Ragout à la Mode

[227] Ragout à la Mode oder des Neologischen Wörterbuchs erste Zugabe von mir selbst 1755. In 8vo. 11/2 Bogen. Wenn das Neologische Wörterbuch, oder, es bei dem abgeschmacktern Titel zu nennen, wenn die Ästhetik in einer Nuß nur den geringsten Schaden angerichtet oder auch nur Leser gefunden hätte, so würden wir nicht ermangeln, dieses Ragout als ein vortreffliches Gegengift anzupreisen. Da sie aber in einem Augenblicke erschien und vergessen ward, so befürchten wir fast, daß ein gleiches Schicksal auch ihre Zugabe, unschuldiger Weise, treffen werde. Unterdessen ist es doch recht gut daß man den Narren nach ihrer Narrheit antworte, und ihnen keine Gegenrede schuldig bleibe, damit sie es auch selbst erfahren, daß sie Narren sind. Das Ragout bestehet aus einer Unterredung zwischen einem Schüler und seinem Lehrmeister. Man hat diese katechetische Methode ohne Zweifel wegen der Deutlichkeit gewählt, um es fein einem jeden begreiflich zu machen, daß nicht allein der Verfasser des Wörterbuchs ein seichter Kopf und förmlicher Pasquillant sei, sondern auch daß der Herr Prof. Gottsched mit mehrerm[227] Rechte als Bodmer und Klopstock unter die Neologischen Schriftsteller gehöre; es müßte ihm denn etwa dieses zur Entschuldigung dienen, daß er bloß aus kriechender Armut, und gar nicht aus Begierde etwas kühnes und unerwartetes zu sagen, neologisiere. Die Beweise hiervon kann man in der Zugabe selbst nachsehen. Wir wollen uns nicht länger dabei aufhalten, sondern dem Leser nur noch eine Sinnschrift mitteilen, die der Träumer eines gewissen Traumes als das von uns verlangte Recepisse ansehen kann. Man wird sich der vortrefflichen vier Zeilen des Herrn von Hallers erinnern:


Kurzsichtiger! dein Gram hat dein Gesicht vergället,

Du siehst die Dinge schwarz, gebrochen und verstellet:

Mach deinen Raupenstand und deinen Tropfen Zeit,

Den nicht zu deinem Zweck, die nicht zur Ewigkeit.


Weil diese Zeilen den poetischen Maulwürfen von jeher ein mächtiger Anstoß gewesen sind, so machen wir uns ein Vergnügen daraus ihnen eine Parodie darauf mitzuteilen, die wir von guter Hand bekommen haben. Sie ist an den Verfasser des Wörterbuchs gerichtet, und lautet also:


Kurzsichtiger! der Neid hat dein Gesicht vergället,

Du siehest Hallern schwarz, gebrochen und verstellet:

Mach deinen matten Witz, dein wenig Wissen, Flegel,

Dies nicht zur Deutlichkeit, den nicht zur Schreibart Regel.


Wenn er, oder diejenigen Herren Gottschedianer, die an dem Wörterbuche Teil haben, das Flegel zu hart finden sollten, so mögen sie überlegen, daß man des Reimes wegen vielmal etwas sagen muß, was man außer dem Reime nicht gesagt hätte. Doch man hat es nicht einmal nötig, ihnen diese Entschuldigung zu machen, weil sie weit größere Grobheiten wider andre Leute, als sie sind, ausgestoßen haben. – – Das Ragout kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 2 Gr.

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 227-228.
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