Vierzehnter Auftritt


[361] Eulenspiegel; die Vorigen.


EULENSPIEGEL als Müllerknecht gekleidet, tritt ein paar Schritte zur Tür herein. Is es erlaubt, daß man hereingeht?

MEHLWURM unwillig. Zum Teuxel, so muß man doch immer gestört sein!

EULENSPIEGEL. Wenn ich ungelegen komm', so geh' ich halt wieder. Ich dräng' mich nicht hinein, wenn ich seh', daß die Leut' miteinander Geheimniss' haben. Geht zur Türe zurück.[361]

MEHLWURM. Das is ein kurioser Mensch. Heda!

EULENSPIEGEL. Nein, nein, ich will niemanden genieren. Geht hinaus.

MEHLWURM. So bleib' Er nur herin, weil Er schon einmal da is.

EULENSPIEGEL von außen. Ich mag nicht, wenn die Leut' Heimlichkeiten haben, so –

MEHLWURM ihm nachrufend. Ob Er hergehn wird, wenn ich Ihn ruf' –?

EULENSPIEGEL tritt wieder ein. Na, da bin ich.

MEHLWURM. Wer ist Er und was will Er?

EULENSPIEGEL. Das wer'n S' mir ansehn, daß ich kein Rauchfangkehrer bin. Wir Menschen sein auf der Welt, einer dem andern zu helfen. Ich brauch' eine Arbeit und der Meister braucht Leut', die arbeiten, also nimm mich der Meister in Dienst, so is uns allen zwei'n g'holfen.

MEHLWURM. Er hat eine kuriose Manier, einen Dienst zu suchen. Für sich. Er g'fallt mir aber nit übel. Zu Eulenspiegel. Wo kommt Er denn her?

EULENSPIEGEL. Von – von Dings da – jetzt hab' ich den Namen vergessen.

MEHLWURM. Is es weit?

EULENSPIEGEL. Es is so beiläufig – eine Distanz wird es sein, wie von dort bis daher.

MEHLWURM. Wo hat Er Seine Kundschaft?

EULENSPIEGEL. Hab' keine.

MEHLWURM. Was?!

EULENSPIEGEL. Wie ich durch 'n Wald 'gangen bin, stell' ich mich unter einen Baum, zieh' meine Kundschaft heraus und will z'samm'zählen, bei wieviel Meister als ich schon war; schlagt auf einmal der Blitz ein in 'n Baum, und die Kundschaft verbrennt mir in 'n Händen.

MEHLWURM. Is mir leid, aber ohne Kundschaft trau' ich kein' Knecht; da kann Er gehen, wo Er herkommen is.[362]

EULENSPIEGEL mit komischer Bestürzung. Das is sehr traurig für mich. Jetzt bleibt mir nichts übrig, als ich muß betteln oder stehl'n. G'freu'n S' Ihnen, wenn ich wieder daherkomme, denn es is sehr die Frag', ob ich bei Ihnen betteln werd' – mir scheint immer, bei Ihnen wird g'stohl'n.

MEHLWURM. Na, sei Er so gut!

EULENSPIEGEL leise zu Lenchen. Ich bin ein Abgesandter von Ihrem Heinrich.

MEHLWURM. Was gibt's da für eine Wisplerei, für eine verdächtige?

EULENSPIEGEL laut zu Mehlwurm. Ich hab' mich an die schöne Hausfrau gewendet, daß sie ein gut's Wort einlegt für mich.

MEHLWURM lächelnd zu Lenchen. Hausfrau? Hörst du, Lenerl, wie angenehm das klingt? Zu Eulenspiegel. Er is im Irrtum, Freund, bis jetzt sind wir noch nicht Mann und Frau.

EULENSPIEGEL. Nicht? Ah, das is ewig schad'! Nein, wie Sie zwei zusamm'passeten! Beiseite. Als wie ein Kanarienvogel und ein Wiedhopf. Laut. Da wird man nicht bald zwei Leut' finden –, ah, Sie müssen einander heiraten.

MEHLWURM. Ich gedenk' auch mit nächstem –

LENCHEN. Ich aber nicht.

EULENSPIEGEL zu Lenchen. Was? Sie wollen nicht! Ah, hör'n Sie, da sein Sie ja verruckt! Zu Mehlwurm. Sie verzeihn, wenn ich etwas zu scharf red', aber da kann ich mich nicht mäßigen. Zu Lenchen. Wenn Ihnen der Müllner nicht recht is, so wird man der Jungfer ein' andern malen. Es is unbegreiflich! Sie spreizen Ihnen? Ich möcht' bloß deswegen ein Frauenzimmer sein, wegen dem Müllner, den ließ' ich nicht aus, um kein' Preis, das muß ja eine Seligkeit sein!

MEHLWURM beiseite. Das is ein braver Putsch! Laut. Wie heißt du?[363]

EULENSPIEGEL. Ulrich. Für sich. Wenn ich 'n nur aus 'n Zimmer brächt'! Zu Mehlwurm. Da mach' ich Ihnen aber gleich drauf aufmerksam, Herr Meister, achtgeben heißt's kurios, denn es schleicht heutzutag ein Volk herum auf den Gassen, was eigens drauf ausgeht, Eh'männer zu beunruhigen und g'setzte Bräutigam' zu sakrifizieren.

MEHLWURM. Leider, leider, – ich weiß's!

EULENSPIEGEL. Ein fufzig Schritt von hier steht auch einer; wie ein Jäger schaut er aus, der spekuliert immer auf das Haus herüber. Was kann er wollen? Mehlsäck' schnipfen g'wiß nit, also hat er andere Absichten.

MEHLWURM. Die will ich ihm vertreiben. Will fort, kehrt aber gleich wieder um. Du, Lenerl, gehst jetzt in das Zimmer hinein!

EULENSPIEGEL für sich. Das is mir ungelegen.

LENCHEN zögernd. Warum? Ich könnte ja –

MEHLWURM. Geh nur, liebe See!', ich lass' dich nicht lang allein, bin gleich wieder bei dir! Führt sie in die Seitentüre links.

EULENSPIEGEL für sich. Der sitzt mir schon auf, da is mir gar nicht bang.

MEHLWURM. Jetzt will ich dem da unten das Handwerk legen.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 361-364.
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