[68] Indem ich mit vorigem Gesicht vmbgegangen vnd sonder zweiffel von dem Alten noch mehr erfahren hätte; kam plötzlich jemand an meine Thüre zupoldern vnd zubochen, alß ob er gelt brächte, daß ich also wider meinen willen erwachet vnd, wer es wäre? fragete. Der mir zur antwort gab, er wäre der Boschen vnd Forenberger Diener einer vnnd brächte mir Schreiben, darauß ich vernehmen wirde, wie ich meine Reyse also bald nach Angiers anstellen, vnd daselbst etliche zeit verharren sollte, als ich mit mehrerem auß gedachtem Schreiben verstanden.
Nach dem ich mich nun ermundert, doch nicht genug verwundern kundte, wie warhafftige dinge ich in solchem Gesicht gesehen, auch in betrachtung derselben, vnnd was ich die zeit hero zu Pariß in allen Ständen genau in obacht genommen, bei mir [Rand: Pariß] selbsten wol erachten kundte, daß, gleich wie in dieser Statt, einer gantzen Welt handel getrieben werde; Also auch Sünden für eine gantze Welt. Vnd gleich wie im Kriegswesen etliche Regimenter, Eines für zwey Fechten, aber auch für drey stehlen; also offt eine [Rand: Einer für drey] Statt, offt ein Mänsch für zwey bette, aber auch für drey fluche vnd sündige, für zwey Arbeite, für drey Esse.
Wiewol ich nun auß mangel solidioris doctrinae, hoher [Rand: Der Mänsch / weiß mehr / als er weiß] Geschicklichkeit, solches alles, so ich gesehen, in Schrifften eben nicht verfassen oder begreiffen konnte; so hatte ich doch von allen denselben dingen so vielerley wunderliche Einfälle vnd Erfahrenheit, daß ich einem Gelehrten Mann dings genug, ein großes Buch davon zu schreiben, hätte an hand geben können. Welches ich also biß zu seiner zeit beruhen lasse. Neque enim concipere [Rand: Petr. Arbit.] aut edere partum mens potest, nisi ingenti flumine literarum inundata.
Indessen aber, zu volge meines Brieffs, fuhr ich mit der Landkutsche nach Orleans, allwo bey dem Hl. Nicolaus in Undis ich zu Schiff gegangen, die Loire hienab, durch Blois, Amboise, Tours, Saulmur, auff pont de Se vnd Angiers gezogen, vnd da, bei Monsieur de la Mare Allain, à la rue Saint Lot den Winter vber verblieben; den angehenden Frühling aber zurück, durch La Fleche, in welcher Kirche vns die Herren Patres S.J. des Henrici IV. Hertz, Voycy le cœur du Roy qu`avez desiré il i a long temps gewiesen, vber zwerchs Feld, auff Bourges, Nivers, Moulins Paccaudiere, Rouane, S. Sophroni, Tarare mich nach Lyon begeben. Damit aber das vorgenommene nicht vbergangen werde: Als ich zu Moulins angelanget, wurde Nachts [Rand: Geschicht] vber Essen erzehlet, wie sich acht tage zuvor in der Nachbarschafft ein trauriger fall begeben hätte. Der verhielte sich also: Es wohneten zween vom Adel vnsern in einem Dorff, dessen eines Eltern vor wenig Monaten gestorben; dieser hatte Eine Schwester, welche dem andern vom Adel vor langem versprochen war, vnnd inner acht tagen ihr Hochzeitliches fest oder Beylager halten wolten. Es begab sich aber, daß der Hoffmann oder Meyer ihres Bruders der Jungfrauen etliche stimpffreden zum verdrieß außstiesse, welches sie ihrem liebsten in vertrauen klagte vnd vmb schützung vnnd rettung wider den groben Flögel bate: warauff er auch so bald, seine Hochzeitterin, wie des Lands brauch, auff den armen führend, dahin gunge vnnd den Hoffmann, nach geschehenem mündlichem verweiß, deßwegen mit einer Maulschelle abstraffete; der sich aber bald zu seinem Herrn, der Hochzeiterin Bruder, verfüget, den gewalt vnd empfangene husche neben miteinmischung vieler Lügen geklagt, vnd ihn vmb handhabung vnnd schutz angeruffen. Der Hochzeitter, vnwissend dessen, vermeynend seine Liebste gegen abend anheim zu begleiten, so bald er in den innern Hoff ihres Bruders tratte, kam ihm derselbe mit blossem Degen entgegen sprechend: daß er ihn nicht für seinen Schwager, sondern vor einen Bernhäuter vnd Couyon hielte, wo er sich seiner Haut nicht wehren wirde. Wiewol nun beydes die Schwester vnd ihr[71] Liebster die vrsach dieses Zorns fragten, auch umb vernünfftige freundliche Erläutterung vnd entschiedung baten; wolten gleichwol alle solche gute Wort nichts helffen; sondern der Zornwütige Bruder fuhre fort, mit verschwören, er die ihme zu schimpf vnd Spott seinem Hoffmann gegebene Maulschelle anderst nit als mit der Klinge widersetzen vnd rechen konte; Wo auch gegentheil sich nicht in die Wehr begeben, er ungeachtet dessen Ihm einen stoß zuversetzen nicht vnderlassen wollte; auch so bald auff ihn zutratte, welcher endlich ohne meynung einiger offension vnd auß Noth zur Wehr griffe, sich zu defendiren, zu schützen, vnd die stösse zu pariren vnd außzuschlagen angefangen. Weil aber der Bruder sich verschworen, anderst nit als durch Blut die versöhnung geschehen zu lassen, vnd vor Zorn brennend vnd wütend, als vnsinnig, dem anderen gerad in den Degen geloffen:
[Rand: Mart. lib. I. / Ep. 9.]
– strictosque incurrit in Enses
vnd nun vermerckte tödlich wund seyn, wie sehr der Hochzeitter sein Rappier zurück zoge, oder (wie die Duel-Narren reden) reculirte, jemehr der andere in die Kling hienein trange biß an das Creutz, damit er nur seinen gegenpart erreichen möchte, als dann auch geschahe, biß der Hochzeitter ebenermassen durchstochen worden, vnnd beyde darauff plötzlichen Todes hin gefallen. Was bekümmernuß die liebe Jungfrau dabey gehabt habe, indem sie ihren liebsten Hochzeitter durch vnd mit ihrem einignen Bruder zugleich verliehren müssen, ist vnschwer zu ermessen.
Ein greusal vnd schauder kam vns an, alle die wir solche schröckliche Geschicht höreten. Und weil ich bey etlichen bekandten, welche im Schloß zu Moulins in Kost waren, vierzehen tag zu verharren mich entschlossen, Eines morgens vor Tag, dieser Geschicht mit betrübnuß nach-sinnend, biß darüber ich vor vnmuth wider eingeschlaffen, war mir zu sinn, ob der Alte, dessen in vorigem Gesicht meldung geschehen, vor mir stunde, fragend, was ich abermahlen vber der Welt thorheit, insonderheit der Narren-Liebe, für eitele sorge vnd gedancken hätte? Was darffstu dich vber diese Geschichte, sprach Er, verwunderen? Wann die Liebe deß Hochzeitters nicht thöricht gewesen wäre, der Hoffmann hätte die Maulschelle nimmer bekommen, noch die zween Schwägere[72] darüber ihr leben einbüssen müssen. Narren-Lieb will gefochten haben. Hastu nicht in der Schule vor Jahren gelesen, was der Plautus sagt:
[Rand: in Cist.]
Amor ludificat. fugat. agit. oppetit.
Raptat. retinet. jactat. largitur. quod dat non dat. deludit.
modo quod suasit, dissuadet: quod dissuasit, id ostentat.
vnd widerumb:
[Rand: in Mercat.]
Amorem haec cuncta vitia sectari solent:
Cura. aegritudo. nimiaque elegantia.
Insomnia. aerumna. error. terror et fuga.
Ineptiae. stultitiaque. adeo et temeritas.
Incogitantia. excors immodestia.
Petulantia. cupiditas. et malevolentia.
Inhaeret etiam aviditas. desidia. injuria.
Inopia. contumelia. et dispendium.
Ich meyne Ja, dispendium Vitae, Fortunarum, Salutis, wie an diesen beyden Thoren zusehen.
Das ist auff Deutsch gesagt:
Das tolle Lieben ist im steten Tode leben:
Seyn ausser der gefahr, vnd doch in Nöthen schweben.
Quit aller Schlaverey, doch vnter Joch vnd Zwangk:
Gesund, vnd gar wol auff, nit desto minder krank.
Jetz groß, bald wider klein, nicht keiffen, dannach zanken.
Bestendig, ebenwohl stets hien vnd wider wanken.
Abwitzig vnd doch klug. Ein Mann vnd doch ein Kind.
Ein Herr vnd gleichwohl knecht. Mit hellen augen blind.
Dem Feinde brechen ab, vnd nimmermehr doch siegen.
Verspielen, doch alzeit die beste beute kriegen.
Seyn ohne wunden wund, sein sonder alter alt.
Jetz kalt, jetz wider heiß, bald heiß, bald wider kalt.
Entschnuret aller pein, vnd sich doch stets beklagen.
Vil schreyen, niemals doch ein einigs wörtlein sagen.[73]
Vnd was vor thöricht ding dem Lieben mehr kompt bey:
Das Ich vnd Du nicht weißt, wie es zu taüffen sey.
Worzu dienet dan das Lieben?
Lieben heist recht Närrisch seyn.
Der kan wenig Tugend üben,
So behafft mit liebespein;
Er muß fort vnd fort sich plagen,
Brennet in geplagter Hitz
Vnd beginnet aller Witz,
Aller Tugend abzusagen;
Endlich bringt er kaum zu lohn
Nur ein hand voll Lust davon.
