[119] 1.2.3.4.
(Bühne frei)Fad, Trüb,(Bühne frei)
dann Schlankel,Irene,
dann Hutzibutz,Glück
dann Cyprian,
dann Robert
Phlegmatisch.
FAD allein. Der is allweil oben aus – und der Agnes g'fallt er, ich begreif' nicht, wie eine leibliche Tochter von mir so einen rabiaten Geschmack haben kann.
SCHLANKEL als Regimentsbandist, durch Bart unkenntlich gemacht, tritt durch die Mitte ein, mit verstelltem Sprachorgan. Mein Kamerad nicht da?
FAD erstaunt. Was geht mich dem Herrn sein Kamerad an?
SCHLANKEL. Grad so viel wie ich; wir sind alle zwei einquartiert bei Ihnen. Überreicht ihm einen Zettel.
FAD betroffen. Einquartierung?
Melancholisch.
GLÜCK. »Lustig-lebendig!« ist mein Wahlspruch.
TRÜB. Meine Lust ist bei den Toten.[119]
Phlegmatisch.
SCHLANKEL. Sein Sie froh, daß Sie keine groben, rohen Menschen bekommen, ich und mein Kamerad, wir sind einer so gebildet wie der andere. Wirft sich in den Schlafsessel.
FAD ganz verblüfft. Einquartierung –? Es is möglich, auf dem Zettel steht's, aber Einquartierung is bei uns so selten –
SCHLANKEL. Daß Sie sich um so mehr jede Ungelegenheit gefallen lassen müssen!
FAD. Bedank' mich!
Melancholisch.
GLÜCK. Alter Freund – Für sich, erstaunt. nein, der hat sich geändert seit seiner Jugend!
Phlegmatisch.
FAD. Wer ist denn der Herr eigentlich?
SCHLANKEL. Ich bin Mohr bei der Banda. Der Mohr nämlich von uns, der ein Virtuos auf die Tschinellen war, ist des Todes verblichen, da hat man an mir das Tschinellentalent entdeckt, und jetzt bin ich der Mohr beim Regiment.
Melancholisch.
GLÜCK für sich. Ich will mich lieber an die Braut halten. Läßt sich mit Irenen in ein Gespräch ein, währenddem Trüb wehmütig im Anschaun des Bildes verloren bleibt.
Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ ebenfalls als Regimentsbandist verkleidet, karikiert und sehr dick gemacht, tritt zur Mitte ein. Ah, du bist schon da, Kamerad? Wo ist denn der Seehund, bei dem wir einquartiert sind?
SCHLANKEL zu Fad. Machen Sie sich nichts daraus, das sagt er nur so unbekannterweis'! Leise zu Hutzibutz. Stell' dich betrunken![120]
HUTZIBUTZ leise zu Schlankel. Wenn ich's nur triff!
SCHLANKEL wie oben. Denk' dir, es is halber zehne auf d' Nacht, und es kann dir gar nicht fehlschlagen.
HUTZIBUTZ schreiend. Hollaho! Wein her! Wein! Zu Fad. Man laufe in den Keller und bringe den besten herauf, wenn man anders auf diskrete Behandlung rechnen will!
SCHLANKEL zu Fad. Hurtig, schnell, sollte schon da sein!
FAD ängstlich für sich. Das sind schreckliche Leut'! In die Seitentüre rufend. Agnes, ein Wein!
SCHLANKEL zu Hutzibutz. Sind unsere Waffen da?
HUTZIBUTZ. Draußt hab' ich s' liegen lassen im Vorzimmer.
FAD. Waffen?
SCHLANKEL. Besorgen Sie nichts, hier wird nicht gehauen, nicht geschossen, wir sind von der Banda.
HUTZIBUTZ. Unsere Waffen sind die musikalischen Instrumente. Aber Übung haben wir nötig, viel Übung und Exerciz.
SCHLANKEL. Ja, ja! Ruft zur Mitteltüre hinaus. Unsere Sachen! Zu Fad. Der neue Marsch, den wir einstudieren, ist schwierig. Wirft zwei Notenblätter auf den Tisch.
Melancholisch.
GLÜCK zu Irenen, welche ihm das Tagebuch gezeigt. Ich werd' wohl unter heutigem Dato auch notiert werden in das Tagebuch?
Phlegmatisch.
CYPRIAN kommt keuchend mit einer sehr großen türkischen Trommel, dem dazugehörigen Schlegel und zwei Tschinellen herein.
FAD. Die werden doch nicht gar –?
HUTZIBUTZ. Aha, mein Holz- und Lederinstrument.
SCHLANKEL zu Fad. Sie können die Noten halten, und Auf Cyprian deutend. der auch.[121]
FAD. Meine Herrn, das geht nicht so, das Benehmen – ich werd' klagen beim Stab, und dann kriegen S' was mit 'm Staberl. Zeigt Schläge.
SCHLANKEL. Himmel –
HUTZIBUTZ. Tausend –
SCHLANKEL. Mord –
HUTZIBUTZ. Donnerwetter –
SCHLANKEL. Hinein! Man will uns drohen? Klagen Sie, wo Sie wollen, aber nicht eher, als bis Sie uns bei unserer Musikübung den nötigen Dienst erwiesen, sonst kommen Sie nicht als a Ganzer zum Zimmer hinaus. Himmel –
HUTZIBUTZ. Tausend –
SCHLANKEL. Mord –
HUTZIBUTZ. Donnerwetter –
SCHLANKEL. Hinein!
CYPRIAN zu Fad. Tun wir's gutwillig, Euer Gnaden, sonst sind wir des Todes! Fad nimmt ein Notenblatt, Cyprian das andere, der eine stellt sich vor Hutzibutz, der andere vor Schlankel; Hutzibutz schlägt türkische Trommel und Schlankel klirrt dazu auf den Tschinellen.
FAD desperat. Den Lärm halt' ich nicht aus!
HUTZIBUTZ Fad im musikalischen Eifer anfahrend. Jetzt haben Sie mich irr' gemacht! Das letzte Bumbumbum ist so schwierig, und Sie reden mir drein! Noch einmal! Macht wieder einige Schläge auf der Trommelt Schlankel dazu auf den Tschinellen.
SCHLANKEL. Verdammt! Mir mißlingt jede Passage!
HUTZIBUTZ. Ich bring' keine halben Töne heraus.
Melancholisch.
GLÜCK zu Trüb. Was sollen die Seufzer?
Phlegmatisch.
SCHLANKEL zu Fad. Das macht, weil wir uns geärgert haben über Sie. Glauben Sie, wir sind da, um uns von Ihnen Grobheiten sagen zu lassen?[122]
HUTZIBUTZ. Ein Bandist ist so viel als irgendein anderer Bandist!
SCHLANKEL. Die Affäre vor zehn Jahren haben wir entschieden!
Melancholisch.
GLÜCK zu Trüb, welcher ihm das Bild zeigt. Deine Gattin?
Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ. Die Bestürmung der steinernen Schiffbrücke.
SCHLANKEL. So stand die Brücke – Wirft den Lehnstuhl um, so daß die Lehne nach vorne auf den Boden kommt. Kartätschen flogen, daß sie die Sonne verfinsterten. Die Mannschaft wird verzagt, da heißt es: Banda vor an den Brückenkopf, einen lustigen Marsch gespielt! Die Mannschaft defiliert mit neuem Mut im Quintduplierschritt durch den Kugelregen und die Banda im Triumph nach. Hutzibutz schlägt gewaltig in die Trommel, Schlankel in die Teller, und sie marschieren an dem schrägliegenden Lehnstuhl hinan, Schlankel vorn auf der umgestürzten Stuhllehne hinauf, so daß der Lehnstuhl krachend zerbricht.
FAD händeringend. Mein Schlafsessel! – Das is meine letzte Stund'!
ROBERT zur Mitte eintretend. Höllenelement, was ist das für ein Spektakel!?
FAD. Ach, Sie glauben nicht –
ROBERT. Der Stuhl zertrümmert –? Hier ist Gewalttat geschehn!
SCHLANKEL sich erschrocken stellend, für sich, jedoch so, daß es Fad hören muß. O weh, das ist ein Freund von unserm Kapellmeister – Leise zu Hutzibutz. stell' dich nur recht ängstlich!
ROBERT mit verstellter Wichtigkeit. Ich kenne Ihren Vorgesetzten und werde sogleich die Anzeige tun.
HUTZIBUTZ sich ängstlich stellend. Schonen Sie uns, wir könnten Unannehmlichkeiten haben.
[123] Melancholisch.
GLÜCK Trüb tröstend. Über so was muß man sich wieder trösten!
Phlegmatisch.
FAD wieder aufatmend, zu Robert. Sie sind ein wahrer Retter in der Not.
SCHLANKEL leise zu Hutzibutz. Sitzt prächtig auf, der Alte!
ROBERT. Nichts als nachbarliche Schuldigkeit!
Melancholisch.
GLÜCK zu Trüb. Bei dir hat sich der Gram zu stark einquartiert.
Phlegmatisch.
ROBERT. Dieser Einquartierung wollen wir Meister werden. Zur Mitte ab.
SCHLANKEL. Erlauben Sie –
HUTZIBUTZ. Haben Sie die Güte –!
Beide folgen eilig und ängstlich Robert nach.
Buchempfehlung
Die Brüder Atreus und Thyest töten ihren Halbbruder Chrysippos und lassen im Streit um den Thron von Mykene keine Intrige aus. Weißes Trauerspiel aus der griechischen Mythologie ist 1765 neben der Tragödie »Die Befreiung von Theben« das erste deutschsprachige Drama in fünfhebigen Jamben.
74 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro