[164] Marinelli, und bald darauf Angelo.
MARINELLI der wieder nach dem Fenster geht. Dort fährt der Wagen langsam nach der Stadt zurück. – So langsam? Und in jedem Schlage ein Bedienter? – Das sind Anzeigen, die mir nicht gefallen; – daß der Streich wohl nur halb gelungen ist; – daß man einen Verwundeten gemächlich zurückführet, – und keinen Toten. – Die Maske steigt ab. – Es ist Angelo selbst. Der Tolldreiste! – Endlich, hier weiß er die Schliche. – Er winkt mir zu. Er muß seiner Sache gewiß sein. – Ha, Herr Graf, der Sie nicht nach Massa wollten, und nun noch einen weitern Weg müssen! – Wer hatte Sie die Affen so kennen gelehrt? Indem er nach der Türe zugeht. Ja wohl sind sie hämisch. – Nun Angelo?
ANGELO der die Maske abgenommen. Passen Sie auf, Herr Kammerherr! Man muß sie gleich bringen.
MARINELLI. Und wie lief es sonst ab?
ANGELO. Ich denke ja, recht gut.
MARINELLI. Wie steht es mit dem Grafen?
ANGELO. Zu dienen! So, so! – Aber er muß Wind gehabt haben. Denn er war nicht so ganz unbereitet.
MARINELLI. Geschwind sage mir, was du mir zu sagen hast! – Ist er tot?
ANGELO. Es tut mir leid um den guten Herrn.
MARINELLI. Nun da, für dein mitleidiges Herz! Gibt ihm einen Beutel mit Gold.
ANGELO. Vollends mein braver Nicolo! der das Bad mit bezahlen müssen.
MARINELLI. So? Verlust auf beiden Seiten?
ANGELO. Ich könnte weinen, um den ehrlichen Jungen! Ob mir[164] sein Tod schon das Indem er den Beutel in der Hand wieget. um ein Vierteil verbessert. Denn ich bin sein Erbe; weil ich ihn gerächet habe. Das ist so unser Gesetz: ein so gutes, mein' ich, als für Treu und Freundschaft je gemacht worden. Dieser Nicolo, Herr Kammerherr –
MARINELLI. Mit deinem Nicolo! – Aber der Graf, der Graf –
ANGELO. Blitz! der Graf hatte ihn gut gefaßt. Dafür faßt' ich auch wieder den Grafen! – Er stürzte; und wenn er noch lebendig zurück in die Kutsche kam: so steh' ich dafür, daß er nicht lebendig wieder heraus kömmt.
MARINELLI. Wenn das nur gewiß ist, Angelo.
ANGELO. Ich will Ihre Kundschaft verlieren, wenn es nicht gewiß ist! – Haben Sie noch was zu befehlen? denn mein Weg ist der weiteste: wir wollen heute noch über die Grenze.
MARINELLI. So geh.
ANGELO. Wenn wieder was vorfällt, Herr Kammerherr, – Sie wissen, wo ich zu erfragen bin. Was sich ein andrer zu tun getrauet, wird für mich auch keine Hexerei sein. Und billiger bin ich, als jeder andere. Geht ab.
MARINELLI. Gut das! – Aber doch nicht so recht gut. – Pfui, Angelo! so ein Knicker zu sein! Einen zweiten Schuß wäre er ja wohl noch wert gewesen. – Und wie er sich vielleicht nun martern muß, der arme Graf! – Pfui, Angelo! Das heißt sein Handwerk sehr grausam treiben; – und verpfuschen. – Aber davon muß der Prinz noch nichts wissen. Er muß erst selbst finden, wie zuträglich ihm dieser Tod ist. – Dieser Tod! – Was gäb' ich um die Gewißheit!
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Emilia Galotti
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