Darauff nahme mich der Alte bey der hand, ich aber folgete [Rand: Narren-Aue] ihm; kamen also mit einander in eine schöne grüne Aue, welche wol tausentmal schöner als die, so der verlogene Amadis, Marquis d'Urfé, vnd andere in ihren Campis Elysiis erdichtet hatten. Dieses mit den allerwohlriechendsten Blumen vnd Kräutern gemahltes Felde war mit zweyen Wässerlein gezieret, deren das ein süsses, das ander bitteres geschmacks, welche am Ende der Auen zusammenflossen, vnd durch etliche gesträuß vnd steine daher rauschen kamen, daß die, so dabey vorvber oder spatzieren gungen, sich des Schlaffs schwerlich enthalten mochten. Ich meynete anderst nicht, als ob ich in Cypro in der Venus Garten wäre; deßwegen vmb mich sahe vnd fragte, ob nicht das Immenhauß daherum, da eine Imme den Monsieur Cupidon einesmals in den Finger gestochen, so dem Poeten Anacreon vrsach zu selbem sinnreichen lieblichen[74] gesang gegeben? welcher meiner Albaren vorwitzigen frage etliche, so da giengen, lacheten. War mir in dem fast wie jenem Schwaben, welcher, als er in Indien zoge, ersten sprungs auß dem Schiff, fragte: aun sagget, ist nit a guoat gsell voan Woablinga hiea?
Im fortgehen verlohr sich der Alte von mir, vnd kamen zwo Jungfrawen auß ein gesträuch Weiden von hinden auff mich zu, deren die eine mich bey der Hand herumb risse vnd sprach: Wißt ihr dann auch, wie es Cupido da ergangen? vnd ehe ich darauff antworten kundte, funge die andere an mit heller Stimme zu singen:
HIe auff dieser Liebes-Matt
Cupido vor dreyen Tagen,
Weil er nichts zu schaffen hatt,
Wolt sein Zelt vnd Läger schlagen,
Ach Cupidon kleiner schelm,
Wie machstu so grosse Wunden,
SO bald er ins grüne kam,
Hie dis vnd dort das wolt sehen,
Venus bey der Hand ihn nahm,
Doch wolt er nicht mit ihr gehen,
Ach Cupidon.
LUff fort für das Bienen-Hauß,
Wolt ein wenig Honig lecken,
Eine kroch zum Korb herauß
vnd flog nach dem jungen Gäcken,
Ach Cupidon.
CVpidon bald her, bald hin,
Hätt sich gern vor ihr verkrochen,
Aber die Bien stehts auff ihn,
Biß er von ihr war gestochen,
Ach Cupidon.
ALs er seinen Finger schaut,
Wie er armsdick auffgeloffen,
Fieng er an zu schreyen laut:
O weh, Mutter, ich bin troffen.
Ach Cupidon.
[75]
O Wehe, liebe Mutter, bald,
Ich muß an dem stich verderben,
O wehe, ich lauff in ein Wald
Vnd laß mich drin hungers sterben.
Ach Cupidon.
HElfft! vnd helfft ihr nicht geschwind,
So stürtz ich mich in ein Bronnen.
Wie bald ist ein armes Kind
Als ich in der hitz verbronnen?
Ach Cupidon.
RAach! ô liebste Mutter, Raach!
Ich werd noch verzweyffeln müssen!
Helfft! ich spring sonst in die Bach,
Oder will mich selbst erschiessen.
Ach Cupidon.
VEnus vor zorn nicht ein Wort.
Endlich nahm ein hand voll ruhten:
Wart ich will dich bringen fort,
Daß dir soll der Hinder bluhten.
Ach Cupidon.
HAb ich dirs nicht vor gesagt,
Du solt stupffens müssig gehen,
Wer nicht folgen will, der wagt;
Komm her, Laß den Finger sehen.
Ach Cupidon.
EY du vngerathner Sohn,
Dir ist eben recht geschehen,
Das ist dein verdienter Lohn,
Wilt nicht mit der Mutter gehen.
Ach Cupidon.
IN dem buckt sie ihn herum:
Halt ich will dich lehren blitzen.
Gß! Gß! noch einmahl so kum,
Dann will ich dich besser fitzen.
Ach Cupidon.
[76]
CVpido fuhl auff die Erd,
Ha! wie that ihn das vertriessen!
Vnd wie ein Zaumloses Pferd
Schlug umb sich mit Händ vnd füssen
Da Cupidon.
ACH mein, klag dich nicht so sehr,
sprach sie, vnd bald laß die bossen,
Denck, daß du wohl andre mehr
Vnverschuldter hast geschossen.
Ha Cupidon.
DEine Pfeil sind voller Gifft
Vnd gehn richtig zu dem Hertzen,
Was aber den Finger trifft,
Das ist nur ein Kinderschertzen.
Ha Cupidon.
THuts dir schon ein wenig weh,
Darffst dir drum nicht lassen bangen,
Eh du Dreymal Steh vnd Geh
sagst, so wird es seyn vergangen.
Ach Cupidon.
WEn die lose Vorwitz sticht
Und solch Leckerey will treiben,
Dem gerath es anderst nicht,
Drumb solst bey der Mutter bleiben!
Ach Cupidon kleiner Schelm,
Wie machst du so grosse Wunden!
Du Stupffer, Du Hauser,
Du Lecker, Du Lauser,
Du Schlecker, Du Mauser,
so soll es dir gehn,
recht ist dir geschehn,
so soll es dir gehn.
In dem also bey Endung dessen die zwo Jungfrauen verschwanden, stunde neben mir Ein Wald-Engel, wie sie von den Närrischen Poeten genant werden, deren in diesem Garten vielherumb fliegen, welche das Götzle Cupido, wann er irgend närrische sachen zu verüben willens ist, für seine Postboten gebrauchet; dieser Wald-Engel ward von gestalt als ein Waldgötz, doch etwas lieblicher anzusehen, vnd das er flügel hatte; der nun weisete mir den inneren Garten, so jennseit des Wassers lage, beneben vilen herrlichen Pallästen vnd Schlössern, auch andern wunderlichen Dingen, so ich hien vnd wieder im Gesträuch, in den Hecken vnd sonsten im schatten sahe fürgehen.
Es stunden aber die Gebäue dieses Schlauraffenlandes kunstreich vnd prächtig auff der Höhe und den Berg herab anzusehen, mit Griechischer vnd Wälscher Arbeit zierlich auffgeführet, mit herrlichen Capitalen, Säulen, Läuffen, Laubwerck, Schweb vnd Triumph-Bögen meisterlichen vmbgeben, mit erhobener Arbeit von Bildern, Grotten, Labyrinthen, Gemälden, Geschichten künstlich gezieret. Eingangs des Gartens folgende Reymen mit Güldinen Buchstaben [Rand: Narrenhauß] in schwartzem Marmor zu lesen:
Hie ist das berühmte Hauß,
Da die Venus-Narren schweben.
Thorheit ein! Die Witz hinauß!
Reu hernach; halb-todt im Leben!
[Rand: Nutz der / Liebe]
Die Steine der Gebäue von allerley farben gaben einen sonderbaren Lust, dieselbige zu beschauen. Das Thorgestell war nicht sonders weit, doch waren hie vnd da noch vil kleine thürlein vnd Schlupfflöcher, da eine mänge Volcks nach einander ein- vnd außschliche wie die Mäuse in die Löcher. Ein Weibsbild, von gestalt vnd wesen einer Nymphen gleich, versahe das Ampt des Thorwarters; diese war mit einem Güldinen stück, so mit Perlen vnd Edelgestein kostbarlichen versetzet, bekleidet. Von Lieb vnd Gestalt war sie die dapfferste, so ich je gesehen hatte. Von Gesicht war sie Engelisch anzuschauen. In Summa, wer sie nur ansahe, der wünschte, wie Pythagoras geglaubet, daß seine Seele in ein so Edles Geschöpf fahren möchte. Sie hatte den Schlüssel zu dem Thor in der Hand vnd schrye mir zu, Ich solte einsprechen! Ich fragte den Waldengel, wer doch dieses vortreffliche Bild wäre? vnd was sie vor einen Namen hätte? Der sagte mir, das sie Frau Schönetta heiße. Jedermann ward von ihr williglichen eingelassen. [Rand: Frau Schönet][79] Ich auch, wie ich von Natur etwas vorwitzig vnd gern alles wissen wolte, folgte ihr nach in den Hof hinein. Im fortgehen aber kunte ich mich so viel nicht zwingen, das ich nicht noch einmahl zuruck, nach dieser schönen Jungfrauen gegucket hätte, da ich dann von vngefehr vermercket nachfolgende Wort auff dem Band, so sie umb ihren Leib hatte, gestücket stehen:
Cervam. putat. esse. Minervam.
Ranam. putat. esse. Dianam
Was einer liebt, das dünckt in fein,
Ob es offt wüster als ein Schwein.
Ein mancher meynt, er hab ein Schatz,
So ist es nur ein faule Zatz.
Omnis amor caecus, non est Amor Arbiter aequus,
Nam deforme pecus judicat esse decus.
Vnd kam mir das Bild hinderwerts so schön nicht für, als mich anfangs gedaucht, oder ich mir muß eingebildet haben:
laeta venire Venus, tristis abire solet.
was derowegen diese obgesetzte Lateinische Wort bedeuten möchten, kan der Nachgrüblichte Leser ohne mich wol ergründen.
Im Garten gab es Gesellschafften allerhand:
die Jungfrauen luffen den Männern nach,
die Weiber den Junggesellen,
die Männer den Jungfrauen,
die Junggesellen den Weibern,
die Herren den Mägden, die Frauen den Knechten,
die Mägde den Herren, die Knechte den Frauen;
hie Spieleute, dort Däntze,
hie Fischen, dort Voglen,
hie Hätzen, dort Jagen,
hie Spielen, dort Baden,
hie Küssen, dort Lecken,
vnd waren die kleine Wald-Engelein mit Potschafft tragen so geschäfftig wie die Braut, wann sie will ins Bad gehen.[80]
Auch sahe ich den Berg hinauf viel hauffen Weiber vnnd Männer hin vnnd her spatzieren, welche ich mehrentheils, doch, weil sie in Geberden, Kleydung, Gesicht vnd Wesen verstellet, vnd [Rand: Wesen der /Verliebten] jetzt viel anderst waren, als sie zuvor gewesen, schwärlich erkennen konte. Sie sahen meist traurig, elendig, nachsinnend, bleich, gelb, mager, dürr auß!
[Rand: Owen / l. 2. Ep. 94.]
Pallor in ore sedet, macies in corpore toto.
Einer seufftzete, der andre kratzete, der dritte verwunderte sich, der vierdte schämete sich, der fünffte lachete, der sechste weynete, vnd so fortan.
[Rand: Owen l. / Sing. Ep. 145.]
Expressae tacitum lacrymae testantur Amorem:
Gignit Amor lacrymas, quis putet? ignis aquas.
Allerley Gespräch vnd antwort gab es da; aber von Treu [Rand: Buhler gespräch / vnd / Händel] vnd Glauben, von Forcht vnd Liebe gegen Gott, von Gehorsam gegen Eltern vnd Verwandten ward nichts geredet.
Die Bäslen thaten das beste bei den Vettern, die Vettern [Rand: Ulyssis gefärten] bei den Bäslen; die Mägde bei den Herren, die Knechte bei den Frauen; die Mägde wurden Weiber, vnd die Weiber wurden Mägde. Der Herr wurde Knecht, vnd der Knecht wurde Herr. Die Weiber wurden derer Freunde, welche ihrer Männer Freunde waren; die Männer wurden derer Gesellen, welche ihrer Weiber Gespielen waren etc. Dieses alles ich mit verwunderen vnd sonderbahrem doch schier unerdencklichem nachdencken betrachtet hatte.
Nechst sahe ich eine Person auff mich zukommen, vnerkannter [Rand: Eyffer] gestalt, dann sie weder recht ein Mann, noch gar ein Weib, sondern von beyder gestalt war anzuschauen. Diese gienge langs vnd breits, Creutzweise vnd vberzwerch vnder jetzt erzehlter mänge Volcks herumb. Ihre kleidung war kunstreich gewebet vnd gebildet, voller Augen vnd Ohren, als ob es alles natürlich gelebet hätte. Dem Ansehen nach war sie ein außbund von einem Arglistigen, Verschmitzten, Mißtreuen Mänschen. Weil ich nun vernahme, daß sie all diesem Volck zu befehlen hatte, sprach ich sie selbst an und ungeacht fragte wer sie wäre? vnnd was sie da machete? Auff welche beyde fragen sie mir also antwortete: Mein Name ist Jungfrau Trau-nit; vnd [Rand: Jungfrau / Träu-nit][81] weil ihr in diesen Ort komen seit, so soltet ihr mich doch billich kennen; auff daß aber euch an wahrem bericht nicht mangle, so wisset, das durch meine anstalt alle diese halb-thörichte Leute noch ungehaltener werden. Ich zwar nehme mich an, ob in ihrem betrübten zustand ich ihnen Mittel vnd linderung verschaffen wolte; aber im werck ist doch keines, bei deme ich nicht vbel ärger machete; mehrers könt ihr dißmahl von mir nicht erfahren. Dann ein wunder ist es, wann ich die Warheit rede, sonsten müste ich darunter selbsten erligen. Mein Thun vnd Wesen bestehet auf fund-griffen, Listen vnd vielen tausent Räncken; Aber der, so euch anfangs hierher geführt, wird euch die gelegenheit dieses Orts auf euer begeren ferner offenbahren können.
[Rand: Expertus / Robertus] In dem so sahe ich den Alten wider gegen mir kommen, derowegen bathe ich ihn, daß er mich in den negsten Pallast führen vnd die Zimmer weisen wolte, weil es nit fehlen wirde, sprach ich, daß ich nicht irgend einen der Narren, meiner Gesellen, antreffen vnd erkennen solte. Darauff sagte mir der Alte, wie die Cur aller dieser Krancken ihme allein anbefohlen, derohalben lang abzukommen ihm nicht müglich wäre; doch weisete er mir mit dem Finger die meiste, nach denen ich geforschet, vnd erlaubete mir, daß ich mit einem Wald-Engel selbst hin vnd her, wo ich wolte, in den Pallästen herumb spatziren vnnd alles beschauen möchte.
[Rand: Jungfrauen / wesen] Das Erste Zimmer darin ich kam, war der Jungfrauen. Dieses, viel mehr als andere mit hohen Mauren vnd eisern gegittern verwahret, als welche Leutlein wegen an- vnd eingebohrnem Vorwitz für allen anderen Mänschen zu hüten am gefährlichsten vnd mühesamsten; dannenhero auch an dieser Kranckheit sie am häfftigsten vnd hitzigsten darnider ligen. So bald ich hinein kam, war gleich ein Vnderhändler da, der fragte, Ob ich zu kauffen käme? vnd ehe ich antworten konte, war ein schöne Jungfrau bei ihm, deren er das Hembd abzoge, sie mir zu beschauen beyführte, vnd Ein Weibsbild mit einer Krone auff dem Haupt fragte mich, Ob ich nit lust hätte? dieweil diese Jungfrau mit den vier Leibszierden vor andern begabet wäre. Ich sahe bald vnder sich, legte die Finger auff die Nase vnd schämte mich wie ein armer hund; doch endlich fieng ich an, ein wenig zu gücklen vnd fragen, welche dann die vier Leibszierden einer Jungfrauen wären? die antwortete[82] mir: Mit der Schönheit Ein lieblich Gesicht, Starckhe Arme, harte Brüste, Gerade Schenckel. Ich aber verdeckte das Antlitz noch mehr vnd sahe durch die finger, deßwegen sie mich einen Schmäcker [Rand: Schmäcker] hiesse, der nicht das Hertz habe, daß er eine Jungfrau recht angreiffen dörffte. Eine sasse da vnd weinnte bitterlich, [Rand: Eyffer] wie ich vernahm, auß eitelem eyffer, den sie gegen eine Junge Wittfrau kurtzlich bekommen hatte. Eine andere war tag vnd nacht in stetiger vnruhe, ohne [Rand: Unrühig sein] Schlaffen, ohne trincken, dieweil sie einen lieb hatte, dem sie es doch (ach a lader) nicht dorffte offenbahren. Eine andere thate nichts als [Rand: Schreiben] Brieffe schreiben, welche ihr doch nimmer recht gefielen, sondern eben so viel außstrieche, als einschriebe. Eine andere stunde vor dem Spiegel vnd sahe, wie sie lachen, vnd im lachen mit zierlichen Geberden ihren Liebsten einnehmen möchte.
Eine andere deßgleichen, wie sie ihre Augen könnte regieren, [Rand: Blicken] bald hien vnd her kehren, funcklend vnd brennend machen, als ob Feuer im Ofen wäre, ihren Liebsten damit anzuzünden oder gar zu verbrennen. Eine andere fasse vnd asse Kohlen, Kreiden, Pflaster, Spannisch-wachs U.d. g damit sie die Lebhafte farbe vertreiben vnd hingegen ein bleiches Angesicht bekommen möchte, vnd diese war von Adelichem hohem Geschlecht vnd stammen. Eine andere, [Rand: Adeliche] richt gegen dieser über, hatte rothe lederne Nestel, mit denen sie die Backen ohne vnderlaß anstriche, vermeynend dadurch eine schöne [Rand: Bäurische] Lebhaffte farb im Angesicht zukriegen; vnd diese war eines Bürgers Tochter. Eine andere bate ihren Buhlen, daß er ihr Abends zu [Rand: Gassatim / gehen] gefallen gehen vnd Spielleute für die Fenster bringen wolte: dann sprach sie, ihn zubereden, wer recht liebet der liebet offentlich,[83] daß es jederman erfahren mag; falsche gefährliche Liebe scheuet das Liecht vnd die Mänschen. Eine andre sprach zu ihrem Serviteur, (dann wer Liebet, der ist ein Diener, Ein Knecht, Ein [Rand: Allein mein, / oder laß gar / sein] Schlave) daß sie ihn lieben wolle mit dem beding, wan er sich mit keiner andern in ein gespräch einliesse, dann das könte sie nicht leiden; vnd der thörichte Gesell sprach, Ja, er wolte es thun; vnd die närrische Jungfrau glaubte, er wirde es thun. Andere giengen, ob sie tieffgrüblichten sachen nachzusinnen hätten, vnder andern diese Wort darunder redend: ich möcht doch wissen, ich möcht doch wissen; vnd diese nennet man die Vorwitzige, welche den meisten schaden vnd theurung under den Jungfrauen verursachen. Andere wolten sich verheyrathen, damit sie der Liebe desto freyer pflegen möchten. Andere wolten sich verheyrathen, aber mit einem Jungen Witman, als welcher schon abgericht und abgeführet, und mit ihm besser außzukommen wäre dann mit den hartnäckigten Jungen Gesellen. Andere warffen ihre Buhlenbriefflein zum Fenster hinab, ihrem Buhlen durch die bestelte Leuthe zu vberlifferen. Andere hatten ihre Brieffe vnder der Thüre heimlich durchgestossen etc.
Vnd diese alle waren schier vnheylsam, theils auch so häfftig angefochten, daß man sie für gantz unvernünftig vnd bestien halten muste.
In betrachtung dessen allen dachte ich, zeit zu sein, mich von dannen zu begeben, weil mir der Alte im vorübergehen in ein Ohr sagte, daß manchmahlen ein gut Gesell bey solchem Völcklein viel zu kurtz käme; und wann es offt am besten gerathe, er dannoch sein Lebtag ein Leibeigner schlave seyn vnd deßwegen mit ewiger reue, ohne Hoffnung einiger Erlösung als allein durch den Todt, also gemartert bleiben müsse. Dann unmüglich wäre es, einen Mänschen auß den banden deß Ehestands zu erlösen, daß ers muß lassen anstehen ewiglich; seye also ein böser Heyrath ärger als der Türck selbsten, von dem man doch endtlich erlöst zu werden noch könne hoffnung haben. Zu verhütung nun, daß nicht irgend eine [Rand: Frauen-Zimmers / Einbildungen] von mir ursach nehmen möchte, Ihro einzubilden, als ob ich in sie verliebet, wie offt laider geschicht, gienge ich auß diesem Zimmer hinweg.
