Achte Szene

[28] 1.2.3.4.

NanetteAgnes,Irene, dannMarie

SchlankelHutzibutz


Phlegmatisch.


SCHLANKEL zur Mitte eintretend. Gut, daß ich Ihnen allein find', gnädiges Fräulein! Ich hab' Ihnen Sachen von unglaublicher Wichtigkeit mitzuteilen.

AGNES. Warten S' ein wenig! Stickt fort.

SCHLANKEL. Ihr Glück, Ihre Ruhe, alles steht auf dem Spiel.

AGNES. Warten S' nur, bis ich den Faden vernäht hab'.


Melancholisch.


IRENE. Er konnte mich täuschen, Felix konnte seine Schwüre brechen? Warum erstaun' ich darüber? Es mußte so kommen, mein Schicksal will es, daß mir auf Erden keine Freude blüht.


Phlegmatisch.


SCHLANKEL. Man könnt' sogar behaupten, Ihr Leben steht auf dem Spiel.

AGNES. Hör'n S' auf, Sie wer'n mich bald neugierig machen.

SCHLANKEL. Es ist zwar unschicksam von mir, daß ich mich in fremde Geheimnisse dräng', ohne eingeweiht zu sein, aber die Gefahr ist zu groß, zu dringend.

AGNES. Ah, das is stark, jetzt bin ich in einer G'fahr und weiß 's nicht.

SCHLANKEL. Das Verhältnis, in welchem Sie mit dem jungen Herrn von Braus stehn, ist kein Geheimnis mehr, ich hab' es schon am Ersten voriges Monat erfahren, und in Prag weiß es auch jemand.

AGNES. Schau', schau', wird doch alles aus'plauscht!

SCHLANKEL. Heut' kommt er an, und, stellen Sie sich vor, eine Geliebte, der er in Prag Versprechungen[29] g'macht hat, reist ihm nach mit dem Vorsatz, Ihnen zu ermorden. Ein guter Freund hat mir das alles geschrieben.

AGNES. Hör'n S' auf!

SCHLANKEL. Es bleibt Ihnen nichts übrig, als dem Ungetreuen den Laufpaß zu geben, um allen schrecklichen Folgen auszuweichen.

AGNES. Warten S', lassen S' mich a bißl nachdenken!


Melancholisch.


HUTZIBUTZ durch die Mitte eintretend. Fräul'n Irene, ich sehe eine Träne.

IRENE. O, lass' Er mich!

HUTZIBUTZ. Machen Sie ein heiteres Gesicht, ich bring' eine gute Botschaft.

IRENE. Für mich gibt's keine mehr!

HUTZIBUTZ. Er kommt heut'!

IRENE. Schweig' Er! Für sich. Ich muß mich in mein' Zimmer verschließen, um ungestört meinen Tränen freien Lauf zu lassen. In die Seitentüre ab.

HUTZIBUTZ allein. Aber, Fräul'n! Für sich. Da bin ich durchg'fall'n mit'n Trinkgeld, hm, hm – was muß der wieder übers Leberl krochen sein? Sehr unangenehm, wenn der Trübsinn in Trinkgeldverweigerung ausartet. Geht kopfschüttelnd zur Mitte ab.


Phlegmatisch.


SCHLANKEL für sich. Keinen fruchtbareren Boden gibt's in der Welt als das menschliche Herz; wenn man den Samen des Argwohns hineinstreut, das schlägt Wurzel und wachst und schießt! – Bei der geht alles etwas langsamer, aber deswegen bleibt die Wirkung doch dieselbe.


Cholerisch.

Es wird in der Seitentüre geläutet.


NANETTE eilig zur Mitteltüre eintretend. Ich glaub', der gnädige Herr hat g'läut't; gleich, Euer Gnaden! Eilt in die Seitentüre ab.


[30] Phlegmatisch.


SCHLANKEL. Was haben Sie beschlossen, mein Fräulein?

AGNES. Ich hab' beschlossen, daß ich jetzt noch nichts beschließ', denn ich muß mir die Sach' noch überlegen. Nehmen Sie das für Ihre gütige Aufmerksamkeit! Gibt ihm Geld.


Sanguinisch.


MARIE tritt aus der Seitentüre und sieht zur Mitteltüre hinaus.


Phlegmatisch.


SCHLANKEL. O, ich bitt', das is alles zu viel!

AGNES. Wenn ich wieder einmal in solcher G'fahr bin, so sag'n S' mir's halt!

SCHLANKEL. Bauen Sie ganz auf Ihren aufrichtigen Schlankel! Zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 28-31.
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