Scena I.

[25] MUSOPHILUS ein Kaufman zu Trient. Hertzlieber Sohn / demnach du durch Gottes Segen / und fleissige Arbeit deiner Herren Præceptorum in deinen studiis so weit fortgeschritten bist / daß es die Nohtdurfft erfordern wil dich auff eine Universität zu versenden; als wil ich dir hiermit angemeldet haben / daß solches binnen wenig Tagen geschehen werde / allermassen ich solches gäntzlich bey mir beschlossen. Ich ermahne dich aber zugleich Väterlich / daß du wohl bedencken u erwegen wollest / wie so hoch nütz- und ersprießlich die studia seyn. Denn wenn du denselben fleissig obliegen wirst / so wirst du nicht allein behalten / was du biß daher mit meinen grossen Kosten erlernet / sondern wirst auch täglich an[25] Weißheit / Verstande / und Gnade bey GOtt und Menschen wachsen / biß dich Gott in ein vornehmes Ampt setzet / da denn erst die recht süssen Früchte deiner sauren Arbeit sich ereignen / und dich ergetzen werden. Wirst auch zugleich der Armut / so den faulen Gesellen auff dem Fusse nachschleichet / entgehen / und statliche Besoldung sampt guten accidentien einzustreichen haben. Im fall du aber diese meine Väterliche Vermahnung aus den Augen setzen wirst / wird dir / was du bißher gefasset / allgemachsam wieder entfallen / nicht aufs neue begriffen / und du endlich von der Armut / als von einem gewapneten Manne / ergriffen / ferner auch in den Koht der Schmach / Verachtung und Elendes getreten werden. Vber dies kan dich die Anmuhtigkeit derer studien zu einer eyfferigen continuation derselbigen auffmuntern. Denn ich habe vielmahl von hochgelarten Männern gehöret / daß die Lust / so aus dem studiren / und unter demselben entspringet / alle andere Lust weit / weit übertreffe. Vnd wem könte verborgen seyn / daß man durch dies Mittel zu höchsten Ehren auffzusteigen pflege? Da im Gegentheil die Vngelehrten von jederman verachtet und gedrukket werden. Derowegen / hertzlieber Sohn / wirst du dein Bestes selbst wol bedencken / und nicht verursachen / daß ich deinet wegen / wenn du die studia, wie viel auff Universitäten pflegen / schändlich negligiren soltest / in schmertzlichen Kummer und grosses Hertzeleid gesetzet werde. Ich wil dich inzwischen[26] mit notwendigen sumtibus versorgen / u nichts ermangeln lassen. Wolte GOtt / ich hätte das Glück / als du gehabt / ich wolte ein ander Mann worden seyn. Doch lasse ich mir mit dem wenigen / so ich mit aus der Schulen bracht / begnügen.

ARIOPHILUS Musophili Sohn. Hertzlieber Herr Vater / ob ich wol mich schuldig erkenne / euch zu gehorsamen; so ist mir doch nicht müglich / wenn ich meinen natürlichen und innerlichen Antrieb des Gemüths bedencke / ins künfftige bey dem studiren bleiben. Bißher / da ich / als ein junger Mensch / mich meines Verstandes und judicii nicht recht gebrauchen kö en / hab ich billich denen studiis obgelegen / worzu mich meine Praeceptores aus eben den Gründen / die ihr jetzt angeführet / auffgemuntert. Aber nach dem ich nun die Sache etwas genauer überleget / so finde ichs viel anders. Denn wie wenig sind derer Gelehrten / die was grosses an Gütern durch ihre studia erlanget? Oder auch zu grossen Ehren auffgestiegen wären? Hätten sie nicht Vettern / Schwäger / Schwehr Väter sampt anderen grossen Patronen und Favoriten gehabt / durch welche sie befördert worden / sie hätten wol müssen sitzen bleiben / und am Hunger-Tuche nagen. Ist also die grosse Hoffnung / die ihr mir zu erwekken bemühet seyd / sehr ungewiß / und auff solche Gründe gesetzet / die ich leichtlich / so es nöhtig erachtet würde / übern hauffen werffen könte. Ich gebe[27] euch jetzo nur dieses zu behertzigen / wie viel nemlich unsere Stadkinder / die auch auff Universitäten gewesen / ohne Förderung herumb ziehen müssen.

MUSOPHILUS. Was hast du dich umb andere zu bekümmern Studire du fleissig. GOtt wird dir wohl Förderung beschehren.

ARIOPHILUS. Warumb beschehrt er sie aber diesen nicht / die ebenso wol auch meynen / daß sie etwas studiret haben?

MUSOPHILUS. Das kan ich dir so genau nicht eröffnen. Denn ich bin in GOTTes Rahtstuben nicht gewesen. Vielleicht probiret er ihre Gedult und Hoffnung / und wil kund werden lassen / ob sie auch etwas leiden können. Zu seiner Zeit / wenn sie nur fromm seyn / und ihre studia fortsetzen / wird er auch an sie gedencken / und sie mit guter Förderung versehen. Leute / die etwas gelitten haben / sind in vornehme Aemter am bequehmsten.

ARIOPHILUS. So lange könte ich nicht warten. Derowegen hab ich beschlossen / förder hin kein Buch mehr anzusehen / sondern mich auf etwas anders zu begeben.

MUSOPHILUS. Wie hertzlich betrübst du mich / du ungehorsames Kind / wie betrübst du mich? Siehe zu / daß dich Gott nicht wieder betrübe, und du dermaleinst beweinen[28] müssest / daß du meinem Väterlichẽ Raht nicht gefolget habest. Gehe / wohin dirs beliebet. Von mir hast du forthin nicht einen Heller mehr zu gewarten.


Gehet zornig ab.


ARIOPHILUS. Ja / wenn ich doch flugs zugeplumpet hätte / und wäre ein Plackschmeisser worden. Aber Nein / Nein! der Vater machts nicht allezeit / wieichs gerne haben wolte / warumb solt ich denn schuldig seyn / es zu halten / wie ers begehret? Ich gedencke mir noch mit der Zeit ein Weltberühmter General zu werden. Warlich der Degen fördert viel eher und höher / als die Feder und alle Bücher. Gehet trotzig ab.


Hier wird musiciret / und von den Morionibus etwas agiret.


Quelle:
Johann Sebastian Mitternacht: Dramen. Tübingen 1972, S. 25-29.
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