Vnd kam in einen grossen Hof, allda durch viel Werckleutte ein runder Thurn vier Stock-werck hoch aufgeführet ward; vnd[84] alß ich an die Thür kame, stunden volgende Verse darüber eingehauen:
Nicht lieben, ist nicht Leben.
Ein schönes Junges Weib ohne Lieb,
Ein großer Jahrmarck ohne Dieb,
Ein alter Wuchrer ohne Guth,
Ein Junger Mann ohn freud vnd muth,
Ein alte scheuer ohne mäus,
Ein alter Beltz ohn Flöh vnd Läus,
Ein alter Geisbock ohne Bart
Ist alles wider seine art.
in dem vndersten Stock-werk sahe ich einen Kerle allein in tiefsinnigen gedancken; was er redete, das waren Jungfrauen, was er traumete, das waren Jungfrauen, was er asse, das waren Jungfrauen, was er schribe, das waren Jungfrauen, was er Lase, das waren Jungfrauen, was er sahe, das waren Jungfrauen; vnd wär keine geysse so übel geschleyert, deren er nicht zu respect vnd ehren den Hut abzoge vnd eine tieffe Bückung erzeigte; vnd doch[85] dorffte er nicht einer offenbahren, daß er jemahlen an sie gedacht hätte; mehr will ich von diesem nicht sagen.
In dem andern Stock-werck saßen etliche ädele Jungfrauen, züchtig vnd zierlich, also daß man an ihnen einigen tadel nit wuste, nur daß sie nicht heyrathen wolten, es wäre dan ein geborner von Alt-Adelichem Stamen, inwendig vber dieser Thüre stunden volgende wort eingehauen: Baser ists byn Buren dy thyr uff, as bym adel zu thun. Baser ists, Schultz syn byn Buren, as Bittel byn Junckern. In das dritte Stock-werck sollen die Neue à la mode Jungfrauen hart einbeschlossen vnd gesetzt werden auß ursachen, weil sie die Natur umbkehren und verkehren wollen. Dise haben grosse Brüste, daß sie darfür kaum auf die Erde sehen können, und preiß- oder brustbändel von 30 biß in 50 Ehlen, wann man aber nach dem Kern greiffen wolte, so waren die Brustdücher mit rund gethrätem Holtz vnderzogen, oder doch dergestalt mit Hirse-Sprewern gefüttert, das man mit den lehren Fläschen gantz betrogen ward. Ihnen wird von ihrem Auffwarter zur warnung angesagt, sie sollen diese trügerei bleiben lassen, damit sie jungen Gesellen nicht ursach geben, auf höltzine Hosen zu gedäncken.
Im vierten und obersten Stockwerck sollen die jenige Eheweiber Vogel-Käffigs-weise eingesetzt und beschlossen werden, welche närrischer seind dann alle Jungfrawen, die nur höltzine und sprewerne Dütten haben. Die jenige Weiber, die den Männern, wann sie schlaffen [Rand: Häusliche] oder getruncken haben, vber den Hosen-Sack gehen, den Schlüssel zum Thresur, zu dem Kasten, zu dem Gewölb nehmen vnd den Säckel Credentzen, damit sie viel Närrischen und Manns-verderbischen Haußrath kauffen, Gimpel-Weiber bezahlen, oder heimliche außlagen, so auff Meister und Gesellen gehen, auff Brieffträger, Wurtzkrämer und Apotecker verwendet werden, abrichten mögen. Es sind die rechte Mansverderberinnen, die man in redlichen Gesellschafften weder leiden noch dulden solte, alß die ihren Ehemännern die Seele quälen, das Handwerck verstimpeln, das Gewerb und die Handthierung verderben, und alles, was sie erdappen und erschnappen[86] können, an vberflüssigen, vnnützen, nichtswerthigen, losen, leichtfertigen, bärnhäuterischen, abenthäurlichen, lächerlichen, närrischen, fantastischen, grillischen, barmhertzigen, zauberischen vnd wider die Natur selbst streitenden Hausrath hencken; als da sind zinnine Kehrbürsten, zinnine Kehrwische, zinnine Krätzerlein, zinnine Liechtbutzen, zinnine Blaßbälge, zinnine Offengablen, zinnine Bratspisse, zinnine Küchelgäbelein, zinnine Feuerstecken, zinnine Herdkesselein; vnd in Summa zinnine Holen, zinnine Klufften, zinnine Brandreiten, zinnine Herde, zinnines Holtz, und zinnines Feuer machen lassen. Welches alles dem Lauff der Natur und der Eigenschafft eines Dings selbsten zuwider da muß erligen und verderben, und der arme Mann es im Säckel, im Gewerb und im Credit ermanglen und sampt den Kindern darüber zu scheutern und zu schanden gehen. Vnd hörte ich eine starcke Stimme eines Rufers vff der Gassen: Haußrath wolfeil, Haußrath wolfeil! vff der Becker-stuba!
Ich gung den Thurn herab und hienauß, den Venusberg hinauff und kam zu einer Kappellen, uff Türckische manir gebauwen, darinnen dieser Krancken Herrgötz Cupidon vnd seine Mutter auf einem Herrlichen Zeltenbett beysammen sassen; sie sahen mächtig schläfferig auß, das Gemach war allenthalben wol versperret und mit vielen brennenden Wachsliechtern inwendig beleuchtet, welche doch bald nach meiner Ankunfft außgelöschet worden, neben einer Stimm, so ich hörete,
Im duncklen ist gut muncklen.
Weil mir aber solches verdächtig vorkame, und allein bey ihnen nit getrauen wolte, in betrachtung, quod cum
In coelo solem semper comitatur euntem,
In Terra lucem cur fugit ergo Venus?
kam der Alte zu gutem glück daher: darumb er dann etwas vnwillig die Liechter widerumb anzünden hiesse und mich bei der Hand von dannen führete, damit ich von dem Beuttelschneiderischen gesindlein weg käme, sagte mir dabey diese Wort: [87] [Rand: Carol. Scriban. / Adol. / Prodig. p. 18.] Hic Venus et Cupido nova sceleribus inventa Numina: quasi peccare tuto liceat praeeuntibus Diis.
Vana ista demens animus ascivit sibi,
Venerisque nomen finxit atque arcus Dei
quo liberius per scelera juventus iret, cum Deos haberet monitores, authores, Duces.
[Rand: Owen l. / sing Ep. 237.]
Odit somnus iners, odit Venus improba lucem:
Est animi somnus Mors animaeque Venus.
ô Behüte Gott, sprach ich
[Rand: ibid. ep. 257.]
Cogitis in quantos hominum genus omne furores,
Tu Venus ô mulier, tuque ô Cupide puer!
[Rand: Ehweiber / Wesen / Küssen] Gieng also fort und in ein anderes Gebäw, darinn die Eheweiber beysammen waren. Etliche vnter ihnen küsseten ihre Männer, nicht zwar auß Liebe, sondern die gute Narren damit zu bethören. Vultum enim [Rand: Petr. Arbit.] quae permutat, fraudem quaerit non satisfactionem. Etliche wurden von ihren Männern Tag vnnd Nacht verhütet vnd außgespähet, die ihnen allenthalben auf dem Fuß folgeten, [Rand: Mißtreue] damit sie nicht irgend eine Thorheit begiengen.
Aber der Alte sagte mir: es ist vergebens, Flöhe in einem Korb hüten; Es ist eine verlohrne Arbeit, wann man muß Wasser in Bronnen tragen.
[88]
[Rand: Owen l. / sing. Ep. 257.]
Frustra observatur Conjux: ea sola maritum,
Quae, quamvis possit fallere, nolit, amat.
Unter welchen Weibern gleichwol sich etliche selig preiseten, wan sie, vmb fremder Liebe willen, dieses und ein mehreres außstehen und leiden musten.
[Rand: Id. lib 1. / Ep. 93.]
Cur Venus illicitum sequitur Vulcania Martem?
Vulcanus licita claudicat in Venere.
Andere nahmen sich an, Bittfahrt an ein Ort zu verrichten, ichtwas vmb Gottes willen zu geben, in die Kirche zu gehen, [Rand: Gottesförchtige] in Saurbrunnen zu reysen, ein Krancken zu besuchen, eine Kindbetterin anzusprechen: Ach mein hertzlieber Mann, da und da muß ich Ehre und Gewissens oder meiner Gesundheit wegen hin, indessen bleib du daheim, hab gut sorg zum Hauß, Guck auch zum Kind! Aber im Werck ward es vmb anderer vrsachen willen angesehen; dem heimlichen Buhlen einen Narrengang zugefallen zuthun, auff dem Plain-palais, à Lancy, à la belle Cour, en l'Isle, au pré [Rand: Venus Wallfahrten] aux Clercs, à St. Clou, à Charenton, au prè des Allemans, au Saussy, auff den Schießrein, in die Ruprechts-Au, nach St. Argobast, nach Keyl, nach Illkirch, nach Schilckheim, nach Bischheim und Hönheim zu spatzieren, im grünen Schiff die Ill hinauff in das grüne gras und nach St. Oßwald zu fahren. In dem der arme Mann mit beiden Händen arbeiten, hacken und roden muste,[89] daß ihm der bittere schweiß vber das Gesicht abrane. Andere giengen in das Bad; warumb? darumb, daß sie sich wolten schräpfen [Rand: Badegäste] lassen. Aber zu höchstem ihrem mißfallen hat man vor kurtzem löblich verordnet, daß die Mannsleute, denen zu Ehren offt dergleichen Badgelt spendieret worden, in andere Zimmer zu baden sollen angewiesen werden. Vnd derowegen nicht ohne vrsach ist, daß diese arme Weibriger jetzund so Maulhenckolisch da in Gedancken ligen und so traurig dasitzen, als wolten sie den Banck [Rand: Kätzerische] durchschwitzen. Andere sahe ich offt und fleissig zur Beicht gehen, damit sie in guten wercken desto mehr vnderwiesen wirden; und dise waren gleichwol nit gut Katholisch, sondern sie kamen mir etwas kätzerisch vor, als die auff den Ablaß nicht viel halten. Etliche, die doch selbs nie viel zu essen hatten, hielten ihren Kindern praeceptores zu Hause; warumb? darumb daß sie desto gelehrter und informirter werden möchten. Etliche waren darauff auß, wie [Rand: Krüge brechen] sie Krüge brechen könten, auß ursach, weil ihre Männer Häfen brachen.
[90]
[Rand: Mart. l. 12. / Ep. 58.]
Ancillariolum tua te vocat Uxor, et ipsa
Lecticariola est. Estis, Alauda, pares.
Etliche trachteten, wie sie sich an ihren Männern rechen [Rand: Rachgierige.] möchten nach dem Sprichwort, Es hab ein Weib keine grössere frewde, als wann sie sich an ihrem Mann rechen könne. Etliche vnder ihnen waren Mürrisch, weil zu gebürender Zeit der Mann [Rand: Maulhenkolisch] nit daheimen, Andre eben darumb, weil der Mann auff vngebührende Zeit zu Hause war. Etliche, wann sie der Mann erzörnet oder in etwas wenigs ihrem zimperlichen willen und wolgefallen zuwider gethan, waren so vngehalten, daß Er selbige Nacht nicht zu ihro in das Bette dorffte wie zudäpisch er sich auch in Worten vnd Wercken gegen sie erzeigete; der arme Narr muste auf der Banck schlaffen, muste die gantze Nacht durch das Kind wiegen, muste der Gnadfrawen daß Trinckgeschirr darbieten, mit vndersichtigem, tief seuffzendem Gehorsam auffwarten, mit grosser Ehrerbietung das trinckgeschirr von der Frawen wider empfangen, die Haube in Händen tragen und erwarten, was ihm in ein und anderen mehr für Befehl auffgetragen werden wolte. Vnder diesen allen gleichwol waren diejenige Weiber nicht zu finden, deren Männer im Krieg, auff der Reyse, in der Messe, auf den Jahrmärcken und sonst verhindert worden, oder so, die ihrige zu ernehren, als dieser arme Bott Tag und Nacht, ja Jahr und Tag, herumb lauffen musten; dann dieselbige sich die zeit vber als Jungfrawen verhielten, biß die Männer wider nach Hause kamen, da sie doch alle drey viertel Jahr ihr Kind ohne fehl in der Wiege fanden und das Geschrey ohne Wolle hören musten.
[91]
[Rand: Martial l. 8. / Ep. 31.]
Nescio quid de te non belle, Dento, fateris,
Conjuge qui ducta jura paterna petis.
Sed jam supplicibus dominum lassare libellis
desine et in patriam servus ab Urbe redi.
Nam dum tu longe deserta uxore, diuque
tres quaeris Natos, quattuor invenies.
[Rand: Witfrawen / und Männer / Wesen] In einem andern Zimmer nahe bei diesem waren die Ehrsame, Erbare, Betagte Männer und Witfrawen, welche an Witz und Erfahrenheit den andern weit vorzusetzen. Sie stelleten sich [Rand: Gravitätische] alle gar gravitätisch, züchtig und still, kunten nicht leiden, daß junge Leutlein ein Wort reden oder nur lachen solten; und wo sie nur sahen, daß zwey miteinander sprach hielten oder einander ansahen, so war es bei ihnen gewisser Schluß und musten die zwey gehuret haben. Dann keiner sieht einen andern hindern dem Ofen, der nicht zuvor daselbst gewesen, und hatten sie ebenwol bei ihrem alter noch mancherlei Zufälle und Anfechtungen, so daß man ihre Thorheit unschwer vermercken kundte und die gravität nicht lang blatz fande.
Nimirum sapiunt videntque magnam
Matronae quoque fistulam libenter.
[Rand: Mart. Ep. / 11. 17.]
Erubuit posuitque meum Lucretia librum
Sed coram Bruto. Brute recede, leget.
[Rand: Liebe von / Hertzen] Eine sahe ich, die weynete mit ihrem rechten Aug vmb ihren verstorbenen Mann, und mit dem lincken Aug gab sie ihrem Buhlen einen freundlichen Blick von Hertzen; eben wie die Frantzosen, wann sie einem die lincke Hand geben, sagen C'est la main du coeur. Es seye die Hand von Hertzen, und die Liebe sey auff der lincken seiten viel stärcker als auff der rechten. Eine andere sahe ich in der hohen Traur gehen, nit aus Hertzenleid, sondern wegen der Gewohnheit und wegen der Zeit. Viel andere, ohne [Rand: aur trachten] äusserliche Traur vnd Schleyer, giengen in den Gemach auff vnd ab, welche dem ansehen nach Fromme auffrichtige Matronen waren; wie ich aber hernach vernahme, waren es Mameluckinen und die keinen Glauben hatten, auch niemand keinen Glauben hielten.[92] Andere wetteten mit einander, welcher der Schleyer, Sturtz, Flur, Traur, besser anstehen solte; diese, da sie in solcher Tracht leid tragen solten, trugen sich so zierlich, so zimperlich, so pintlich, so [Rand: Püntliche] musterlich, daß man ihre hochzeitliche Gedancken leichtlich mercken konte.
In einem andern Zimmer sahe ich etliche hauffen Weibsvolck ohne vnderscheid Alters oder Standts vnder einander herumber gehen. Vnder diesen waren etliche alte erlebte Müteren, so sich [Rand: Alte / Närrinnen] doch in Kleidung, in Geberden vnd in ihrem gantzen Wesen den jungen Mägdlein gleich hielten, damit sie den Männern gleichwol die Gedancken beunruhigen möchten.
Hinwiederum sahe ich etliche junge Mägdlein sich dapffer [Rand: Junge Mägdlein / Junge Gafflen] dummlen, sich der Zeit und Gelegenheit frisch gebrauchen und sich eylen, damit sie nicht zu spath kämen, weil sie doch im Alter darben müsten nach dem, was dort geschrieben stehet:
[Rand: Owen l. 1. / Ep. 27.]
Utere temporibus praesentibus utere rebus:
Tempus erit nullum quum tibi tempus erit.
Grammaticus de praeterito dicatque futuro:
Tempore praesenti, dum licet, utar ego.
Viel waren vnder ihnen, welche schöne vergülte Bücher trugen, [Rand: Handbüchlein.] andere gantz schwartz mit Corduan vberzogen, so ich dem ansehen nach für horas sacras, sacras Litanias, Rosengärtlein, Catechismus, Jesus Syrach, Psalter, Habermann, Paradeißgärtlein, Andachten, Wasserquelle, Wahres Christenthumb, Vbung der Gottseligkeit, Selb-betrug etc. achtete; Als aber ich sie ein wenig auffthate, vnd das innere besahe, so waren es der Amadiß, Schäfferey, Rollwagen, Gartengesellschafft, Schimpff vnd Ernst, Eulenspiegel, König Löw, Melusina, Ritter Pontus, Herr Tristram, Peter mit den silbernen Schlüßlen, Albertus Magnus, Hebammenbuch, Traumbuch, Zirckelbuch, Loßbüchlein, Rätzelbuch, und viel dergleichen mehr.
Andere damit sie schamhafft erscheineten, verpflasterten das [Rand: Ein Pflästerlein / für das / lose Zanwehe] Gesicht hie vnd da mit schwartz Daffeten Schandflecken, deren sie sich doch selbst nit schämeten.[93]
In Summa tausenderley Fantaestereyen wären zu erzehlen, die der Hirnhabende Leser zu seiner zeit ohne meine anweisung vernünftig wird mercken und von sich selbsten verstehen können.
In einem kleinen gärtlein nähst an diesem Gebäu sahe ich etliche als in einem Pferch eingeschlossen, gewesene Jungfrauen und Junggesellen, die sich gleichwol nicht dunckten Säue zu seyn. Mir ward gesaget, diese Jungegesellen wollten nit ehe heyrathen, sie konten dann ein gebornes Fräule oder eine geborne von Adel haben, diese gewesenen Jungfrauen aber wolten nicht ehe heyrathen, sie könten dann einen gebornen Herren, oder einen vom Adel [Rand: Auß seinem / Stand heyrathen] haben. Der Alte berichtete mich hierauff und sprach: Ach der thörichten Leute, die auß ihrem Stand und vber ihr Herkommen und vermögen heyrathen wollen.
Meynen die Närrische Junggesellen, wan sie irgend eine vngerathene von Adel erdappen, daß sie drumb vnder dem wahrn Adel geliebt, geehret vnd geschwägert werden mögen? Ach wie manchen Thoren hat dergleichen heyrath sein Leben gekostet. Vnd meynen die thörichten Jungfrawen, weil ihnen ein gebohrner Herr oder ein Juncker seine Liebe vnd Dienste angebotten, daß ihm darumb Ernst seye? Es ist nit umb heyrathens willen, daß dergleichen sachen vorgehen. Manche hat ihr Ehrenkräntzlein verlohren durch einen der höher war gebohren; Aber warumb sind die Mägdlein solche Thoren? warumb verstopffen sie nicht ihre Ohren? So blieben sie unvexiret und blieb das Kräntzlein unverlohren. Gewiß ist es,
Liebstu jemand in höhrem Stand,
so hastu warlich kein Verstand.
[Rand: Du Bellay / aux ieux / rustiques]
Suspecte est l'amour des Princes;
Et de ces amours de Court,
Souvant le bruit qui en court
Fait la fable des provinces.
