21.


Muster einer Französischen chirurgischen Consultation.

[115] Der durch seine Reisebeschreibung rühmlich bekannte Marchese Malaspina von Pavia nahm auf seiner Reise wegen einer chronischen Augenentzündung seine Zuflucht zu dem bekannten Louis in Paris und begehrte seine Hülfe. Dieser fand die Krankheit so wichtig, daß er versicherte, ohne die Zuziehung anderer Männer von Einsicht und Erfahrung[115] nichts unternehmen zu können. Der Marquis war dazu bereit. Louis erschien hierauf an dem festgesetzten Tage in dem Zimmer des Marquis mit dreyen seiner Amtsbrüder. Die Steifigkeit und das komische Ansehen der Schwarzröcke und Zipfelperuken und die gelehrte Miene der Doktoren übertraff sogleich alle Erwartungen des Marquis, so daß er sich des Lachens kaum enthalten konnte. Louis eröfnete mit großem Ernst die Consultation, und nachdem sie sich sämtlich um den Marquis herumgesetzt hatten, wendete er sich auf die rechte Seite zu seinem Nachbar, mit folgenden Worten,

Monsieur, ie lui conseille la scarification de ses yeux.

Sein Nachbar versetzte hierauf, Monsieur, ie ne saurai rien aiouter à Vos sages conseils.

Der dritte sagte hierauf mit vielem Anstand, Vous aves touché la verité autant qu'il est posibles à l'homme, de la toucher.

Zuletzt stand der jüngste auf, machte eine langsame Verbeugung gegen seine Collegen und beschloß die Berathschlagung mit den Worten, Messieurs, vous etes mes maitres.

Und hiermit war die ganze Consultation zu Ende.

Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4), S. 115-116.
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