Sechsundfünfzigste Erzählung.

[366] Ein Franziskanermönch verheirathet betrügerischer Weise einen anderen Mönch mit einer schönen jungen Dame, und beide werden dann wegen dieses Verbrechens bestraft.


Eine französische Edelfrau reiste einmal durch Padua, wo ihr erzählt wurde, daß in dem bischöflichen Gefängniß ein Franziskaner gefangen sitze. Da jeder nur mit Spott davon sprach, fragte sie nach der Ursache und erfuhr, daß dieser Mönch, ein schon älterer Mann, der Beichtvater einer sehr ehrbaren und frommen Wittwe gewesen war, welche nur eine einzige Tochter hatte, die sie so sehr liebte, daß sie sich alle mögliche Mühe gab, um Reichthümer für sie zusammenzuscharren und eine gute Parthie für sie zu suchen. Als nun ihre Tochter heranwuchs, ging ihre ganze Sorge dahin, einen Mann zu finden, mit dem sie beide in Frieden und Eintracht leben könnten, d.h. also einen gewissenhaften, ehrbaren Mann, welche Tugenden sie selbst besaß. Da sie nun einmal einen dummen Prediger hatte sagen hören, es sei besser, einmal Schlechtes zu thun, wenn nur die Schriftgelehrten es riethen, als Gutes gegen und ohne die Eingebung des heiligen Geistes zu thun, wandte sie sich an ihren Beichtvater, einen schon bejahrten Mann, der Doktor der Theologie war und nach der Ansicht der ganzen Welt einen reinen Lebenswandel führte, indem sie sich überzeugt hielt, daß sie nicht verfehlen könne, durch seinen Rath und seine Fürbitten Ruhe für sich und ihre Tochter zu finden. Nachdem sie ihn nun viel gebeten hatte, für ihre Tochter einen Mann zu wählen, wie eine Gott und ihre Ehre liebende Frau sich ihn wünschen müsse, antwortete er, daß man zuerst die Gnade des heiligen Geistes durch Gebete und Fasten herveirufen müsse; dann, wenn, wie er flehe, Gott seinen Verstand leite, hoffe er zu finden, was sie suche. Dann ging der Mönch fort, um über die Sache weiter reiflich nachzudenken. Da er nun gehört hatte, daß die Dame 500 Dukaten zusammengelegt hatte, die der Mann ihrer Tochter gleich erhalten sollte, und daß sie den Unterhalt der beiden übernähme und ihnen Wohnung, Möbel und Aussteuer geben würde, überlegte er, daß er einen jungen, schöngewachsenen Kollegen von angenehmem Gesicht hatte, dem er das[367] schöne Mädchen, das Haus und die Möbel und den zugesicherten Lebensunterhalt geben könne, während die 500 Dukaten ihm zufielen, damit sein Kollege nicht unter der Last erliege. Die beiden wurden denn auch handelseinig. Er ging nun zu der Dame und sagte zu ihr: »Ich glaube, Gott hat mir, wie er es mit Tobias that, seinen Erzengel Raphael geschickt, um einen vollkommenen Gatten für Eure Tochter zu finden, denn ich versichere Euch, ich habe den ehrbarsten Edelmann Italiens an der Hand, der Eure Tochter manchmal gesehen hat und so verliebt in sie ist, daß heute, als ich in der Predigt war, Gott ihn mir schickte und er mir erklärte, wie gern er diese Heirath möchte. Da ich nun seine Familie und seine Eltern kenne und weiß, daß er von anständigem Lebenswandel ist, habe ich ihm versprochen, mit Euch davon zu reden. Ein einziger Nachtheil ist mit seiner Person verbunden, den ich allein kenne. Er wollte einmal einem seiner Freunde beispringen, den ein anderer tödten wollte, und zog den Degen, um sie zu trennen. Der Zufall wollte es aber, das sein Freund den andern tödtete. Er mußte nun aus der Stadt fliehen, da er bei dem Mord gegenwärtig gewesen war, und auf Anrathen seiner Verwandten hat er sich hierher zurückgezogen und wird hier bleiben, bis seine Angehörigen seine Angelegenheit ins Reine gebracht haben werden, was, wie er hofft, in Kürze geschehen wird. Deshalb müßte auch die Ehe ganz im Geheimen geschlossen werden, und Ihr müßtet zufrieden sein, daß er tagsüber in die Vorlesungen geht und erst abends zum Essen zu Euch kommt und die Nacht über hier bleibt.« Sofort antwortete die einfältige Alte: »Ich finde in dem, was Ihr mir sagt, einen großen Vortheil, denn so werde ich wenigstens das, was ich am meisten auf der Welt liebe, bei mir behalten.« Der Mönch bereitete alles vor und brachte seinen Genossen an; dieser hatte ein sehr schönes Wams aus dunkelrother Seide an, was den Damen sehr gefiel. Sobald er gekommen war, verlobten sie sich, und als es Mitternacht schlug, ließen sie eine Messe sagen und hielten Hochzeit. Dann begaben sie sich zu Bett; er blieb bis Tagesanbruch, wo er dann seiner Frau sagte, daß er, um nicht erkannt zu werden, jetzt nach der Universität gehen müsse. Nachdem er sein Wams von Seide und seinen langen Mantel umgenommen und seine schwarze Perücke aufgesetzt[368] hatte, empfahl er sich bei seiner Frau, die noch zu Bett lag, und versicherte sie, daß er jeden Abend zur Essenszeit zu ihr kommen werde, daß sie ihn aber zum Mittagessen nicht erwarten solle. Mit diesen Worten verließ er seine Frau, die sich für die glücklichste der Welt schätzte, einen so trefflichen Mann gefunden zu haben. So ging der junge verheirathete Mönch zu seinem älteren Bruder und brachte ihm die 500 Dukaten, die im Heirathsvertrag festgesetzt worden waren. Zum Abendessen kehrte er wieder zu derjenigen zurück, die ihn für ihren Mann hielt, und unterhielt sich mit ihr und seiner Schwiegermutter so gut, daß sie ihn nicht mit dem mächtigsten Prinzen der Erde vertauscht hätten. Dieses Leben ging eine ganze Weile so fort. Da aber Gott in seiner Güte mit denjenigen Mitleid hat, die, an seine Gnade und Güte glaubend, getäuscht worden sind, begab es sich eines Morgens, daß die Dame und ihre Tochter in ihrer Frömmigkeit auf den Gedanken kamen, die Messe in der Kirche des heiligen Franziskus zu hören und ihren Beichtvater zu besuchen der anscheinend so gut für sie gesorgt und sie mit einem Schwiegersohn und Gatten versehen hatte. Zufällig fanden sie ihren Beichtvater nicht und auch keinen andern Bekannten; sie gaben sich also zufrieden, die Messe zu hören, die gerade begann, wartend, daß er vielleicht noch käme. Die junge Frau folgte dem Gottesdienst andächtig und aufmerksam; als der Priester sich umwandte, um den Segen zu ertheilen, gerieth sie aber in nicht geringes Erstaunen, denn er schien ihr Mann oder ein ihm sehr ähnlicher Mensch zu sein. Sie sagte aber vorläufig noch nichts, sondern wartete, bis er sich noch einmal umwandte; dann sah sie ihn sich genau an und zweifelte nicht, daß er es war. Sie zog ihre Mutter, die ganz vertieft war, am Rockärmel und sagte: »O weh, meine Mutter, was sehe ich da?« Diese fragte: »Was denn?« »Mein Mann liest da die Messe, oder ein Mensch, der ihm zum Verwechseln ähnlich ist.« Die Mutter, die jenen nicht ordentlich angesehen hatte, sagte: »Ich bitte Dich, meine Tochter, sei doch nicht so thöricht; es ist ja ganz unmöglich, daß so fromme Leute einen solchen Betrug begehen könnten. Du würdest Dich nur an Gott versündigen, einen solchen Gedanken zu haben.« Dennoch ließ die Mutter nicht ab, nun auch genau hinzusehen, und als er[369] an das: Ite, missa est kam, mußte auch sie sich sagen, daß niemals zwei Brüder sich ähnlicher sehen könnten. Sie war aber so einfältig, daß sie willig gesagt hätte: »Mein Gott, bewahre mich davor, zu glauben, was meine Augen da sehen.« Da die Sache aber ihrer Tochter so nahe anging, wollte sie sie nicht unerforscht lassen und beschloß, der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Als nun die Abendzeit herankam, wo der Mann, der sie nicht bemerkt hatte, sich gewöhnlich einstellte, sagte die Mutter zu ihrer Tochter: »Wenn Du bereit bist, werden wir heut Nacht die Wahrheit wegen Deines Mannes herausbekommen. Sobald er im Bett ist, werde ich herzutreten, und ohne daß er es sich versieht, wirst Du ihm von hinten die Perücke fortreißen; dann wollen wir sehen, ob er auch tonsurirt ist, wie der in der Messe.« So geschah es auch; kaum hatte sich der trügerische Gatte ins Bett gelegt, kam die alte Dame, und indem sie ihn wie im Scherz an seinen beiden Händen festhielt, nahm ihm die Tochter seine Perücke ab, und auf seinem Kopfe zeigte sich die Tonsur. Mutter und Tochter waren aufs Äußerste erstaunt und riefen sofort ihre Diener herbei, um ihn zu binden und bis zum anderen Morgen festzunehmen; alle seine Entschuldigungen und sein begütigendes Reden halfen nichts. Als es Tag geworden war, ließ die Dame ihren Beichtvater holen, als hätte sie ihm ein großes Geheimniß anzuvertrauen; er kam eilig herbei, und sie ließ ihn wie den jungen Mönch festnehmen, indem sie ihm den verübten Betrug vorwarf. Dann ließ sie Gerichtspersonen holen, denen sie alle beide überlieferte. Gab es in der Stadt überhaupt ehrliche Richter, so muß man annehmen, daß sie die Sache nicht ungestraft ließen.

