Sechster Auftritt

[170] Battista. Marinelli.


BATTISTA eiligst. Die Mutter, Herr Kammerherr –

MARINELLI. Dacht' ichs doch! – Wo ist sie?

BATTISTA. Wann Sie ihr nicht zuvorkommen, so wird sie den Augenblick hier sein. – Ich war gar nicht Willens, wie Sie mir zum Schein geboten, mich nach ihr umzusehen: als ich ihr Geschrei von weitem hörte. Sie ist der Tochter auf der Spur, und wo nur nicht – unserm ganzen Anschlage! Alles, was in dieser einsamen Gegend von Menschen ist, hat sich um sie versammelt; und jeder will der sein, der ihr den Weg weiset. Ob man ihr schon gesagt, daß der Prinz hier ist, daß Sie hier sind, weiß ich nicht. – Was wollen Sie tun?

MARINELLI. Laß sehen! – Er überlegt. Sie nicht einlassen, wenn sie weiß, daß die Tochter hier ist? – Das geht nicht. – Freilich, sie wird Augen machen, wenn sie den Wolf bei dem Schäfchen sieht. – Augen? Das möchte noch sein. Aber der Himmel sei unsern Ohren gnädig! – Nun was? die beste Lunge erschöpft sich; auch so gar eine weibliche. Sie hören alle auf zu schreien, wenn sie nicht mehr können. – Dazu, es ist doch einmal die Mutter, die wir auf unserer Seite haben müssen. – Wenn ich die Mütter recht kenne: – so etwas von einer Schwiegermutter eines Prinzen zu sein, schmeichelt die meisten. – Laß sie kommen, Battista, laß sie kommen!

BATTISTA. Hören Sie! hören Sie!

CLAUDIA GALOTTI innerhalb. Emilia! Emilia! Mein Kind, wo bist du?

MARINELLI. Geh, Battista, und suche nur ihre neugierigen Begleiter zu entfernen.[170]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 2, München 1970 ff., S. 170-171.
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