17.

[99] Wie Amor nunmehr redet zu

Dem Liebenden, dass er halt' und thu'

Die Lehren, die er jetzt ihm biete

Verzeichnet in dem schönen Liede.


Zu allererst Verrätherei,

Spricht Amor, will und heisch' ich, sei

Von Dir vermieden ohn' Bedacht,

Willst nicht, daß ich gering Dich acht'.

Verfluchet und verbannet sei,

Wer irgend liebt Verrätherei.

Verrätherei erzeugt Verrath,

Für den mein Bann kein Mittel hat.

Verrätherei ist mitleidslos

Und treuebar und freundschaftslos.


Nachher hab' Acht nicht auszuschrei'n

Ein Ding, das soll verborgen sein;

Nachreden ist nicht wohlgethan.[100]

Herrn Keus1, den Seneschal, sieh an.

Der stets durch seinen üblen Mund

In argem Ruf' und Hasse stund.

Denn so wie Gowin lobesam

An Artigkeit den Paris gewann,

So hatt' dagegen Keus die Schand',

Weil grausam er und falsch bestand,

Ein Spötter und Verläumder war

An all' der andren Ritterschar.

Sei weise und behutsam klug

In Worten sanft und fein genug,

Bei Hoch und Niedrig thue das,

Und wenn Du gehest auf der Straß',

Gewöhne ja Dir dieses an,

Zuerst zu grüßen Jedermann,

Und kommt man Dir zuvor im Gruß'

So halt' die Zung' nicht im Verschluss',

Den Gruß erwiedre Du in Eil'

Ganz ohn' Verzug und sonder Weil'.

Dann schaue, daß Du sagest nicht

Ein übel Wort, als wie ein Wicht;

Zu thun 'ne schlechte Sache kund

Eröffne nimmer sich Dein Mund.

Ich halt' für keinen adlichen Mann,

Der All' und Jedes schwatzen kann.[101]


Den Frauen allen dien' in Ehr',

Für sie trag' Mühe und Beschwer,

Und hörst Du Einen wo, der hetzt

Und eine Frau geringe schätzt, –

Dämpf' ihn, so daß den Mund er hält;

Thu', wo Du kannst, was wohlgefällt

Den Frauen und den Mägdelein,

So daß man Leumund gut und fein

Von Dir sich zu erzählen weiß –

So kommst Du wohl zu Ruhm' und Preis'.


Nach alldem wahr' vor Stolze Dich,

Denn der, das wiss' absonderlich,

Ist Albernheit und Sünd' zugleich,

Und wer da kam in Stolzes Reich,

Dem ist das Herz niemehr bereit

Zu Wohlwoll'n und Gefälligkeit;

Denn Stolz gerad' entgegen geht

Dem, was da rechter Lieb' ansteht.

Wer aber sich mit Lieb' abgiebt,

Thut wohl, wenn Artigkeit er übt.

In Liebeangelegenheit

Gelingt Nichts ohne Artigkeit,

Und die ist stolz wohl nimmermehr;

Wer artig ist, schafft immer mehr,

Weil er des Stolzes gar gebrist,

Weil er kein Thor und Laffe ist.[102]


Und richt' in Kleid' und Aufzug fein

Nach Deinem Jahrgehalt Dich ein.

Denn schönes Kleid und feiner Schmuck

Empfehl'n die Leute wohl genug.

Zu machen gib den Rock mit Fleiß

An einen, der'n zu machen weiß,

So daß die Schöß' anständig stehn,

Die Aermel schmuck zusammengehn.

Auch hab' oft neu und zierlich Du

Schnürstiefeln und geschnürte Schuh',

Und daß sie passen, habe Acht.2

So sei der Neid zu Schand gebracht,

Wo du auch gehst, an welchen Ort,

Und wo du denn auch scheidest fort.

Handschuh' und Beutel Hab' von Seide,

Ein Gürtel sei an deinem Kleide.

Und bist du nicht von reicher Art,3

Wie du wohl könnt'st, so sei gespart.

Doch mußt du kleiden dich so schön,

Als Du es kannst, um zu bestehn.

Ein Blumenkranz, der wenig gilt,[103]

Pfingströfelein auch schön und wild

Kann haben hier ein Jeder gut,

Ohn' daß er hätte großes Gut.

Lass' keinen Schmuz auf dir bestehn,

Wasch' deine Hände, spül' die Zahn',

Die Nägel sei'n nie schwarz von Quarg'

Und lass' sie wachsen nicht zu arg.

