[33] Marie allein.
Rezitativ und Arie
MARIE schleicht nach Konrads Kammer und horcht.
Er schläft! Wir alle sind in Angst und Not,
und er kann schlafen, das begreif ich nicht.
Ach, er fühlt nicht wie ich, sonst müßt er ahnen,
daß ich ihm nahe bin, daß ich mich sehne,
'ne gute Nacht aus seinem Mund zu hören.
Er ist so gut, so brav und bieder,
sein redlich Herz find't man nicht mehr;
wie er beglückt mich keiner wieder,
und wenn's der König selber wär!
Reichtum allein tut's nicht auf Erden,
das ist nun einmal weltbekannt;
mit Konrad kann ich glücklich werden,
er gilt mir mehr als Kron' und Land.
Wie wär's, wenn ich ihn weckte? Gar zu gern
möcht ich ein süßes Wort mit ihm noch plaudern.
Sie geht an die Tür, klopft und ruft leise.
Konrad! Lauter. Konrad!
Ärgerlich und laut rufend.
Konrad! Du Murmeltier!
Sie erschrickt.
Wie unvorsichtig! Wenn man mich gehört!
[33] Sie schleicht auf den Zehen zu den anderen Türen und horcht.
Nein, Gott sei Dank, 's ist alles still geblieben.
Ob wohl der Ritter glücklich heimgekehrt?
Sie öffnet leise den Fensterladen im Hintergrunde. Man erblickt die Gegend im Mondenschein.
O schöne Nacht, wie hell die Sternlein flimmern!
Sie erschrickt.
Täusch ich mich nicht, so stehet dort am Baume
der Ritter noch, im Mantel eingehüllt.
Sie riegelt schnell den Laden zu und stellt sich mit dem Rücken dagegen, als wolle sie ein Eindringen verhüten, dann sieht sie durch die Spalte.
Ein art'ger Herr ist's freilich, schlank und fein,
und zu beneiden mag die Dame sein,
die er zur Gattin sich erwählt.
's mag freilich nicht so übel sein,
zu wohnen in 'nem schönen Schloß,
zu sagen: Feld und Wald sind mein,
und mir gehorcht der Diener Troß.
Zu thronen beim Turniere
inmitten schöner Fraun
und hoch von dem Altane
voll Huld hinab zu schaun,
wie sie die Lanzen brechen
beim Schalle der Trompeten,
wie sie sich hauen, stechen,
bis einer Sieger ist;
man winket dann dem Tapfern
mit wohlgefäll'ger Mien'
und reicht mit schönen Worten
den Ehrenkranz ihm hin.
Man spricht – man spricht:
Hier, lieber tapfrer Rittersmann,
sei Euch mein schönster Dank gebracht,
ich schaut Euch mit Vergnügen an,
Ihr habt's recht gut gemacht.
Dann zum Bankett,[34]
zum reichen Mahl
im goldnen Saal
beim Kerzenschein!
Das muß 'ne wahre Wonne sein!
Pause.
Was ficht dich an, du töricht Mädchen?
Dein kind'scher Sinn führt dich zu weit!
Reichtum allein tut's nicht auf Erden,
das ist nun einmal weltbekannt;
mit Konrad kann ich glücklich werden,
er gilt mir mehr als Kron' und Land.
Sie nimmt die Lampe, und sich nach seiner Tür wendend, singt sie im Abgehen.
So schlummre sanft, du Trauter, du,
dir wünscht dein Liebchen süße Ruh'!
Schlummre sanft! Schlummre sanft!
Der Vorhang fällt langsam.
Entr'act
Andantino G-dur 2/4
Ausgewählte Ausgaben von
Der Waffenschmied
|
Buchempfehlung
Albert Brachvogel zeichnet in seinem Trauerspiel den Weg des schönen Sohnes des Flussgottes nach, der von beiden Geschlechtern umworben und begehrt wird, doch in seiner Selbstliebe allein seinem Spiegelbild verfällt.
68 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro