[125] Jerta schreibt. Kolbert steht wartend im Saal. Kerzen brennen. Es herrscht tiefe Stille, und man hört die Wanduhr Eilf schlagen.
JERTA ohne sich zu unterbrechen.
Ist der Graf zur Ruh?
KOLBERT.
Noch nicht;
Doch verließ der gnäd'ge Herr
Auch sein Zimmer noch nicht wieder.
JERTA.
Ihr war't bei ihm?[125]
KOLBERT.
Ja.
JERTA.
Er hat
Nicht mit euch gesprochen?
KOLBERT.
Mit sich selbst scheint er zu reden,
Oder – wenn ich's sagen darf-
Mit dem Bild, das vor ihm steht,
Und das ich noch nie gesehen.
JERTA scheinbar gleichgültig.
Kümmert euch nicht um den Inhalt
Seiner Selbstgespräche; er
Ist nicht wohl.
KOLBERT.
So muß ich glauben.
JERTA.
Seine Ohnmacht von vorhin
Hat ihn heftig angegriffen;
Dazu kommt –
Sie sieht Kolbert an.
Ihr waret stets[126]
Uns'res Hauses treuer Diener,
Euch mag ich's wohl sagen: Er
Hält sich für die Ursach eines
Unfalls, der den Freund getödtet,
Dessen Bild ihr habt gesehen.
KOLBERT lebhafter, als vorhin.
So etwas war ich vermuthen,
Denn –
JERTA unterbricht ihn eben so.
So müßt ihr alles deuten,
Was ihr etwa hört und seht. –
Diener, die zu seines Zustand's
Räthsel nicht den Schlüssel haben,
Taugen, bis er ruhig ist,
Nicht um ihn. – Versteht ihr mich?
KOLBERT.
Niemand naht ihm, außer mir.
JERTA den Brief faltend.
Recht! Und nun besorgt, daß gleich
Angespannt ein Schlitten werde.
KOLBERT.
Wohl.[127]
JERTA.
Den Sekretär bedeutet,
Daß auf meinem Zimmer er
Seinen Auftrag wird empfangen.
Ich erwart' ihn, ausgerüstet,
Auf der Stelle abzurufen
Nach der Hauptstadt. Sagt ihm das!
Kolbert geht ab.
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