VII. Io.

[330] Notus und Zephyrus.


NOTUS. Diese junge Kuh, die Merkur dort übers Meer nach Ägypten führt, hätte Jupiter also aus Liebe um ihr Kränzchen gebracht, sagst du?

ZEPHYRUS. Nicht anders, mein lieber Notus; aber freilich war sie damals keine Kuh, sondern die Tochter des Flusses Inachus. Ihre dermalige Gestalt hat ihr Juno aus Eifersucht gegeben, wie sie sah, daß Jupiter so außerordentlich in sie verliebten war.

NOTUS. Liebt er sie denn auch noch jetzt, da sie ein Rind ist?

ZEPHYR. Gar sehr! Deswegen hat er sie eben nach Ägypten geschickt und uns befohlen, das Meer ruhig zu halten, bis sie hinübergeschwommen ist, damit, wenn sie dort niedergekommen sein wird (denn sie ist guter Hoffnung), sie selbst eine Göttin und ihr Sohn ein Gott werde.

NOTUS. Diese junge Kuh eine Göttin?

ZEPHYR. Allerdings! und wie mir Merkur gesagt hat, soll sie eine Schutzpatronin der Seefahrer und unsre Gebieterin werden, so daß sie jedem von uns, nach ihrem Belieben, zu blasen befehlen oder verbieten kann.

NOTUS. So müssen wir ihr beizeiten die Cour machen, Zephyr, da es soviel ist, als ob sie es schon wäre.[330]

ZEPHYR. Zum Jupiter, es ist ein Mittel, sie uns desto gewogener zu machen. – Aber sieh! die Überfahrt ist schon vollbracht; sie ist bereits ans Land geschwommen. Siehst du, daß sie schon nicht mehr auf vier Füßen geht und was Merkur für eine schöne stattliche Frau aus ihr gemacht hat?

NOTUS. Das sind wunderliche Begebenheiten, lieber Zephyr! Weg sind auf einmal Hörner, Schwanz und gespaltne Füße, und die Kuh ist ein reizendes Mädchen. Aber was fehlt dem Merkur, daß er seinen schönen Jünglingskopf mit einem Hundegesicht vertauscht?

ZEPHYR. Wir wollen uns nicht darum kümmern; er muß am besten wissen, was er zu tun hat.

Quelle:
Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 330-331.
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