Elfter Auftritt.

[57] Weigenand. Lieschen.


WEIGENAND. Guten Morgen, Lieschen! Gut, daß du kömmst.

LIESCHEN. Ja, scheene Sache!

WEIGENAND. Nun?

LIESCHEN. Die Gretche hot en scheene Schkandahl gemacht!

WEIGENAND. Man spricht in der Stadt davon.

LIESCHEN. Is es meglich? un was dann?

WEIGENAND. Ein General hätte sie entführt.

LIESCHEN. Nix Jenneral, der klän Leidenand.

WEIGENAND. Dacht ich's doch gleich – Aber es ist schrecklich, wie man hier alles vergrößert! – Stelle dir nur vor, man erzählt sich sogar, dich hätte ein anderer Offizier entführen wollen.

LIESCHEN. Ach! Ach! Jetzt komm ich aach ins Geredt.[57]

WEIGENAND. Ich habe überall dieses Geschwätze widerlegt. Laß auch einige unserer jungen Herren1 deinen Namen eine Zeitlang im Munde führen. –

LIESCHEN. Ach, an dene ihrm Geschwätz leit mer nix, dann die losse kän Medge ungeroppt. Dene is noch kän schlecht genug.

WEIGENAND. Und vernünftige Leute, die dich und mich kennen, werden nichts der Art dir nachreden.

LIESCHEN. Du host mich beruhigt – Awwer sag nor dein Ahrm – ach Gott! – brauchst de dann wos; es is gewiß recht ahrg?

WEIGENAND. Kleinigkeit! es ist durchaus nichts an dem Arm verbrannt; das Meiste ist Geschwulst. – Ein brennender Balken stürzte herab und mir auf den Arm.

LIESCHEN. Net wahr, wie de die geheime Räthin Hinkelbach aus de Flamme geholt host. Zärtlich und gerührt. Mein lieber guter Aagust – Ach verzehl!

WEIGENAND. Lieschen, spare mir die Erzählung, es würde mich Ueberwindung kosten. – Auf ein andermal sollst du alles wissen. Du wirst ja auch den Vorgang schon von andern haben erzählen hören: freilich nicht so einfach, wie er war, sondern etwas wohl ausgeschmückt: ja nun das ist so der poetischen Frankfurter Art. Ich war besorgt es mögte dir solche Uebertreibung zu Ohren gekommen sein, deswegen wagt' ich es hierher zu kommen, damit du es sehen solltest, daß es nicht so arg ist. Aber, höre Lieschen, hat man denn noch keine Vermuthung, welchen Weg unser Flüchtling eingeschlagen hat?

LIESCHEN. Gewiß! – Sie sin nach Fribberg.

WEIGENAND. Da müßten sie wohl noch einzuholen seyn, ich will –

LIESCHEN. Es werd en schond nachgesetzt.

WEIGENAND. Durch wen?[58]

LIESCHEN. Der Herr Eppelmeier, der bei de Glähtsreider is, der is en nach, mit dem Leibschitz.

WEIGENAND. Wenn die nur keine dummen Streiche machen!

LIESCHEN. Mer wolle des Beste hoffe.


Quelle:
Carl Malß: Volkstheater in Frankfurter Mundart. Frankfurt a.M. 31884, S. 57-59.
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