Qui ayme plus grand que soy
Luy mesme se donne la loy.
[Rand: Fromme / Weiber] Weil mir aber vnder diesem thörichten Gesindlein die Zeit auch fast lang ward, begab ich mich von dannen in ein ander Zimmer, darin die Geistliche Weibsleute wohneten, welche sonst ein stilles und eingezogenes Leben und Wandel führeten. Aber ich befande im außkehren, daß sie mit dieser thörichten Kranckheit[94] nicht minder angefochten und darnider ligen als die vorige alle, und ob sie schon ihrer täglichen häußlichen Arbeit wohl abwarten, doch bißweilen eine unvermerckte stund komme, in deren sie eine zimmliche thorheit begehen; sind sonsten allen denjenigen feind, die dem Buhlwerck nachhangen, reden tröstlich von Gottes Wort und der lieben Erbarkeit, werden derowegen nicht so enge gehalten wie die andern, sondern haben Erlaubnuß, hin zu spatzieren, wo sie gern wollen. Im Außgang vber dieser Thüre innwendig stunden diese Worte
Casta. Est. Quam. Nemo. Rogavit.
In diesem Zimmer fragte ich den Alten abermahl, woher doch eigentlichen die Hauptursach dieser Kranckheiten und so schwerlicher fällen aller herrühren möchte? Mein Sohn, sprach er,
Allein der Müssiggang
Ist des Buhlens Anfang.
[Rand: Ovidius]
Quaeritur, Aegistus quare sit factus adulter?
In promptu causa est, desidiosus erat.
Wo Ceres nicht sitzet,
Wo Bacchus nicht hitzet,
Do Venus nicht schwitzet.
Wo Herr Müssiggang ist, da ist Fraw Kitzel gern. Nascitur [Rand: Müßiggangs / Würckung] ex otio lascivia humana. Wann Dina spatzieren gehet, so ist es umb ihre Ehre geschehen. Deme aber vorzukommen.
[Rand: Owen / Monost. 5.]
Qui vult virgineum caelebs servare pudorem,
otia devitet femineosque choros.
Otia si tollas, periere Cupidinis arcus.
Wie er nun, der Alte, vorter gienge, sahe ich noch in diesem [Rand: Leichtsinnige] Zimmer etliche Niderländische oder Holländische, die sich nennten auß Flandern, weil sie einen gaben umb den andern:
[Rand: Owen l. 1. / Ep. 68.]
Nulla fides Veneri, levis est, interque planetas
ponitur, haud intra sydera fixa Venus.
[95]
Diese thaten nichts als Wechselbrieffe hin und her schicken, und war ihr traffique oder Gewerb so groß als der Fugger von Augspurg vnd Höffischer Gesellschaff immer seyn mag.
[Rand: Owen lib. 1. / Ep. 17.]
Solarem muliebris amor non durat in annum
Phyllidis: Instabilem Phyllida luna regit.
Menstrua mente solet Phyllis, non corpore tantum
Quovis mense pati: menstruus hujus amor.
Ein Lieb und nicht mehr
wär allen Frauen wohl ein Ehr.
Sie wollens aber nicht verstahn,
Ihr etliche wolln zween, auch drey han.
Etliche liebeten nur die jenigen, von welchen sie doch nicht geliebet wurden; und von welchen sie geliebet wurden, die liebten sie nicht.
[Rand: Des Accords]
D'oú vient qu'une Dame legere
Prise tousiours la Loyauté
Qu'elle prise en la maniere
qu'un aueugle fait la clarté:
ainsi que plusieurs font grand cas
de belles choses qu'ils n'ont pas.
In Summa summa, es waren die Zustände so viel und gefährlich, daß der Artzt an der Hülff und Heylung schier zweiflen wolte.
[Rand: Expertae / Robertae] Auß diesem Zimmer kam ich widerumb in ein anders, darinn die jenige Weiber waren, welche den ledigen Standt gelobet hatten; und diese waren nicht so toll wie die vorige, weil sie sonst an allen Orten Mittel fanden, ihrer Kranckheit Linderung zu schaffen. [Rand: Schnapp-hanen] Etliche vnder ihnen waren den Schnap-hane gleich, als welche manchem Ehrlichen Mann das seinige abnahmen und einem Bettler gaben. Zwar ist es ein Werck der Barmhertzigkeit, die Nackede kleiden; aber es ist auch ein Werck der Vnbarmhertzigkeit, einen bekleideten außziehen. Da sihest du, sprach der Alte, die böse Gewohnheit vntrewer Weiber, die von nichts als Trew zusagen wissen und doch so gar wenig Trew und Glauben halten; die lose Lust und gelüste leichtfertiger Weiber, welche sich offt ehe an einem kathigen Kärchelzieher, Kornwerffer, Beckenknecht, Metzger,[96] Schiffmann oder anderen groben Bengel vergaffen als an ihren eigenen Ehemännern, denen sie ehe alles abtragen, ehe sie den Gespahnen einen mangel leiden liessen, und dißfalls wahr sein muß: quod – pauper ubique jacet. [Rand: Owen lib.]
Ein grober Flögel
Schlägt offt sechs Kögel,
Da sonst ein ehrlich Bider-Mann
Nicht wol ein Kögel treffen kan.
Jener arme Poet, der von der Königin Elisabet ein steur bate, und sie aus erbärmde sagte: Pauper ubique jacet, der Arme muß allenthalben ligen; gab ihro alsbald diese vernünfftige Antwort:
In thalamis Regina tuis hac nocte cubarem,
Si foret hoc verum: pauper ubique jacet.
Nun jetzt, Gott lob, bin ich aufs höchst gestigen,
Vnd, wie ich hör', auß aller Noth errett,
Dann, wann der Arm muß allenthalben liegen,
So schlaff ich heunt in meiner Köngin Bett.
Etliche waren vber die massen [Rand: Ich wär es /gern] thöricht, wußten doch nicht warumb; Allein auß vrsachen, daß etwan ein Poet in seinen Reymen ihre Schönheit gelobet, ihre Haar in güldine Fäden oder Sonnenstrahlen, ihre Zähne in Helffenbein und Perlen, ihren Mund und Leffzen in Korall, ihren gantzen Leib in Edelgestein und Bisam verwandelt hatte. Eine sahe ich mit einem Sterngucker sprach halten, damit er ihr ein Thema, ihre Genesin, ihren Horoscopum ihre Nativitet (so die Weiber Antifitet nennen; jene meynete, es wäre das Erste Buch Moysis) stellen, und[97] [Rand: Im Huren / Hauß] weisen solte, in welchem Hauß sie gebohren? und was Glücks sie in der Welt? was vor einen Mann, wie viel Kinder zuhoffen hätte? und wie baldt? Eine andere sahe ich mit einer Zügeinerin oder [Rand: Abergläubische] Zauberin sprachen, welcher sie die Hände und den Hinderen weysen mußte; diese war so mitleidig und Barmhertzig, daß, wo sie einem die Liebe hätte zu fressen geben können, sie keinen Kosten wirde gespahret haben. O wie viel sahe ich derer, wann sie ihre entlehnte Haare, ihre geflickte Schönheit, ihre gekauffte gestalt hätten wider umb geben sollen, es ihnen viel lächerlicher alß deß Aesopus Krähen mit den entlehnten Federn wirde ergangen haben.
Ich schüttelte den Kopff, und mit lächelndem mund vber alle diese Thorheit gieng ich von dannen und kam in ein anders grosses Gebäw, so von dem vorigen mit einem kleinen Durchgang [Rand: Manns / Personen] vnderscheiden, in welchem die Mannspersonen ihre Wohnung und auffenthalt hatten.
[Rand: Weiber / Narren] Die Erste wurden genennet Weiber-Narren, deren Kranckheit einig und allein daher kame, daß sie stehts hinden und vornen umb und an den Weibern seyn wolten; und wer ihnen von der Cur nur redete, der war bei ihnen angefeindet und gehasset; meyneten also die gute Männer, es wäre ein opus meritorium (ein seeligmachender Verdienst) wo sie in solcher Thorheit solten das Leben lassen; und ob sie schon die Ursach und den Ursprung ihres übels, wie jener gute Bruder, mercken und wissen, wolten sie doch nicht geholffen haben. Derowegen sie auch umb ihrer vortrefflichen Dienste willen die Kapp mit vier Schellen zu zieren, macht hatten, da andere nur zwo tragen dörffen.
[Rand: Knappe / Hansen] O wie manchen guten Schlucker hab ich alda gesehen, der, wann vor diesem eine neue Narren-mode (tracht) kaum auffkommen, seinem Schatz, seiner maistresse, seiner Dame zu gefallen, alles darauf spendiret hatte, doch sonst mit guten Zähnen daheim vbel essen, oder auß Andacht gar fasten müssen!
[98]
[Rand: Martial l. 3. / Ep. 12.]
Res falsa est, bene olere et esurire.
qui non caenat et ungitur, Fabulle,
hic vere mihi mortuus videtur.
Was sind das für Narren-bossen?
Sprach zu mir ein Edelmann,
Den ich noch wol nennen kan,
Wann ich trüg verbrämte Hosen
vnd solt doch nicht haben Brodt,
besser wär es, morgen todt.
Lieber halt ichs mit den Bauren,
Die sich fressen voll die Haut
mit dürr Fleisch vnd Sauer-kraut,
Wissen nicht von noth noch trauren,
Frippen zu dem Kalb die Kuh,
tragen doch geblätzte Schuh.
Summa, wann nur hat der Magen,
soll man keinen mangel klagen.
Wie manchen grossen Monsieur hab ich allda funden, der vor diesem mit hunderten den Spiel-Leuten, Kupplerinnen, und [Rand: Narrethey / kostet mehr / als Witz] Zuckerbeckern darbezahlet, damit er seinem Liebsten Engelein, scilicet, ein Ständerlein, einen Dantz, einen Abendtrunck geben, bestellen und aufftragen mögen; welcher doch an jetzo gern vmb ein Mittag-Essen die Hosen versetzet vnd verpfändet hätte.