Und bind die Aermel, kämm' das Haar

Und schmink' dich nicht, noch schiele gar.

Denn nicht geziemt's bei Frauen ja,4

Als bei anrüchigen etwa,

Wo Liebe nur durch schlimme List,

Nicht durch Natur gegeben ist.


Und nachher muß'st du immer schau'n

Dir zu erhalten gute Laun',

An Lust und Freude halt dich dicht –

Denn Amor achtet Trübe nicht:

Da gibt es artig Leid allein,5

Mit Lachen, Jauchzen und mit Schrei'n,[104]

Das eben ist's, daß Lieb' zumal

Behaftet ist mit Lust und Qual.

Wer liebt, der hat nach Liebeskunde

Leicht eine – und schlimm die andre Stunde,

Da Liebegram viel Leid verübt.

Und jetzt ist fröhliche wer da liebt,

Und jetzt von Lust, von Leiden schwer,

Und weinet jetzt und jauchzt nachher;

Wenn dir sich ein Vergnügen weis't,

Damit du zu ergetzen weißt,

So heiß ich dich es thun sofort.

Denn Jeder muß an jedem Ort'

Das thun, was eben ihm zukommt,

Dieweil es nützet auch und frommt.

Und fühlst du leicht und frisch dich ganz –

Mach' kein Gewissen dir aus Tanz' –

Weißt du bescheidt mit Pferdes Lauf,

So reite flugs bergab, bergauf.

Und wenn du Lanzen brechen kannst,

Gar Viel' du leicht damit gewannst.

Und bist in Waffen du geübt,

So heiß'st du dreimal mehr geliebt.

Und hast du gut' und reine Stimm',

Dich spröd' nicht, noch verschämt benimm,

Zu singen, wirst du so bestellt,

Denn schöner Sang ergetzt die Welt.[105]

Auch ziemt es einem Freiersmann,6

Daß er hübsch Geige spielen kann,

Und Pfeife auch und Tanz und Sprung.

Durch dieses kommt man weit genung.


Lass' halten nimmer dich für karg,

Denn dieses kümmert dich noch arg:

Denn so ist's recht, daß, wer da liebt,

Auch reichlicher durchgängig gibt,

Als solch ein filz'ger Narr und Thor.

Nichts bringt auch Amor dem hervor,

Wer nicht durch Gabe es verschönt.

Wer Liebe zu durchdringen wähnt,

Zieht sich von Geiz mit Fleiß' zurück.7

Denn wer da nun für einen Blick,

Ein Lächeln freundlich süß – dahin

Gegeben hat sein Herz und Sinn,[106]

Der muß, nach dieser reichen Gabe

Gern fahren lassen and're Habe.


Nun zur Erinnrung wiederhol'

Ich noch einmal, was ich befohl,

Denn minder sich ein Wort vergißt,

So bald es kurz und bündig ist.

Wer Liebe zum Geschäft' sich macht,

Hab' ohne Stolz auf Sitte acht,

Und halte schmuck sich und gesetzt,

Und werde nicht für karg geschätzt.

Danach leg dies Gebot Dir auf:

In Tages und in Nachts Verlauf'

Daß nur auf Lieb' Dein Sinn sich wende

Daran gedenke ohne Ende.

Und denke stets der süßen Zeit,

Davon Dir bleib die Freudigkeit.

Damit Du 'n rechter Liebster bist,

Will ich und heisch' ich, daß da ist

Dein Herz an einen Ort gebannt

Und nicht zu Hälften ausgesandt,

Daß ganz und ohne Trug es sei,

Ich liebe nicht Zweiträgerei.8

Dem, dessen Herz nicht stätig weilt[107]

Wird nirgend was Rechtes zugetheilt.

Doch nie mein Zweifeln auf sich lenkt,

Wer all sein Herz an Eines hängt.

Drum will ich, daß Du's so besorgst

Doch hüte Dich, daß Du's verborg'st,

Denn hätt'st Du es verborget, dann

Säh' ich es flugs als Beute an.

So gib's nur ganz zu eigen gleich,

Daß Dir's zu mehr Verdienst gereich';

Bei Borgen hat Gefälligkeit

Gelöscht schon, und bezahlt, wer leiht;

Doch wer Geschenk zu eigen stellt,

Bei dem muß groß sein der Vergelt

Und gib die Gabe kurz und gut.

