Zehnter Auftritt

[29] Vorige. Pantsch.


PANTSCH rabiat hereinstürzend. Das ist entsetzlich!

ALLE. Was ist's denn?

PANTSCH. Das ist unbegreiflich! Ich hab' den Haupttreffer nicht.

ALLE. Ist er schon da?

PANTSCH. Auf'n ersten Zug war er heraus. Nr. 7359.

LEIM, ZWIRN, KNIERIEM außer sich vor Freude. Mich trifft der Schlag! Alle drei fallen um.

ALLE. Was ist denn das? Zu Hülf!

LEIM, ZWIRN, KNIERIEM springen jubelnd auf. Den Treffer haben wir! Den Treffer haben wir! Juheh!

ALLE. Was? Nicht möglich!

LEIM. Da ist's Los, was wir grad kauft haben. – Wir wollen uns lustig machen. Alle Tischler von der ganzen Stadt sind eingeladen.

KNIERIEM. Herr Wirt! alle Schuster vom ganzen Land.

ZWIRN. Alle Schneider von der ganzen Welt!

ALLE. Juheh! Juheh! Juheh!


Alle ab.


LEIM indem er mit Zwirn und Knieriem vortritt. Jetzt sagt's mir aber, Kameraden, was fangen wir mit unserm Reichtum an? Ich hab' meinen Plan.

ZWIRN. O ich auch. Aber nur nobel!

KNIERIEM. Ich hab' ganz eine eigene Idee.

LEIM. Ich reis' nach Wien morgen in aller Früh; find' ich meine Peppi noch ledig, so bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt; ist sie verheiratet, dann nutzt mich mein ganzer Reichtum nichts – da geh' ich dann nach Haus, bau' ein Spital für unglückliche Tischlergesellen, und da leg' ich zuerst mich selber hinein, und stirb auch drin.

ZWIRN. Nein, dieser Plan ist mir zu traurig. Ich werde von nun an mehr Don Juan, als Schneider sein.

KNIERIEM. Und ich hab' keine Leidenschaft, als die Astronomie, drum g'wöhn' ich mir's Biersaufen ab, und verleg'[29] mich von heut an bloß auf'n Wein. Aufs Jahr geht so die Welt zugrund, da zieh' ich halt heuer noch von einen Weinkeller in den andern herum, und führ' so ein zufriednes, häusliches Leben.

LEIM. Mir ist leid, daß wir auf die Art nicht beisammen bleiben können.

ZWIRN. Wir haben jeder unsre aparte Passion.

KNIERIEM. Auseinander müssen wir.

LEIM. Aber, wie einer vom andern hört, daß er im Unglück ist –

KNIERIEM. Von Unglück ist gar keine Red' nicht, wenn der Mensch einen Treffer macht.

ZWIRN. Wenn's halt aber doch der Fall ist, so wollen wir einer dem andern beistehn.

LEIM. Die Hand drauf!

ZWIRN UND KNIERIEM. Gilt allemal.


Reichen sich die Hände.


LEIM. Und heut übers Jahr, am heutigen Tag, an dem Gedächtnistag unsers Glücks, kommen wir alle drei in Wien zusammen beim Meister Hobelmann, dort bin ich entweder glücklich, oder ihr erfahrt, wo ich in meinem Unglück zu finden bin.

ZWIRN UND KNIERIEM. Gilt detto. Reichen sich die Hände.


Pantsch und viele Männer und Weiber treten ein.


ALLE. Wir gratulieren!

LEIM. Danke, danke! – Herr Wirt!

PANTSCH. Euer Gnaden!

KNIERIEM. Wir geben eine Tafel bei Ihm.

PANTSCH. Euer Exzellenz –

ZWIRN. Heute ist bei mir bal paré.

PANTSCH. Euer Durchlaucht – mein Saal in der Vorstadt hab' ich aufs prächtigste neu arrangieren lassen, es kann alle Stund der Ball anfangen.

LEIM. Und jetzt aufg'rebellt, Musikanten! Jetzt marschieren wir im Zug zu der Ausspielung, um unser Geld z' holen, und nachdem geht's gleich ans Essen, Trinken und Tanzen bis morgen fruh.[30]

CHOR.

Es kommt halt das Glück

Auf einmal oft dick;

Die Hüt' werft's in d' Höh',

Schreit's Juheh! Juheh!


Unter dem Chor alles jubelnd ab.

Der Vorhang fällt.


Ende des ersten Aufzuges.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 29-31.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der böse Geist Lumpazivagabundus
Der böse Geist Lumpazivagabundus: Oder Das liederliche Kleeblatt

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Fräulein Else

Fräulein Else

Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.

54 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon