Das arme Pfäfflein

[544] Wie 's Völklein in der Stube

Die tollsten Tänze springt

Und in die Luft der Bube

Zuhöchst die Dirne schwingt,

Verstummt die Geig, verschwunden

Der fremde Weidgesell,

Und wie von hundert Hunden

Erschallt ein laut Gebell.

Am Geigerbänkel sitzend,

Aus roten Augen blitzend,

Sieht einen schwarzen Pudel

Das bange Bauernrudel:

Fausts Hund, Prästigiar genannt,

Im Lande weit und breit bekannt.

Doch wars von ihm nur Necken,

Die Leutchen zu erschrecken,[544]

Denn mit geducktem Schädel,

Diskretem Schwanzgewedel

Der Pudel sich verkriecht

Ins Eck und rührt sich nicht.

Die Bursche haben, lustbetäubt

Gar bald den Spuk vergessen,

Die Dirnen wieder ungesträubt

Zum Tanze sich vermessen.

Auch sind beschämt die Musikanten

An ihre Bank zurückgeschlichen,

Es werden die beliebt bekannten

Drehwalzer bestens abgestrichen.

O arme Dorfesfiedel,

Dein Ruhm ist nun zerstört!

Wes Ohr einmal gehört

Ein reizend Höllenliedel,

Dem soll die Einfalt schweigen,

Ist schwer zu Dank zu geigen. –

Jetzt durch die Schenke poltert,

Von Eifersucht gefoltert,

Der Hahnrei-Bräutigam,

Dem Faust sein Schätzel nahm.

Er hat den Garten rings durchsucht

Und aus und ein den Wald durchflucht,

Laut vorgeheult den Winden,

Die Braut ist nicht zu finden.

Arm Hannchen ist verfallen

Der Reue scharfen Krallen,

Denn als des Zaubers Bande

Im vollen Kussesbrande,

Im glühendsten Vereinen

Der Taumelnden sich lösten:

Ergriff sie lautes Weinen,

War sie nicht mehr zu trösten. –

Nun sehn erstaunt die Bauern,[545]

Wie der, auf den sie lauern,

Eintritt mit kaltem Mut.

Er hatte, tanzgeschäftig,

Vergessen seinen Hut,

Den Mantel zauberkräftig,

Sein Fahrzeug durch die Luft;

Und alles: »Packt ihn!« ruft.

Wie sie den Doktor schnell umringen,

Wie sie die harten Fäuste schwingen,

Die guten Lehren festzunageln,

Die brausend auf den Sünder hageln.

Den Faust jedoch berührt das nicht,

Verachtung lächelt sein Gesicht,

Er donnert ins Getümmel:

»Still! rührt euch nicht, ihr Lümmel!«

Da faßt sie alle schnell der Bann,

Und keiner sich bewegen kann,

Und wie gestellt ihn der Verdruß,

Ein jeder so verharren muß:

Die Mäuler sind weit aufgerissen,

Zu schelten drollig stumm beflissen;

Die Fäuste zornzusammgepreßt,

Sie wurzeln in der Luft gar fest.

Als gute Zuchtverfeinerung

War wirksam die Versteinerung;

Denn wie nun Faust den Zauber hob,

Sprach jeder seufzend ein: »Gottlob!«

Wie Faust herab sich läßt zu sagen:

»Wir wollen friedlich uns vertragen!«

Schleicht jeder mit gesenkter Stirne

Zu seiner Flasche oder Dirne.

Die Bauern werden allgemach

Mit Faustens Näh vertrauter,

's wird in der Schenke nach und nach

Die Freude wieder lauter;[546]

Der schwarze Pudel kriecht hervor

Zu Faust mit freudigem Rumor,

Bemüht, den Doktor zu erfreuen

Mit seltsamlichen Gaukeleien.

Doch, nun die Tür wird aufgetan

Und kommt ein junger Wandersmann

Mit einem hübschen Frauenbild

Und ringsum grüßt, verlegen mild,

Und Wein begehrt und fasset Platz,

Unweit von Faust, mit seinem Schatz:

Beginnt der Hund zu zittern,

Zu schnuppern und zu wittern

Und läßt sich nicht bescheiden,

Stets knurrend um die beiden.

Der fremde luftige Gesell

Scheint weidlich froh an seiner Stell,

Er trinkt es seiner Schönen zu,

Sie kosen zärtlich du zu du;

Ihn scheint das frohe Lärmen,

Der goldne Bergwein Guß auf Guß

Stets gründlicher zu wärmen;

Er gibt der Schönen Kuß auf Kuß.

Die Heißverliebten schämen

Mit nichten sich und nehmen

In so behaglichem Besitz

Vom Groll des Hundes nicht Notiz.

Nun aber ist der Pudel frisch

Mit einem Satz auf ihrem Tisch,

Und gierig schnappt Prästigiar

Dem fremden Wandersmann ins Haar,

Reißt ihm vom Kopf sein Häubchen,

Ein rund Perückenscheibchen,

Und trägt dem Mann zu Schimpf und Tort

Faust hin den lustigen Apport.

Weh! wo vom Haupt das Käpplein fuhr,[547]

Kriecht vor verrätrisch – die Tonsur. –

Der Hund verbringt ein grimmig Klaffen,

Bis man den schelmisch geilen Pfaffen

Hat in der Schenke scharf geplagt

Und samt dem Weib hinausgejagt.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 544-548.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Faust
Faust: Ein Gedicht
Faust

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon