[185] Odoardo Galotti. Die Gräfin. Marinelli.
ODOARDO GALOTTI. Verzeihen Sie, gnädige Frau –
ORSINA. Ich habe hier nichts zu verzeihen. Denn ich habe hier nichts übel zu nehmen – An diesen Herrn wenden Sie sich. Ihn nach dem Marinelli weisend.
MARINELLI indem er ihn erblicket, vor sich. Nun vollends! der Alte! –
ODOARDO. Vergeben Sie, mein Herr, einem Vater, der in der[185] äußersten Bestürzung ist, – daß er so unangemeldet hereintritt.
ORSINA. Vater? Kehrt wieder um. Der Emilia, ohne Zweifel. – Ha, willkommen!
ODOARDO. Ein Bedienter kam mir entgegen gesprengt, mit der Nachricht, daß hierherum die Meinigen in Gefahr wären. Ich fliege herzu, und höre, daß der Graf Appiani verwundet worden; daß er nach der Stadt zurückgekehret; daß meine Frau und Tochter sich in das Schloß gerettet. – Wo sind sie, mein Herr? wo sind sie?
MARINELLI. Sein Sie ruhig, Herr Oberster. Ihrer Gemahlin und Ihrer Tochter ist nichts Übles widerfahren; den Schreck ausgenommen. Sie befinden sich beide wohl. Der Prinz ist bei ihnen. Ich gehe sogleich, Sie zu melden.
ODOARDO. Warum melden? erst melden?
MARINELLI. Aus Ursachen – von wegen – Von wegen des Prinzen. Sie wissen, Herr Oberster, wie Sie mit dem Prinzen stehen. Nicht auf dem freundschaftlichsten Fuße. So gnädig er sich gegen Ihre Gemahlin und Tochter bezeiget: – es sind Damen – Wird darum auch Ihr unvermuteter Anblick ihm gelegen sein?
ODOARDO. Sie haben Recht, mein Herr; Sie haben Recht.
MARINELLI. Aber, gnädige Gräfin, – kann ich vorher die Ehre haben, Sie nach Ihrem Wagen zu begleiten?
ORSINA. Nicht doch, nicht doch.
MARINELLI sie bei der Hand nicht unsanft ergreifend. Erlauben Sie, daß ich meine Schuldigkeit beobachte. –
ORSINA. Nur gemach! – Ich erlasse Sie deren, mein Herr. – Daß doch immer Ihres gleichen Höflichkeit zur Schuldigkeit machen; um was eigentlich ihre Schuldigkeit wäre, als die Nebensache betreiben zu dürfen! – Diesen würdigen Mann je eher je lieber zu melden, das ist Ihre Schuldigkeit.
MARINELLI. Vergessen Sie, was Ihnen der Prinz selbst befohlen?
ORSINA. Er komme, und befehle es mir noch einmal. Ich erwarte ihn.
MARINELLI leise zu dem Obersten, den er bei Seite ziehet. Mein Herr, ich muß Sie hier mit einer Dame lassen, die – der – mit deren Verstande – Sie verstehen mich. Ich sage Ihnen[186] dieses, damit Sie wissen, was Sie auf ihre Reden zu geben haben, – deren sie oft sehr seltsame führet. Am besten, Sie lassen sich mit ihr nicht ins Wort.
ODOARDO. Recht wohl. – Eilen Sie nur, mein Herr.
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