Und gib sie auch mit güt'gem Muth'.

Denn theuer wird erst recht ein Ding,

Das man mit rechter Huld empfing,

Die Gab' jedoch man werthlos denkt,

Die widerwillig ward geschenkt.


Wenn Du verschenkt Dein Herze dann,

Wie ich Dich's jetzt gelehret han,

Dann nahn die Abenteuer sich,

Die Liebsten drücken fürchterlich.

Oftmals, wenn Du gedenkest schön,

An Deine Lieb', wird Dir's geschehn,

Daß Leuten Du begegnen muß'st,[108]

Denen ganz fremd und unbewußt

Das Weh, daran Du leidest Pein,

Bei Vielen stehst Du ganz allein;

Dann kommt Dir Leid, und anderwärts9

Auch Klag' und Jammer, Weh' und Schmerz,

Daß Du zerstreut auch oftmals bist

Jetzt warm, und kalt in nächster Frist.

Jetzt roth, und nachher gleich erbleicht,

So schlimm ist ja kein Schauer leicht,

Viertägig oder täglich. Gleich

So bald Du gehst, bist im Bereich'10

Der Schmerzen Du, die Liebe bringt,

So daß es oftmals Dich bezwingt

Bei dem Gedanken schon mit Pein,

So wirst Du wohl beinahe sein,

Als wie ein stummes Bildniß pflegt,

Das sich nicht rüttelt und nicht regt,

Und keinen Fuß noch Finger beugt,[109]

Kein Auge regt und immer schweigt.

Am Ende kehret Dir ein Stück

Gedächtniß wiederum zurück,

Jedoch befällt Dich Beben dann

Wie einen furchtgeplagten Mann,

Aus tiefster Seele seufz'st Du auf,

Und wisse, dies ist der Verlauf

Bei denen die das Leid verspürt,

In das Du jetzt wirst eingeführt.


Dann muß'st Du sorgen unverweilt,

Wenn Deine Liebste fern geeilt

Dann sagst Du: Gott, was für ein Schmerz,11

Daß ich nicht bin, allwo mein Herz!

Warum that nur mein Herze gehn?

An das denk' ich, mag sonst Nichts sehn.

Könnt' meinen Fuß ich schicken hin,

Um auf mein Herz zu blicken hin!

Wenn's Aug' nicht's Herz beschicken kann

Grämt Nichts mich was es blicken kann.

Und darf man nun noch weilen hier?[110]

Nein, nein, ich geh' zu suchen schier

Des hohen Heiligthumes Hut,

Nach dem mein Herz so eifrig thut.

Und sichert so mein Herze sich,12

So mach' ich auf die Füße mich –

Wenn mich mein Herz so fern entbot:

Halt' mich für'n Thor'n, doch hilf mir Gott!

So geh' ich, nimmer lass' ich's so,

Denn nimmer werd' ich wieder froh,

Bis sich davon ein Zeichenweise –

So machst Du dann Dich auf die Reise.

So wirst Du gehn in solcher Art

Wie Dir's nach Deinem Willen ward,

Umsonst behüt'st Du Deinen Schritt,

Denn was Du suchest, siehst Du nit,

So trifft sich's, daß Du kamst zurück

Ganz abgespannt mit trübem Blick',

Dann fällst Du wieder in groß' Leid,

Und Seufzer kommen tief und weit,

Durchschüttern und durchschauern Dich

Und stechen mehr, denn Igelstich.

Wer weiß es nicht, daß Brauch dies ist

Bei rechter Lieb' zu dieser Frist?

Doch läßt Dich nicht Dein Herz in Fried',[111]

Das wider Dich von dannen zieht,

Ob Du durch Zufall wo erspähst,

Worüber Du in Gram vergehst.

Und wenn Du's so weit bringen kannst,

Daß Du den Anblick doch gewannst,

So bist gewiß Du sehr bestrebt,

Daß stets er Dir vor Augen schwebt,

Daß Du viel Lust ins Herz Dir zieh'st

Von dieser Schönheit, die Du siehst.

Und wisse, daß vom Ansehn doch,

Du Beben spürst und Herzgepoch',

Und ganz belebt indem Du's siehst13

Wirst Du vom Feuer und erglühst. –

Je mehr man sieht was lieb man hält,

So mehr sich's Herz erwärmt, erhellt.

