Sechster Auftritt


[351] Specht; Der Vorige.


SPECHT tritt aus der Kulisse neben des Müllers Haus auf und hält ihn zurück. Gevatter, auf ein Wort!

MEHLWURM. Kann nicht, hab' keine Zeit.

SPECHT hält Mehlwurm fest. Mußt Zeit haben, wenn die Obrigkeit mit dir spricht.

MEHLWURM. Ganz recht, aber –

SPECHT. Die Obrigkeit leidet kein Aber.

MEHLWURM in größter Ungeduld. Also ohne Aber! Was willst, G'vatter?

SPECHT ihn immer am Rockschoß festhaltend. Ich bin Vater einer Tochter.

MEHLWURM. Das ist möglich.

SPECHT. Deine Schwester Cordula ist Mutter eines Sohnes.

MEHLWURM. Das is gewiß.

SPECHT. Beide halten mit der Hand einen Blumenstrauß und mit dem Mund eine Anrede, wenn der Gutsherr ankommt.

MEHLWURM immer ungeduldiger. Schön – recht schön – aber –

SPECHT. Ich habe alles selbst gedichtet, und mir kommen immer zweierlei Freudentränen in die Augen, so oft ich meine Verse von meiner Tochter deklamieren höre, einmal aus poetischer und hernach wiederum aus naturgesetzlicher Vaterfreude.

MEHLWURM desperat beiseite. Der bringt mich um mit seinem Geschwätz!

SPECHT ihn immer festhaltend. Beim Einstudieren haben sich die beiden Kinder gesehen. Meine Tochter Dorothea –

MEHLWURM beiseite. Ist eine Gans!

SPECHT fortfahrend. Und dein Schwestersohn Natzi –

MEHLWURM beiseite. Ist ein Esel!

SPECHT fortfahrend. Sind zusammen ein herrliches Paar. Deine Schwester –[352]

MEHLWURM beiseite. Ist eine alte Närrin!

SPECHT fortfahrend. Ist mir immer sehr geneigt gewesen, und ich bin –

MEHLWURM in höchster Unruhe. Du bist eine alte Plaudertaschen, die mich aufhalt't, währenddem in meinem Haus das verliebte Volk – mir brennt bei Kopf bei dem bloßen Gedanken! – Sich losreißend. Laß mich aus, ich zerspring' vor Wut und Eifersucht! Läuft grimmig in sein Haus.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 351-353.
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