[Rand: Martial l. 2. / Ep. 57.]
Hic, quem videtis gressibus vagis lentum,
Amethistinatus media qui secat septa;
quem non lacernis Publius meus vincit,
Non ipse Codrus, alpha penulatorum:
Quem grex togatus sequitur et capillatus;
Recensque sella linteisque lorisque:
Oppigneravit ad modo Claudii mensam
Vix octo nummis annulum, unde caenaret.
Wie viel waren da, die nicht wol das Brod im Hause hatten, welche dannoch die tentation oder vielmehr die titillation und der Kützel vexirete.
[99] [Rand: Eisenbeisser.] In einem Eck allein, gleichwol in eben diesem Saal, sahe ich etliche schwartze wüste Tropffen, mit langen schmutzigen Haaren, deren ein theil grosse Knöbel-Bärt hatten, damit sie einem Kind hätten die Augen außstechen können; gleichwol bei ihnen auch andere gantz ohne Bart, wie die alte Huren; diese ins gesamt bildeten sich ein, daß sie die schöneste, wolgestalteste, lieblichste, [Rand: Wüste /Tropffen] freundlichste Kerls auff Erden wären. Der eine trug eine grosse gekräusete perrucque oder gemachtes falsches Haar, oder Zopff, oder Locken; der ander striche den Knöbel-Bart; der dritte trillete den Bart wie jener Kapitän seine drey Soldaten; der vierdte hatte gar kein Bart, darumb wischete er nur das maul; jener prangte mit seinen weissen weichen Händen; dieser mit seinen kleinen Füssen. Vnd bey aller solcher Einbildung war doch in warheit ein jeder heßlicher, gräßlicher und vngeschaffener als der wüste vnflätige Thersites bey dem blinden Homerus selbsten, welcher war
[Rand: Iliad. β]
– αἴσχιστος δὲ ἀνὴρ –
φολκὸς ἔην, χωλὸς δ᾽ἕτερον πόδα τὼ δέ οῖ ὤμω
κυρτὼ, ἐπὶ στῆϑος συνοχωκότε αὐτὰρ ὕπερϑεν
φοξὸς ἔην κεφαλήν, ψεδνὴ δ᾽ ἐπενήνοϑε λάχνη.
Turpissimus autem vir,
Strabo erat, claudus autem altero pede et ipsius humeri
Curvi, et in pectus contracti, et desuper
Acutus erat capite, rara autem percurrebat lanugo.
oder wie sie der Edele Enge-Länder beschreibet:
[Rand: Owen l. 2. / Ep. 87.]
Dicis amore tui bellas ardere puellas
Qui faciem sub aqua, Phoebe, natantis habes.
Diese wüste Tropffen solten sich ja hüten, daß sie ihre eingebildete Schönheit bey dem Frauenzimmer nicht rühmeten; als welche von Natur nicht leiden können, daß irgend jemand schöner sein wolle als sie selbsten.
[Rand: Frantzosen art] Dort gab sich einer für einen Kriegshelden auß, für einen Rauffer, Kämpffer und Fechter, der vber die massen mit dem großen Messer auffschneiden, von anders nichts als grossen Streichen, tieffen Wunden, von Vestung einnehmen und Mauern besteigen[100] reden konte; da doch der arme Hund wissen solte, das weibliche Geschlecht seye von Natur forchtsam, und daß sie erzittern, und sich verkriechen möchten, sobald sie eines Degens ansichtig werden. Da gienge einer Nachts zeit, umb seiner Maistresse Wohnung [Rand: Runde thun] die Ronde zu thun, kam doch eben so ein grosser Narr wider nach Hauß, als er zuvor außgegangen. Andere, indem sie nur etliche Exempel der tollen Liebe erzehlen höreten, wurden also bald so grosse Narren als die vorige alle. Dieser lieff den gantzen [Rand: Läuffer] Sontag durch alle Gassen, ob er irgend eine Küchenmagd antreffen möchte, dann bey ihnen heisset es wie bei Aubelin, Bovem putat esse Iovem, oder viel mehr Asinam cupit esse Amasiam; ein Zatz sein Schatz. Jener klagte, daß er mit aller seiner freundlichkeit und beständigkeit keine Jungfraw, oder Weib erwerben, dieser aber hingegen, daß er seines Weibs müde, und doch nicht loß werden könte.
[Rand: Owen l. / sing. Ep. 163.]
Uxorem quod non habeat cruciatur Alanus
Uxorem quod habes, Pontiliane, doles.
Jener lieff von Hauß zu Hauß, von Eck zu Eck wie ein [Rand: Schneicker] Stein auff dem Brettspiel, und kunte doch mit aller mühe und arbeit keine Dame zu wegen bringen. Dieser klagte sich, was er für ungemach außstehen müste, da doch nichts an war; ein andrer, der viel vnzehlich Kummer außstunde, wolt oder dörffte es gleichwol niemand klagen. Mit welchen insonderheit ich ein grosses mitleiden hatte, und ihnen offt gerathen, daß sie von solcher Thorheit abkehren wolten. Aber der Alte sprach zu mir: Laß sie [Rand: Narren / lassen sich / nicht wehren] gehen, Narren ist weder zu rathen noch zu helffen, es seye dann, daß man ihnen mit Kolben lause.
Es waren auch hochtrabende Gesellen da zu finden, welche [Rand: Hoffertige] manch ehrlich Mägdlein nicht minderes Stands als sie selbst gleichwol verachteten und höher hienauß wolten, dan sie fliegen konten oder ihnen die Federn gewachsen waren. Wie dann in den vorigen [Rand: Weiber stoltzer / Sinn] Zimmern ich vnder dem Weibsvolck dergleichen Fälle auch gesehen, indem sie offt einen guten ehrlichen Gesellen, so zwar ihrem Stande gemäß oder noch besser sein möchte, gleichwol verachtet, außgestümpffet vnd verlachet, ohne deren hülff sie doch nimmer[101] hätten mögen Ehlig-seelig werden. Auch sah ich etliche gantz-Eselgrawhärige Junge Gesellen, von welchen gesaget wurde, Ob sie sich selbsten nicht recht trauen solten. Diese leben ohne Ehliche Weiber auß Forcht, sie in der spesa nit bastant und in der [Rand: Alte Junggesellen] Außgab zu kurtz kommen möchten; derowegen sie sich in ihrem Hauß-wesen mit Kuchen- und Stall-Mägden, mit Keller- Speicher- Disch- Stühl-Bänck- Stegen- und Kammermägden, welchen sie den Lohn geben, behelffen. Warumb? Darumb, daß sie ihnen HAußhalten sollen: H enim non est litera, sed aspirationis Nota. Solche junge Gesellen hab ich jederweilen den bösen Schuldnern verglichen, welcher weise ist, daß sie an manchem Ort spendiren, da es gantz nit von nöthen; und wenn sie ihre eigene Leute bezahlen sollen, alsdann kein Geld mehr in Säckel haben.
Nun so Freyt, Ihr Jung Gesellen,
Die ihr lebet ausser Ehe,
Sonst, wann ihr alt freyen wöllen,
So gehts an mit Ach und Weh.
Alt-Jung-Gsellen die spendiren,
Da sichs offt nicht will gebühren;
Wann die Braut dann kommet her,
So sind alle Säckel lehr.
[Rand: Martialis / l. 12. Ep. 20.]
Quare non habeat, Fabulle, quaeris
Uxorem Themison? habet Sororem.
Quirinalis redet eygentlicher davon:
[Rand: Idem lib. 1. / Ep. 85.]
Uxorem habendam non putat Quirinalis
Quo possit istud more? – Ancillas.
Ein mancher Tropff
kratzt sich im Kopff,
wann er nur hört von Weibern sagen,
will an sich selbst und Gott verzagen.
Ein Mann ohne Weib
ist halb ohne Leib.
Ein schlechter spaß, allein herummer stutzen,
Was wolt der Mann,
Der sich nicht kan
selbst rathen recht, dem Vaterland doch nutzen?
[102]
Die Ehemänner sahe ich da mit Ketten und Banden umbgeben, [Rand: Ehemänner] in welchen sie offtmal mehr vnsinniger waren als die Narren alle. Dann etliche verachteten ihre eigene Weiber, liebeten und [Rand: Frembde / Weiber] lobten allein, was andre Weiber thaten. Andere meyneten, daß durch sauer sehen und stetiges balgen sie ihre Weiber zum Gehorsam [Rand: Gehorsam / haben] bringen wolten. Aber diese sahe ich auch sehr betrogen, dann endlich auß wilden Löwen, und reissenden Wölffen gedultige Schäfflein und Lämer-Matzen worden.
[Rand: Owen l. / sing. Ep. 12.]
Imperet ipsa nihil, quidvis tamen impetret Uxor;
Utere nec serva Conjuge, nec domina.
Andre liebten ihrer Weiber Gespielen. Andere spieleten mit anderen Weiberen.
[Rand: Owen l. 1. / Ep. 91.]
Totus es Uxoris, non solus, Cotta, Camillae:
Sola tua est, at non tota Camilla tua est.
Witwer, als erfahrene, waren schwerlich zu betriegen, und [Rand: Witwer / auch Närrisch] gleichwol sahe man deren, die mit allen vieren in den Treck fielen, ob sie schon mit sonderm bedacht und vorbedacht die sach anzugreiffen vermeynten. Diese waren allenthalben wie Hanß umb und umb daheim; wo sie liebten, da waren sie willkommen, und die hinder Thür stund ihnen offen; von welchen sie aber geliebet wurden, deren achteten sie eben nicht so sehr; und daß sich zu verwunderen ist, so waren sie rechte Narren, wie wol sie vor der Welt die witzigsten sein wolten.
