Scena IV.

[104] CHIRURGUS. Ihr wißt / redliche Kerls / was ihr mir drinnen in meiner Kammer vor einen theuren Eyd abgeleget / und wie hoch ihr euch versehwohren habet / keinem einigen Menschen / wer der auch sey / Zeit eures Lebens etwas von meinem Vorhaben und bevorstehender That zu eröfnen. Seyd ihr nun redliche Gemühter / wie ich euch dafür halte / so werdet ihr eurem Eyde treulichst nachkommen / und gäntzlich der Meynung seyn / daß / daferne diese That durch euch ausbrechen solte / ihr so wohl / als ich / euren Lohn und Marter zu empfangen habet.

BARBIRGESELL. Herr / er hat sich meinetwegen nicht im geringsten zu besorgen. Ich habe zwar ein Maul / es ist aber gewöhnet / daß es schweigen kan / wenn es schweigen soll.[104]

DER ANDERE GEHÜLFE. Habt ihr / Herr / noch einigen Zweifel gegen mich / so legt mir noch einen erschreklichern Eyd vor. Dañ will ich auch denselbigen ablegen.

DER DRITTE GEHÜLFE. Ich bin so verschwiegen in anvertrauten Heimlichkeiten / daß ich / als ich noch in die Schule gieng / und meine condiscipul / auf des Praeceptors hartes zureden verrahten solte / lieber eine gute Tracht Stösse / und endlich gar einen product außstunde / als daß ich aus der Schulen geschwatzet / und die redlichen Kerls verrahten hätte.

DER VIERTE GEHÜLFE. So wenig ein Klotz oder Stein etwas von diesem Handel ausklatschen wird; so wenig werde ich etwas davon austragen oder offenbahren. Geht ihr nur getrost dran / und trauet uns.

CHIRURGUS. Auff euer Eyd / und ietzt gegebene Parole will ichs endlich wagen. So gehet hin / und holet den Kerls her / sehet aber ja zu / daß ihr euch an sein Schreyen / bitten / und flehen nicht kehret.


Darauf gehen sie ab / und bringen Ariophilum.


ARIOPHILUS. Ach! um Gottes willen / schonet meiner! schonet meiner! Ich hab euch ja niemals etwas gethan.

BARBIRGESELL. Hier ist kein schonen zu hoffen fort / fort / mein Kerlat / fort.[105]

ARIOPHILUS. Was wollt ihr denn mit mir armen Soldaten machen?

DER ANDERE GEHÜLFE. Wir wollen dich schlachten.

ARIOPHILUS. Ich bin ie kein Schwein nicht.

DER DRITTE GEHÜLFE. Hast du nicht wohl ehe neben andern Soldaten gesungen:


Ein Soldat und ein Mast-Schwein

Sollen immer lustig seyn.

Denn sie wissen beyde nicht /

Wenn man ihnn den Hals absticht?


ARIOPHILUS. Das hab ich freylich wohl ehe gesungen.

DER VIERDTE GEHÜLFE. Drum soll ietzt erfullet werden / was du gesungen hast. Sperre dich nur nicht groß. Du kriegst sonst 14. Maulschellen nach einander / und eine zur Zugabe / daß die Mandel voll werde.

ARIOPHILUS. Ach! erbarmet euch doch! erbarmet euch doch um Gottes willen! erbarmet euch doch über mich junges Blut!

BARBIRSGESELL. Ich habe nie gewust / was erbarmen sey. Barmhertzig seyn / und einen Barbirer agiren / stallen nicht zusammen.[106]

ARIOPHILUS. Ihr werdet ja nicht Christenblut vergiessen.

DER ANDERE GEHÜLFE. Nicht Christenblut / sondern Soldatenblut wollen wir vergiessen.

ARIOPHILUS. Die Soldaten werden ja auch Christen seyn.

DER DRITTE GEHÜLFE. Hier ist nicht disputirens-sondern schlachtens-Zeit.

ARIOPHILUS. Ach schonet doch meiner Eltern.

DER VIERDTE. Was gehen uns deine Eltern an?

ARIOPHILUS. Lasset mich lebendig / und bringet mich nach Trient. Ich will euch 600. Kronen vor mein Leben geben.

CHIRURGUS. Was wechselt ihr viel Wort mit dem Soldaten? werffet ihn straks zu Boden. Haltet ihn fest an Händen und Füssen. Kniehet auf seine Schenkel und Arme / und halte ihm einer das Maul zu.

ARIOPHILUS. Ach mein Herr / ist dies das gute / das ihr mir zu thun versprochen habt? Ach vergeb euchs GOtt / daß ihr mich junges Blut so grausamlich aufopfern wollet. Was hab ich euch denn zuwieder gethan? worum dürstet denn so sehr nach meinem Blute?[107]

CHIRURGUS. Es antworte ihm nur niemand nicht.

ARIOPHILUS. Ach hertzliebster Vater! Ach hertzliebste Mutter! Ach hertzliebster Praeceptor! Ach was hab ich gethan? Jetzo denk ich erst an eure Worte / die ich zu unterschiedenen mahlen von euch gehöret habe. Ach daß ich doch nur so glükselig seyn solte / daß ich euch eine Abbitte thun könte! Ach hertzliebster Vater! Ach hertzliebste Mutter! Ach hertzliebster Praeceptor!

CHIRURGUS. Haltet dem Hunde das Maul zu.

ARIOPHILUS. Ach! ich bitte ums jüngsten Gerichts willen / wenn ihr mich ja umbs Leben bringen wollet / gönnet mir doch einen Priester / dem ich meine grossen Sünden beichten / und absolution von ihm erlangen könne.

CHIRURGUS. Bey dieser Sachen / die ich vorhabe / sind die Pfaffen nichts nütze. Sie verstehen sich auch nicht drauf. Wissen viel weniger davon / als der blinde von der Farbe.

ARIOPHILUS. Ach die Angst meines Hertzens ist groß! Ach schonet doch!

CHIRURGUS. Die Hertzens-angst soll dir bald benommen werden. Jetzo will ich gleich den ersten Schnitt in deine[108] Brust thun / und dir Raum zu deinem Hertzen machen.

ARIOPHILUS. O ihr Steine erbarmet euch meiner / weil sich die Menschen nicht erbarmen wollen! Gute Nacht hertzliebster Vater! gute Nacht / hertzliebste Mutter! Ach daß nur mein Bruder wissen solte / wie mirs ergangen: daß er euch desto fleissiger gehorchte.

CHIRURGUS. Seht doch / seht doch / wie sich das Hertz beweget.

BARBIRGESELL. Zappele nur nicht / du guter Kerl / wenn wir dein Hertz gnug besehen haben / wollen wir dich wieder gehen lassen / wo du hin wilst.


Ariophilus röchelt.


DER ANDERE GEHÜLFE. Soll ich ihm das Maul zu halten?

CHIRURGUS. Es ist unvonnöhten. Er wird nicht mehr schreyen. So hab ich auch schon gesehen / was ich so lange begehret. Nun will ich ihm das Hertze gar heraus nehmen.

Sehet / so siehet des Menschen Hertz aus. Aber kommt / kommt / wir müssen den Leib begraben / ehe dann es Tag wird.


Darauf pakken sie ihn an / und tragen ihn weg.


Quelle:
Johann Sebastian Mitternacht: Dramen. Tübingen 1972, S. 104-109.
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