Hiermit beendete Hircan seine Erzählung und fuhr dann fort: »Ich wollte Euch also zeigen, meine Damen, daß alle die, die Armuth geloben, nicht von der Versuchung des Geizes, der nur die Veranlassung weiterer Schlechtigkeiten ist, frei sind.« »Und so viel Geld!« sagte Saffredant, »denn mit den 500 Dukaten, die die Alte aufgesammelt hatte, ließ sich eine Zeit lang recht vergnügt leben. Und das arme Mädchen, welches so lange auf einen Gemahl gewartet hatte! Dafür hätte sie zwei haben und die ganze Kirchenordnung auswendig wissen können.« »Ihr habt immer die[370] allerverkehrtesten Ansichten«, sagte Oisille; »Ihr denkt immer, alle Damen sind von Eurer Art.« »Ihr ausgenommen«, sagte Saffredant, »ich möchte aber viel darum geben, wäre jenes so und wären sie so leicht zu befriedigen, wie wir.« »Das ist ein schlechtes Wort,« sagte Oisille, »denn es ist keiner hier, der nicht wüßte, daß es nicht so ist, wie Ihr sagt. Sei dem, wie ihm wolle, die Erzählung, die wir eben gehört haben, zeigt genügend die Einfalt der Frauen und die Schlechtigkeit derer, die wir für besser halten, als Ihr anderen Männer es thut. Denn weder die Dame noch ihre Tochter wollten sich auf ihr eigenes Urtheil verlassen, unterbreiteten vielmehr ihren Wunsch den Rathschlägen jener.« Longarine sagte: »Es giebt so schwer zu befriedigende Frauen, daß sie meinen, sie müßten Engel bekommen.« »Und gerade deshalb finden sie oft Teufel«, sagte Simontault, »vor allem die, welche sich nicht der Gnade Gottes anvertrauen, sondern glauben, mit ihrer Klugheit oder der eines anderen auf dieser Welt ein Glück finden zu können, das nur Gott giebt und nur von ihm kommen kann.« »Wie«, sagte Oisille, »ich dachte garnicht, daß Ihr ein so vernünftiger Mann wäret, Simontault.« Er antwortete: »Ich habe nur den ganzen Nachtheil, Euch nicht näher bekannt zu sein, denn ich sehe, daß Ihr, weil Ihr mich nicht besser kennt, mich falsch beurtheilt. Immerhin kann ich auch einmal einem Franziskaner ins Handwerk pfuschen, wie einmal ein Franziskaner mir ins Handwerk gepfuscht hat.« Parlamente sagte: »Ihr nennt es also ein Handwerk, Frauen zu täuschen? Ihr verurtheilt Euch mit Euren eigenen Worten.« »Und wenn ich zehntausend betrogen hätte, so hätte ich damit noch nicht all den Kummer vergolten, den mir eine Frau verursacht hat.« »Ich weiß, wie oft Ihr Euch über die Damen beklagt, und dennoch sehen wir Euch so vergnügt und munter, daß man nicht glauben möchte. Ihr hättet alle die Uebel erduldet, von denen Ihr erzählt. Aber in der ›Schönen Dame ohne Gnade‹ heißt es, es steht gut, sich recht hingebend zu stellen, um daraus Nutzen zu ziehen.« »Ihr nennt da einen beachtenswerthen Autor, der nur das eine Unangenehme hat, daß er die zu Unangenehmen macht, die ihm und seiner Lehre gefolgt sind.« »Ich halte seine Lehre so nützlich für die jungen Damen, daß ich eine bessere nicht anführen könnte.« »Wenn dem so wäre,[371] daß die Damen ohne Gnade wären, so könnten wir ruhig unsere Pferde bis zum nächsten Krieg sich ausruhen und unsere Harnische verrosten lassen, und nur an unseren Haushalt denken. Ich bitte Euch, sagt mir, ist es denn ein Vorzug für eine Dame, ohne Mitleid und Barmherzigkeit und ohne Liebe und Gnade zu sein?« »Ohne Barmherzigkeit und Liebe soll sie nicht sein; aber das Wort ›Gnade‹ ist so zwiespaltig, daß die Damen unter Umständen es nicht anwenden können, ohne ihre Ehre zu beeinträchtigen. Denn genau genommen, heißt Gnade, was man von einem verlangt, gewähren. Und nun weiß man nur zu gut, was die Männer verlangen.« »Bitte, es giebt auch so Vernünftige, die nur ein gutes Wort wollen.« »Das erinnert mich an einen Lord, der sich mit einem Handschuh zufrieden gab.« »Wir müssen wissen, wer dieser treuergebene Freund war«, sagte Hircan, »deshalb gebe ich Euch das Wort.« »Ich will Euch diese Geschichte gern erzählen«, sagte Parlamente, »denn sie ist voller Ehrbarkeit und Anstand.«

Quelle:
Der Heptameron. Erzählungen der Königin von Navarra. Leipzig [o.J.], S. 366-372.
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