Etlicher sehr alter erlebter Herren wurde ich da gewahr, [Rand: Alter Männ / Heyrath] denen die Weiber nicht wol einen guten Blick geben mochten; vnd wie freundlich sich dieselbige auch stelleten, doch wenig dancks damit verdienen konten. Sie waren eben übel empfangen, sie kamen her, wo sie wolten und wann sie wolten. Als ich im vorüber gehen dessen ursach von dem Alten erforschete, gab er mir zur Antwort.
[Rand: Owen l. 1. / Ep. 108.]
Uxorem si forte senex vis ducere? Doctam
Vulcani Cuculi consule Grammaticam:
Illic invenies indeclinabile Cornu.
Hunc scopulum pauci praeteriere Senes.
[103]
Die Weiber haben, sprach er, auch philosophiret, aber auff die philologiam, das unseelige Critisiren, Grüblen in Worten, geben sie nicht ein tüttel, nicht ein dudenierel.
[Rand: Des Accords / aux touches]
Un Vieillard desia tout cassé
prit à femme une jeune fille:
qu'il nommoit par façon gentille
Le temps Present, luy le Passé.
Mais aprez qu'il se fut lassé,
La femme dit, le temps me dure,
Que le Passé n'est tres passé,
pour trouver la saison Future.
Die Wercke werden von ihnen erfordert
Res, non Verba, petunt Nuptae, non Nomina: Da Res,
gratius est, quam si Carmina mille dares.
[Rand: Musicanten] Etliche Musicanten und Lautenschläger sahe man da, deren Vorsatz war, die Jungfrauen mit ihrem tyrelyren zugewinnen und bethören; wie dann bei vielen auch geschehen, die bethöret worden.
Die Poeten vermeyneten mit Verß-machen nicht ein minderes [Rand: Poeten] zu verdienen; aber wann sie hofften, ihre Vena hätte das beste gethan, so sprach die Jungfraw: Ach Herr, es sind nur Vana. Mancher erzehlete dem anderen seine heimlichkeit, der es her nach [Rand: Heimlichkeit / klagen] im Hertzen lachete, vnd es ihm zu nutz machete. Mancher machte ein opus Aeneidos vber ein Kuchenfenster, da seine Liebste (Viehmagd) [Rand: Opus Aeneidos / vber ein / Küchenfenster] herauß gesehen und sonst wol nicht ein Hund hin geschmackt hätte. Einer wolte mit seinen Reymen die Nacht beschwören, daß sie ihm mit dem Gestirne der Liebsten Thüre und Kammer weisen solte. Ein andrer trug den Sack voll Briefflein mit allerhand [Rand: Brieff-Narren] farben von Seide, Silber und güldinen Fäden vmbbunden vnd mit Pfeilen, Köchern, Hertzen, Flammen etc versiegelt vnd verzüglet. Andere trugen Armbande, Hutschnüre und Zöpffe, [Rand: Haarband] vermeynend von ihrer Maistresse Haaren, welche doch vielleicht von einer Außsätzigen, oder gar von einem Küheschwantz waren wie jener Barbier zu Anspach.
In einem sonders darzu gemachten Häußlein, als wie ein[104] Zuchthäusel, sassen zween ansehnliche Kerls, gleichwol mit Ketten als vnsinnige angeschmidet; und als ich hienzu gienge, zu hören was ihne gebristen thäte? war es nichts als seufftzen, klagen, wünschen: O daß ich! ô wann ich! ô hätte ich! ô wan ich so seelig wäre, sprach der eine, daß ich in einen Floh verwandelt wirde und nur auffs wenigste in meiner Liebsten Kammer dörffte herumber hupffen! wie ein viel seeligers Geschöpff ist doch ein Floh vor mir, der so viel und grossen Gewalt hat, und ich darff nicht wol dahien schmäcken. Ey so schmacke! sprach ich, daß du deine Ehre verschmackest. Der muß ja wol ein grill sein, der sich auch solche thorheit wünschet. Der ander, noch Närrischer, wünschete sich glückselig zu seyn, wann er das brett [Rand: Wüste liebe] auff dem heimlichen gemach wäre, damit er seiner Liebsten je zu zeiten möchte einen kuß geben, scilicet. Mit diesem tropffen hatte ich besonders mitleiden und ihm zu mehrer Freundschafft gewünschet, daß er nicht nur das Brett, sondern auch das heimliche Gemach selbsten wäre, und daß ihm seine Liebste zu bezeugung recht-innerlicher Leibes-Liebe gar in das Maul thun möchte. Wiewol ich sicher glaube, der Narr hätte es für einen besondern Schleck und Fressen wie die Leschaggen mit grosser Ehrerbietung gern angenommen.
Etliche gaben vmb einen armen Kuß sich williglichen in ein [Rand: Theure Küsse] sclafische Dienstbarkeit. Andere wolten sich nicht küssen lassen vmb alle affection und Liebe, so man ihnen schwure. Einer liebte heimlich und im Sinn, wie die arme Juden wucheren; ein anderer [Rand: Heimliche / Liebe / Vielerley Ursachen /deß / Liebens] offentlich und ohne schew, es wäre dann, daß man es nicht mercken wolte. Mancher liebte vmbsonst, mancher vmb den Lohn, mancher gab noch Lohn darzu; und diese waren die Liebsten, dieweil ja durch Spanische Dublunen eine Vestung ehe kan gewonnen werden als durch die Cronen der Frantzosen.
[Rand: Owenus]
Mittendi fidos ad Amantes sunt Adamantes,
Solo Adamante polit durum Adamanta faber.
Mancher verliebte sich vmb nichts. Mancher vmb das Gelt, als wie dieser vnbärtige Monsieur auß trieb der Göttin Dubluna oder Diaboluna, ein wüstes altes Thier vmb einen Sack voll[105] Dublunen zur Ehe nahme, und doch hernach von ihr nit anders als ein Esel geacht und gehalten wurde; welches dann aller derer verdienter lohn ist, die mehr auff vnerlaubtes Leid als vff erlaubte fröligkeit ihr absehen haben; die da vermeynen, alte Weiber zu erben, und müssen hernach vor ihnen sterben.
[Rand: Martialis / lib. 10. 8.]
Nubere Paulla cupit nobis; ego ducere Paullam
Nolo, anus est; vellem, si magis esset anus.
Mancher verliebte sich gar vmb Leib und Seel darneben.
Wie ich nun diese letztere Thoren genugsam besehen hatte und in das obere Schloß, der Venus Kunstkammer genant, gehen wolte, sprach der Alte zu mir, ich könte jetzt da nicht eingelassen werden, müßte solches versparen biß auff ein andermal, dann ich der Narrheit schon viel zu viel erfahren. Darumb führte er mich zu rück in den ersten Hoff, da ich eingangs gewesen, darin ich [Rand: Narren wolfeil] nachmahlen mein Wunder sahe. Ich sah, wie sich die Zahl der Narren[106] alle Augenblick mehrete. Ich sahe die Zeit, durch deren Hülffe [Rand: Zeit die beste / Arzney / Eyffer ohne / Ursachen] etliche genesen waren. Ich sahe den Eyffer gegen die jenige, so es am wenigsten bißweilen verschuldet hatten. Ich sahe die Gedächtnuß der alten Liebe und Wunden. Ich sahe den Verstand in [Rand: Alte Liebe / Verstand im / Käffig / Blinde Vernunft] einem finsteren lässig eingeschlossen und gefangen. Ich sahe die Vernunfft mit blinden Augen und anders mehr, darüber mir das Gesicht vergienge.
Endlich merckete ich ein kleines Thürlein, so enge, daß schwerlich [Rand: Lohn der / Narren] hienauß zu kommen; bevorab weil Vndanck und Vntreu allda allein den Paß gaben; da ich dann mich, so viel müglich, eilet und davon machete.
In dem eben einer meiner Anfangs gemelten Freunde, bey denen ich etliche Tag zu verharren mich entschlossen hatte, mir dem Vmbhang vom Bett zoge, darüber ich erwachete und merckete, daß es heller Tag ward. Wie ich mich nun ermundert, umb mich sahe und in meinem Bett befande, verdroß es mich nicht wenig, das in diesem Narren-Hauß ich mich so lang auffgehalten. Doch war ich zufrieden, in dem ich nun wuste, daß auch andere und größere Narren da gewesen, als ich bin, und in der That erfahren, daß Mänschen-Liebe nichts anders seye als eine Liebliche pure Narrethey.
[Rand: Hohmburg]
Ein Feuer sonder Feuer, ein lebendiger Todt,
Ein Zorn, doch ohne Gall, ein angenehme Noth,
Ein Klagen ausser Angst, ein vberwundner Sieg,
Ein vnbehertzter Muht, ein Frewdenvoller Krieg;
Ein Feder-leichtes Joch, ein nimmerkranckes Leid,
Ein zweiffelhaffter Trost und süsse Bitterkeit,
Ein unverhofftes Gifft und kluge Narrethey,
Ja kürtzlich: Lieben ist nur blosse Phantasey.
[Rand: Owen l. sing. / Ep. 129.]
Est amor in nobis, in lignis ut latet ignis;
Ignis uti lignum, nos levis urit amor.
Ligna sed in cineres vanescunt, Ignis in auras.
Nos Cinis et noster quid nisi fumus Amor?
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[Rand: Hohmburg]
1. Was ist Lieben?
Sich betrüben,
Sich stets widmen krancker Pein.
O wie weise
Der, so leise
Gehet und mag sicher sein.
2. Lieb' erwecket
Lust und schmecket
Anfangs einem jeden gut.
Bald sich wendet,
Kurtzweil endet,
Martert, daß es wehe thut.
3. Amor, Spötter
Aller Götter,
Amor, aller Schalckheit voll,
Ohne Wunden
Geht verbunden,
Nur daß man ihn klagen soll.
4. Liebes Feuer
Hat noch heuer,
Sonst auch, thränend Augen bracht.
Bald gegeben
Dem das Leben,
Diesen kranck und todt gemacht.
5. Drum ist Lieben
Nur Betrüben
Götter-, Mänschen-Narrethey,
Mann muß lachen
Ob den Sachen,
Ob der klugen Phantasey.
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