Sechster Auftritt


[755] Jungfer Ohldin, Lisette und Herr Kräusel.


JUNGFER OHLDIN. Sind das nicht Narren! Ich kann es bei Gott beteuren, daß ich sie nicht gekannt habe.

LISETTE. O der Poete ist nach Brote gewöhnt, der kömmt wieder. Da haben wir ihn!

HERR KRÄUSEL. Der Klügste gibt nach! Und dieses bin ich. Ich habe es im Herausgehen überlegt, daß – –

LISETTE. Daß ein Schneider freilich eher trotzen kann, als ein Poete – –

HERR KRÄUSEL. Daß der Zorn einem Weisen nicht anstehet. Ich verzeihe Ihnen also Ihren Irrtum. Lernen Sie nur daraus, daß in manchem Menschen mehr steckt, als man ihm ansieht. Doch was befehlen Sie? Worinne kann Ihnen meine Geschicklichkeit dienen?

JUNGFER OHLDIN. Ich habe mich mit Gott entschlossen, zu heiraten. Und weil ich gehört habe, daß Sie einen guten Vers machen sollen, und weil doch mein Bräutigam einer von Adel ist, und weil ich doch auch gern ein Hochzeitcarmen haben möchte, und weil ich nicht weiß, ob sonst jemand so höflich sein möchte – –[755]

HERR KRÄUSEL. Sapienti sat! Sie haben sich deutlich genug erklärt. Das übrige besorge ich. Ich werde Ihnen schon eins machen, daß Sie damit sollen zufrieden sein. Wollen Sie eines per Thesin et Hypothesin?

JUNGFER OHLDIN. Ja. Ja.

HERR KRÄUSEL. Oder eines nur per Antecedens et Consequens?

JUNGFER OHLDIN. Ja. Ja.

HERR KRÄUSEL. Wählen Sie. Wählen Sie. Mir gilt alles gleich. Nur will ich vorläufig erinnern, daß Sie für eines per Thesin et Hypothesin etwas mehr zu geben belieben werden. Die Zeiten sind teuer. Das Nachdenken ist auch aufgeschlagen, und – –

JUNGFER OHLDIN. Darauf werde ich es nicht lassen ankommen. Nur daß es fein artig wird.

HERR KRÄUSEL. So wahr ich ein ehrlicher Poete bin, es soll mein Meisterstück werden. Soll es etwan von erbaulichem Inhalte sein?

JUNGFER OHLDIN. Erbaulich – – erbaulich. Bei einer Hochzeit dächte ich – –

HERR KRÄUSEL. Von historischem? von mythologischem? von scherzhaftem? von satyrischem? von schalkhaftem Inhalte?

JUNGFER OHLDIN. Von schalkhaftem, dächte ich sollte wohl – –

HERR KRÄUSEL. O vortrefflich! In dem Schalkhaften eben besitze ich meine Stärke. Und dazu wird wohl am besten ein unschuldiges Quodlibet sein? Nicht?

JUNGFER OHLDIN. Wie Sie denken.

HERR KRÄUSEL. Ja. Ja. Ein unschuldiges Quodlibet wird sich vortrefflich schicken. Zum Schlusse kann ich alsdann eine lebhafte Beschreibung des Bräutigams und der Braut mit anhängen. Zum Exempel den Bräutigam würde ich beschreiben, als einen wohlgewachsenen ansehnlichen Mann, dessen majestätischer Gang, dessen feurige und reizende Augen, dessen kaiserliche Nase, dessen vorteilhafte Bildung – –

JUNGFER OHLDIN. O Lisette, was muß der Herr Capitaine für[756] ein allerliebster Mann sein! Haben Sie ihn schon gesehn, mein Herr Poete?

HERR KRÄUSEL. Sieht er wirklich so aus? Wie heißt er denn?

JUNGFER OHLDIN. Ich denke. Sie kennen ihn schon. Es ist der Herr Capitaine von Schlag.

HERR KRÄUSEL. Von Schlag. Und Dero werter Name ist?

JUNGFER OHLDIN. Ohldin.

HERR KRÄUSEL. Ohldin? Mit Erlaubnis, der wievielste Mann ist es, den Sie itzo nehmen?

JUNGFER OHLDIN. Was für eine närrische Frage! Der erste.

HERR KRÄUSEL. O, verzeihen Sie. Das hätte ich Ihnen gleich ansehen können. Es ist wahr, Sie sind ja noch in Ihrer blühenden Jugend.

JUNGFER OHLDIN. Hörest du, Lisette!

HERR KRÄUSEL. Ohldin, Mademoiselle Ohldin, und Schlag, Herr von Schlag. O glückliche Namen! Die werden zu vortrefflichen Gedanken Anlaß geben! Ohldin, Schlag. Was werde ich nicht vor eine vortreffliche Allusion auf die Münzen von altem Schlage, machen können! Die alten Jungfern, werde ich sagen können, sind wie die Münzen von altem Schlage – –

LISETTE. Hören Sie Jungfer!

JUNGFER OHLDIN. Ach, mein lieber Mann, Sie denken sehr abgeschmackt. Alte Jungfern, alte Münzen. Ich verspreche mir nichts Besonders von Ihnen.

HERR KRÄUSEL. Gut, so lassen wir den Einfall weg, wenn er Ihnen nicht ansteht. Wenn verlangen Sie das Gedicht fertig zu sehn?

JUNGFER OHLDIN. Je nun, so bald als möglich.

HERR KRÄUSEL. Gut. Gut. Aufs höchste in einer Stunde bin ich damit da.

JUNGFER OHLDIN. In einer Stunde? Ach bleiben Sie immer ein wenig länger. Ich besorge, es möchte sonst allzu schlecht werden.

HERR KRÄUSEL. Ja, wenn Sie erlauben wollen, so mache ich es gleich hier. Lassen Sie mich nur ein wenig in einem Zimmer alleine sein. Zu Hause lärmen mir Frau und Kinder die Ohren allzusehr voll.[757]

JUNGFER OHLDIN. Frau, und Kinder?

LISETTE. Ein Poete hat Weib und Kinder?

HERR KRÄUSEL. Eben die Corinna, die ich durch meine Lieder in meiner Jugend verewiget habe, eben die Corinna ist itzo mein Weib. Ich habe mir das Übel an den Hals gesungen, und gehöre also in der Tat mit unter diejenigen großen Dichter, die durch ihre Kunst unglücklich geworden sind. Das böse Weib! Sie liegt zwar zu Hause auf den Tod krank, aber sie liegt schon über acht Tage, und will sich noch nicht entschließen, zu sterben. Ach, meine lieben Jungfern, das ist gewiß, die Weiber sind zum Unglücke der ganzen Welt erschaffen! Ach das verdammte Geschlecht!

LISETTE. Je du verdammter Hundsfott von einem Poeten.

HERR KRÄUSEL. O verzeihen Sie! verzeihen Sie! Ich war in meiner Entzückung. Wo wollen Sie, daß ich mich hinbegeben soll? Nam Musae secessum scribentis et otia quaerunt.

JUNGFER OHLDIN. Können Sie doch allenfalls hier in das Nebenzimmer gehen.

LISETTE. Aber fürchten Sie sich nicht. Sie werden in dem Zimmer eitel Narren antreffen.

HERR KRÄUSEL. Wie so?

LISETTE. Weil viel Spiegel darinne sind. Gehn Sie nur.

HERR KRÄUSEL. Das begreife ich nicht. Geht ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 755-758.
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