Und hell in lichte Lohen bläst

Das Feuer, das da lieben läßt.


Wer liebt, der wird stets zugesellt,

Dem Feu'r, das ihn erwärmt, erhellt.

Je mehr dem Feu'r er nah sich merkt,

So mehr auch fühlt er sich gestärkt.

Das Feu'r ist's, das ihm spiegelnd zeigt,

Die Liebste, der er scheu sich neigt.[112]

Je näher er dahin sich zieht,

So mehr in Liebe er erglüht.

Denn dieses Thor und Weiser kennt;

Daß wer dem Feu'r zu nah, sich brennt.


Wenn Du gesehn die Freundin hie

Wirst Du Dich trennen wollen nie,

Und kommt es doch zum Scheiden dann,

Den ganzen Tag lang denk'st du dran,

An das, was du gesehen hast.

Dann legst Du Etwas Dir zur Last,

Und dieses drücket dich gar sehr,

Daß nicht dein Herz so kühn vorher,

Sie anzureden da sofort –

So stand'st du da und sprachst kein Wort

Bei ihr, wie albern oder blöd'.

Du wähnst, daß dir's gar übel steht,

Daß du nicht angered't die Schön',

So daß sie mochte von dir gehn.

Das sei ganz anders nun gemacht;

Denn hätt'st du nur herausgebracht

Ein'n einz'gen schönen Gruß allein,

Bracht' es viel' hundert Mark dir ein.

Dann mußt'st du wieder um dich drehn

Und such'st Gelegenheit zu gehn,

Zu gehn von Neuem jene Wege,

Wo sie sich sehen lassen möge,[113]

Wagst doch nicht sie zur Red' zu stellen –

In ihrem Haus' hast zu bestellen

Gar viel – und suchst Gelegenheit.

Es muß dein Wandern weit und breit

Und all' dein Laufen und dein Geh'n

Sich immer so im Kreise drehn.

Jedoch den Leuten zeig' dich nie,

Such' and're Mittel als wie die,

Wo man durch diese gar nicht kommt –

Denn sich nicht ganz zu zeigen frommt.


Geschieht's nun, daß erscheinet dir

Die Liebste, wo du kannst zu ihr

Fein reden und sie grüßen schön,

Da wird die Farbe dir vergehn,

Und beben wird dir all' dein Blut,

Und dich verlassen Wort und Muth,

Sobald du nun beginnen willst.

Und kommt's so weit, daß du's erfüll'st,

Daß deinen Spruch beginnst sofort –

Und hast zu sprechen nur drei Wort' –

So bringst du zweie kaum heraus,

So fasst dich Schüchternheit und Graus.

Da ist dir Keiner so bedacht,

Der da nicht viel' Vergessen macht.

Da hilft auch keine List heraus.

Doch falsche Liebste zähl'n sich aus[114]

Den Vortheil und ganz ohne Scheu

Verüben sie Betrügerei,

Es denket anders, als er spricht,14

Ein abgefeimter arger Wicht.

Nachdem du jetzt ohn' all'n Verrath

Zu ihr gesprochen deinen Rath,

Wirst du dir's legen nicht zur Last,

Wenn da du nichts vergessen hast,

Was nützlich noch zu sagen wär',

In großer Angst bleibst du nachher –

Das ist der Streit, das ist das Feu'r,

Das ist der stete Kampf geheu'r.

Nie wird dem Liebsten ganz sein Lohn,

Stets fehlt' ihm, Nichts hat er davon

So lange dieser Krieg auch währt,

So lang' er irgend noch begehrt.


Und kommt die Nacht nun wieder dar,

So wirst du haben Plagen gar,

Wirst legen in dein Bett dich hin,

Doch haben wenig Freude drin.

Wenn du zu schlafen nun gedenkst,

Zu schaudern du gewiß anfängst.

Mit Springen und mit Singen beide

Du eine Stund' liegst auf der Seite,[115]

Die and're auf dem Zähnen dann,

Wie Einer den da schmerzt ein Zahn,

Dann kommt dir in Gedanken ein.

Wie ihre Gestalt und all' ihr Schein

Wohl Keiner zu vergleichen mehr;

So sag' ich dir viel Wunder's her.

Manchmal wird dir's vor Augen sein,

Als hielt'st du sie in rechtem Schein'

Ganz nackend in dem Arme hie,

Als wäre nun geworden sie

So recht dir Freundinn und Genoss' –

So baust du dir manch' luftig' Schloß,

So kann ein Nichts dir Lust gewähren,

Und also kannst du dich bethören,

Und am ergetzlich schönen Bild',

Von Lüg und Mährlein gar erfüllt,

Doch kurze Zeit nur bleibst du froh.

Zu klagen dann beginnst du so

Und sprichst: Gott, träumt' ich nur so gut,

Wo ist sie, bei der ich geruht?

Und dieses Bild – wo kam es her? –

Des Tag's wohl zwanzig Mal und mehr,

Wünscht' ich, käm' wieder dieses Bild,

Das mich gefangen und erfüllt,

Mit Freude und mit gutem Muth',

Nur schlimm, daß es nicht weilen thut.

Gott! seh' ich's je dahin gebracht,[116]

Daß ich da bin, wo ich's gedacht?

Ich wünschte wahrlich und fürwahr,

Daß ich indessen stürbe gar.

Der Tod, der brächt' mir wenig Harm',

Stürb' ich, die Liebste mein im Arm'.

Oft grämt mich Lieb' und täuschet mich,

Bringt Leid und Trug gar bitterlich,

Doch kommt's dahin, daß ich gewinne

Von meiner Liebsten wahre Minne,

Wär' Alles mir vergolten reich.


Ach, allzuviel verlang' ich gleich.

Ich glaub', ich bin nicht klug zur Hand,

Daß ich mir wünsche solche Schand,

Denn wer da Thorheit sich erdachte,

Verdienet, daß man ihn verachte.

Weiß nicht, wie ich's zu sagen wag',

Denn Mancher, der wohl Mehr vermag,

Der schätzte sich's wohl schon zur Ehre,

Wenn er ein Theil so glücklich wäre.

Doch wollt' mit einem Kuss' allein

Beglücken mich die Schönste mein,

Hätt' ich schon mächtigen Vergelt,

Für's Leid, das mich gefangen hält.

Doch möcht' es schwerlich wohl gescheh'n,

Ich mag mich nur für'n Narr'n ansehn,

Daß ich mein Herz an was gesetzt,[117]

Davon ich werde nie ergetzt.

So sag' ich als ein Narr und Thor,

Ein Blick von ihr, der gehet vor

Den ganzen Freuden allzumal,

Gar gern säh' ich sie überall,

Wenn Gott mir hilft dazu; denn Heil

Wird, wem ihr Anblick ward zu Theil'.


Gott, wie's schon hell geworden ist,

Ich blieb dabei zu lange Feist;

Doch nimmermehr gewinn' ich Ruh',

Bevor ich nicht gelangt dazu.

Denn Liegen ist 'ne üble Sach',

Wenn man nicht schläft und ruht gemach.

Und Gram hab' ich und Langweil schnöd',

Daß schneller nicht der Morgen geht.

Und daß die Nacht nicht weichen mag,

Denn ich erheb' mich, wenn es Tag.

Ha Sonn', um Gott, so komm' in Eile,

Und zaud're nicht, komm' sonder Weile!

Lass' schwinden nun die finst're Nacht,

Die gar so lange Langweil macht!

So ziehest du die Nacht dich hin

Und findest wenig Ruh' im Sinn'.

So fühlst du stets der Liebe Leid,

Und kannst du dann nicht läng're Zeit,

Erdulden wachend in dem Bette,[118]

So mußt du auf, an selber Stätte

Dich putzen, waschen, kleiden an,

Sobald den Tag du siehest nah'n.

Dann stiehlst hinweg du heimlich dich,

Ob's regn', ob's hagle fürchterlich;

G'radweges nach der Liebsten Haus,

Und eben schläft vielleicht sie aus

Und denket gar an dich nicht sehr.

'Ne Stunde drauf kommst wieder her,

Zu kunden, ob's noch zu dort ist.

So stehst du da zu dieser Feist

Allein im Regen und im Winde;

Und mach' die Runde nun geschwinde,

Und wenn du Nichts wo offen siehst,

Daß Fenster sich und Schloß verschließt,

So horch' und lausche unten doch,

Ob drin die Leute schlafen noch.

Und wenn die Schöne drinnen wacht,

So geb' ich dir zu Rath' und Acht,

Daß sie dein Leid und Trauern hör',

Und daß du nicht kannst ruhen mehr,

Noch schlafen auch aus Lieb zu ihr;

Ziemt's wohl, daß sie auch Mitleid spür'

Mit dem, dem so viel Arges ward

Um sie – ist sie nicht gar zu hart.


So sag' ich dir, was du mußt thun[119]

Für diese holde Liebste nun,

Von der dir mag kein Glück geschehn.

Die Thüre küsse du bei'm Gehn.

Und damit, daß man dich nicht sehe

Vor diesem Hause, mach' und gehe;

Doch sieh, daß wieder du zur Stell',

Sobald der Tag herauf und hell.

So wird gekommen und entfernt,

Und so gewachet und gelernt,

Denn unter Amor seiner Fahn'

Wird mager jeglicher Dienstmann.

Du wirst es an dir selbst gewahren,

Und muß'st es selber auch erfahren,

Denn wiss', daß Amor'n nicht gefällt,

Daß'n Liebster Farb' und Fett behält.

Darin nun mag man leicht erschau'n,

Wer nur betrügen will die Frau'n;

Die nur zum Luge sagen hin,

Daß sie sich Trank und Speis' entziehn,

Die kündet schon als Schelm' ihr Blick,

Daß Aebt' und Prior's kaum so dick.


Darnach sag' und befehl' ich dir,

Daß du dich zeigst freigebig schier

Der Dienerinn in diesem Haus' –

Und eine Löhnung zahl' ihr aus,

Daß hoch dich preise ihre Lippe,[120]

Der Liebsten und der ganzen Sippe,

Die muß'st du halten lieb und werth,

Gar leicht es dir viel Glück gewährt,

Denn wer da ist mit ihr vertraut,

Erzählt ihr, wie er dich geschaut,

Ob adlich, sittig, recht gemuth,

Sie ist dir noch einmal so gut. –

Entferne dich nicht aus dem Land',

Und hast du mal so üblen Stand,

Daß die Entfernung gut man fand,

Hab' Acht, daß doch dein Herz zur Hand,

Und denk' auf schnelle Wiederkehr,

Verweilen darfst du nicht zu sehr:

Zeig' daß gar sehr dich Sehnen rafft

Nach ihr, die hält dein Herz in Haft.


So sagt' ich dir die Art mit Lust,

Wie lieben du mir dienen mußt.

So thu' danach nun, wenn du willt

Nach ihr dein Sehnen sehn erfüllt.


Spricht der Liebende.


Wie Amor dieses mir gesagt,

So hab' ich ihn nachher gefragt:

Herr, und in welcher Weis' und Art

Dem Liebsten wohl zu tragen ward

Das Uebel, das Ihr habt erzählt?[121]

Ich bin darauf gar sehr gestählt;

Doch wie man dau'rn und leben thut

In so viel Pein und solcher Gluth? –

In Kampf', in Seufzern und in Zähren,

In Leiden, die da immer währen,

Ist man in Sorge und in Huth.

Gewißlich mich es wundern thut,

Wie ein nicht eiserner Geselle

Trägt einen Mond lang solche Hölle.


Der Gott der Liebe sagt mir jetzt,

Und auf mein Fragen so versetzt:


Spricht Amor.


Mein Freund, bei meines Vaters Geist,

Nichts hat, wer sich's nicht schwer erschweiß't,

Und um so lieber man verschnaufft,

Je theurer man es hat erkauft;

Das Gut ist noch einmal so werth,

Das einem Mühe hat gewährt.

Wahr ist's, daß keinem Leid entgeht,

Wer in dem Lieben selber steht.

So wenig als die tiefe See

Mag man erschöpfen Liebeweh

In Büchern und Geschichten schön.

Und All' das siehest du geschehn

Den Liebenden, weil's ihr Geschick;[122]

Gern flieh'n vor'm Tode sie zurück.

Der, wer in dunklem Thurme bebt,

Bei Nattern und bei Molchen lebt

Und hat kaum Gerst- und Haferbrod,

Hat doch vor Jammer nie den Tod.

Hoffnung erhält das Leben schön,

Weil es Befreiung noch zu sehn

Durch irgend einen Zufall meint:

Und ganz derselbe Trost erscheint

Dem, der in Amors Haft verweilt,

Er hofft noch immer sich geheilt.

Und diese Hoffnung tröstet ihn,

Und bringet Muth in Herz und Sinn,

Daß er das Herz der Pein hinträgt,

Hoffnung zu dulden ihn bewegt

Ein Leid, das Keiner zählt und wägt

Für Freud', die's hundertfach austrägt,

Hoffnung den Sieg durch Dulden gibt;

Durch sie nur lebet wer da liebt.

