dem es geschah: Und ward ihm hierdurch Schimpff und Unehr angethan.

Wann eine Frau in Kindes-Nöthen arbeitete / und jemand zugegen / der die Hände und Finger in einander geschürtzet / gleich als ob er betete / das ward für eine Zauberey gehalten / und könte die kreissende Frau nicht erlöset werden. Noch ärger aber war es /wann man die also zusammen geschürtzte Hände sitzend über ein oder zwey Knie geschlagen und gehalten. Diß findet man beym Plinio im 17. und 28. Buch.


[506] Aberglaube ist mancherley: Thut aber zu Zeiten auch etwas / nach dem Sprichwort: Einbildung ist ärger als Pestilentz.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 505-507.
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