Vierte Szene

[17] 1.2.3.4.

(Bühne frei)Der Vorige;Der Vorige;(Bühne frei)

AgnesIrene


Phlegmatisch.


FAD ist vorher langsam aufgestanden und ruft in die Seitentüre. Agnes!

AGNES nach einer Pause, von innen. Gleich!

FAD wartet an der Türe.


Melancholisch.


TRÜB malend. Nach neunzehn Jahren sind mir ihre Züge noch so frisch im Gedächtnisse, daß ich imstande bin, ihr Bild zu malen. Zum Bild. Auch deine Wünsche sind mir unvergeßlich, sie sind mir ein heiliger Befehl.

IRENE tritt weinend aus der Seitentüre. O, mein Vater!

TRÜB. Du weinst, Irene?

IRENE. Wundert Sie das? Sehen Sie mich nicht täglich weinen?

TRÜB. Hat dein Schmerz heute einen besonderen Grund?

IRENE. Ist nicht der Schmerz der tiefste, welcher grundlos ist?


Phlegmatisch.


FAD ruft wieder. Agnes!

AGNES. Gleich!

FAD wartet an der Türe.


[17] Melancholisch.


TRÜB. Laß heute der Freude Sonnenblick durch der Tränen Nebelschleier dringen, dir winkt ein Myrtenkranz.

IRENE. Um meinen Sarg zu zieren!

TRÜB. Nein, als Brautschmuck schlinget er sich in dein Haar!

IRENE. Und wer –?

TRÜB. Ein Mann, dem schon mein Wort verpfändet ist, seit du geboren. Mein Jugendfreund, mein lang entbehrter Schmerz.

IRENE. Ha, ich Unglückselige! Bedeckt mit beiden Händen das Gesicht.


Phlegmatisch.


FAD ruft wieder. Wenn du jetzt nicht bald kommst, so wart' ich noch a Weil'.

AGNES aus der Seitentüre kommend. Da bin ich schon, Vater!

FAD. Was hab' ich dir denn sagen wollen? Ja, richtig, du wirst die Tag' heiraten.

AGNES. Warum denn?

FAD. Weil's der Brauch is. Setzt sich wieder.


Melancholisch.


TRÜB ist aufgestanden. Du bist überrascht, Irene, das Unerwartete ergreift dich mächtig. Denke, daß es vor mehr als achtzehn Jahren der Wille deiner verblichenen Mutter war; der muß dir heilig sein wie mir.


Phlegmatisch.


FAD. Ich hab' einmal ein' Spezi g'habt, den Schlaf, der hat mein briefliches Wort.


Melancholisch.


IRENE. Ich kann nicht, mein Vater!

TRÜB nach dem Bilde zeigend. Sie hat es gewollt, du mußt![18]

IRENE. O Himmel!

TRÜB. Von dort aus segnet sie diesen Bund. Komm, meine Tochter!


Führt sie langsam in die Seitentüre ab.

Phlegmatisch.


AGNES. Vater, den werd' ich durchaus nicht mögen.

FAD. Mußt ihn mögen!

AGNES. Hör' der Vater auf! Setzt sich zum Stickrahmen.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 17-19.
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