Vierzehnter Auftritt

[144] Fritz. Die Armut.


ARMUT. Gnädiger Herr!

FRITZ. Welche Keckheit, in dieser indezenten, zerrissenen Gestalt vor mir zu erscheinen? Man riecht nach Armut! Apage!

ARMUT. Unverschuldete Armut ist keine Schande, und[144] wohl hat sie das Recht, Hülfe bei den Reichen zu suchen. Sie sind so reich, teilen Sie auch mir ein Scherflein mit.

FRITZ. Was geht das dem Bettelvolk an, wenn ich reich bin? Wenn ich reich bin, so bin ich's für mich.

ARMUT. Des Himmels Lohn wird Ihnen dafür werden, wenn Sie mich nicht unerhört von sich stoßen.

FRITZ. Die Wechsel auf die andere Welt werden hierorts nicht bezahlt, und was kann denn so eine miserable Person mir versprechen? Ich hätte große Lust, das zudringliche Bettelvolk hinauswerfen zu lassen. Von heut an wird beim Portier eine große Tafel mit der Aufschrift hinausgehängt: »Hier werden keine Almosen ausgeteilt.«

ARMUT. Aber wo soll die Armut denn Hülfe suchen als bei den Reichen?

FRITZ. Suchen kann S', aber ob S' was findet, das ist eine andere Frag; jetzt hab ich g'nug, meine Zeit ist kostbar. Allez!

ARMUT. So soll ich denn verzweifeln?

FRITZ. Ich will Ihr nix vorschreiben; aber fort soll Sie, und das gleich, und wenn ich Ihr einen guten Rat geben kann, so wende Sie sich nie in ihrer Not an Leute, die so leicht reich geworden sind wie ich, da wird S' immer am wenigsten kriegen.

ARMUT. Wohl denn, so vernimm meinen Fluch: Bald wird die Strafe deiner Hartherzigkeit dich ereilen, du selbst wirst vergebens nach Hülfe flehen und verzweifeln. Verschwindet.

FRITZ. So ist das Bettelvolk, wenn man ihm nix gibt, so schimpft's, ich hätt mich bald geärgert, und das hätt mir schaden können.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 144-145.
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