Drum sei der Hoffnung Ehr' und Preis,

Die Liebenden zu helfen weiß.

Wie wacker endlich Hoffnung ist!

Denn sie verläßt zu keiner Feist

Den Wackern bis an's Ende gar,

Im Unglück' nicht, nicht in Gefahr.

Dem Räuber selbst, der fast schon hängt.

Sie Aussicht noch auf Gnade schenkt.[123]

Die nimmt dich wohl in ihre Hut

Und nimmer von dir weichen thut,

Und tröstet dich so bald es Noth.

Drei andre Güter noch ich bot

Mit dieser dir, die laben sehr,

Wenn dich mein Dienst bedrückt zu schwer.


Das erste Gut, das Trost gewährt

Dem, den der Liebe Leid beschwert,

Das ist Süß-denken, das gedenkt

An das, darauf sich Hoffnung lenkt,

Wenn wer vor Liebe seufzt und klagt

Und ist mit Kampf und Pein geplagt. –

Süß-denken wird zuerst dess' Theil

Der ganz von Zorn und Jachsinn heil.

Den Liebenden, den läßt sein Nah'n

Erinnerung der Freud' empfah'n,

Die Hoffnung ihm verhieß zuvor,

Führt ihm die edle Nase vor

Die nicht zu groß und nicht zu klein,

(Das Auge lächelnd vorn hinein)

Das Mündlein mit der Farbe mild,

Deß Odem ganz von Düften schwillt –

Und so behagt's ihm wohl, im Sinn'

Ein jedes Glied zu stellen hin.

Und doppelt wird der Trost erweckt,

Wird ihm ein holder Zug entdeckt,[124]

Wie sie gelächelt, süß geblickt,

Was ihn an seiner Lieb' entzückt.

Süß-denken sänftigt allsogut

Der Liebe ihre Pein und Wuth.

Dies sollst du haben nun zumeist;

Doch wenn das Zweite ab du weis'st,

Das doch nicht minder lieblich ist,

Du wahrlich sehr gefährdet bist.


Das zweite Gut, das ist Süß-Red',

Die manchem Jüngling gut und stät

Und mancher Maid schon Trost gewann.

Denn wer nur irgend reden kann

Von seiner Lieb' – sich leicht behagt.

Ich meine, daß darum wohl sagt

Ein liebekundig Mägdelein

Im Lied' ein Wörtlein lieb und fein:

Ich bin, sagt sie, in schönen Schulen,

Hör' Etwas ich von meinem Buhlen.

So helf' mir Gott, wer irgend was

Von ihm mir sagt, ergetzt mich baß. –

Und von Süß'-Rede hört sie an,

Was auch es sei, denn Kund' gewann

Sie schon davon in mancher Art.

So sieh nur zu, daß Dir auch ward

Bald ein Gesell verschwiegen schlau.

Und diesem deinen Muth vertrau'[125]

Und sag' ihm allen deinen Sinn,

Das wird dir bringen viel Gewinn.

Wenn Liebeangst dich sehr bedrückt

Wird er zum Trost von dir beschickt,

So redet beide Ihr zumal,

Von ihr, die dir dein Herze stahl,

Von ihrer Schönheit und Unschuld,

Von ihrer einfach hohen Huld.

Dem sagst du's ganz wie's mit dir stat,

Und bittest ihn um seinen Rath,

Wie Etwas werde angestellt,

Das deiner Liebsten wohlgefällt.

Wenn der, dem ward ein solcher Freund,

Sein Herz der Lieb' auch hat vereint,

So wird noch kräftiger sein Bund.

So thu' ich dir das Rechte kund:

Wen er auch liebt, wer sie auch ist,

Ob Jungfer oder nicht zur Frist,

Fürcht' nicht, daß er Verrath verübe

Und dich verklein're bei der Liebe;

Einander ja vertrauet ihr,

Du aber ihm, er aber Dir.

Und wisse, daß es wohl behagt,

Hat Einen man dem kühn man sagt,

Was meinen man und denken mag.

Das kommt dir sicher zu Geschmack,[126]

Hast den Versuch du nur gethan,

Glaubst an den Lohn du sicher dann.


Das Dritt' ist in das Aug' gelegt

Süß-blick ist's, der zu hausen pflegt,

Bei dem, den Liebe ferne hält,

Dir rath' ich, bleib' ihm ja gesellt

Und halt' am Süßblick dich mit Kraft,

Daß dir sein Trost hübsch Hilfe schafft,

Denn Liebende gar hold und mild

Er mit Ergetz' und Freud' erfüllt.

Früh hat gar lieblich Stelldichein

Das Aug', zeigt unser Herrgott fein

Das Heiligthum so süß und lind,

Nach dem die Blicke gierig sind.

Denn nimmer Herbes bringt der Tag

Der jetzt alsbald erscheinen mag.

Nicht Regen wird, nicht Wind gescheut,

Noch was nur irgend Andres dräut,

Und wenn den Augen Lieb's geschicht,

Sind sie gelehrt und abgericht't

Daß sie sich laben nicht allein,

Das Herz auch lassen fröhlich sein,

Und sänft'gen alle üble Noth.

Das Auge wie ein treuer Bot'

Schickt in das Herz die Neuigkeit,

Die es geseh'n in jüngster Zeit,[127]

Und so geschieht's durch ihre Freude,

Daß auch das Herz vergißt die Leide,

Und all' die Nacht, darin es wohnt

Denn ebenso, als wie der Mond

Das Dunkel von sich ferne treibt,

So auch vor Süßblick nimmer bleibt

Die Finsterniß, darin das Herz

Liegt Tag und Nacht in Liebeschmerz:

Das Herz sich nie im Grame müht,

Wenn's Auge, was es wünschet, sieht.


Nun, scheint's mir, hab' ich dir geseit,

Von dem ich dich will sehn befreit.

Denn sonder Lug thät' ich erzähl'n

Die Mittel, die da sollen stähl'n

Die Liebenden, vor Tod' sie wahren;

Nun weiß'st, wo du magst Trost erfahren:

Du hast die Hoffnung stets zur Hand,

Süßdenken auch ist dir bekannt,

Süßrede und Süßblick zuletzt.

Ein Jedes mög' Dich wahren jetzt:

Bis du auf mehr gewärtig bist,

Deß' Trefflichkeit nicht kleiner ist.

Noch Größeres bekommst du dann,

Doch dieses biet' ich gleich dir an.

1

Der bekannte Seneschal des König Artus.

2

Und lass' sie schön und festlich sein,

Und nicht zu groß und nicht zu klein.

Edit. de Laut. d. Damerey.

3

Und wenn solch' Gut du nicht gewannst,

Daß du viel' Aufwand machen kannst.

Lenglet du Fresnoy.

4

Denn solches ziemet einzig ja

Anrüchigen und Thor'n etwa,

Die Lieb' durch arge Ränke nur

Gefunden nimmer die Natur.

L. d. F.

5

Die Weise ist gar hübsch und neu,

Da gibt es Lust ohn' Lärm dabei.

6

Auch in dem Saitenspiel so weit

Geziemt dir ein'ge Fertigkeit,

Und ebenso in Tanz und Sprung,

Dies wird dich fördern weit genung.

L. d. F.

7

Wer haben will von jenem Lohn

Zieht sich zurück von diesem schon.

L. d. F.

8

Ohn' Falsch und ohne Täuscherei.

L. d. F.

9

So leid'st Du Weh auf viele Art,

Und fühlest Jammer herb und hart

Jetzt warm und jetzo kalt zu sehn,

Mußt Du durch diesen Jammer gehn.

L. d. F.

10

– – – – – – – – – – – – – Und

Sobald Du gehest wird Dir kund

Das Leiden, das die Liebe bringt

Und alle Deine Kräfte zwingt.

11

Dann achtest Du Dich unglückreich,

Wann sie nicht nahe bei Dir gleich.

Dann kommt es, daß Dein Herze zieht

Mit dem, das nicht Dein Aug' mehr sieht

Sprichst Du: Ich wollte blicken hin,

Das Aug' zum Herzen schicken hin.

12

Muß so vom Herzen fern ich fahr'n,

Mag ich mich halten für 'nen Narr'n.

13

Das Feuer brennt den, der da sicht

Die Liebste, hütet er sich nicht.

L. d. F.

14

Wenn's scheint, als wein' er, lacht der Wicht.

L. d. F.

Quelle:
Guillaume de Lorris: Das Gedicht von der Rose. Berlin 1839, S. 99-128.
Lizenz:

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