Sechzehnte Szene

[129] 1.2.3.4.

Herr von(BühneHutzibutz,Marie, Isabella,

Schlaffrei)danndann Frau von

(allein, schläftWalburga,Korbheim, Guido,

ruhig fort)dann Irenespäter Froh


Sanguinisch.


MARIE kommt mit Isabella eilig aus der Seitentüre. Die Frau von Korbheim kommt und der Guido mit ihr.

ISABELLA. Das ist schon Schlankels Werk.

FRAU VON KORBHEIM mit Guido zur Mitte eintretend. Liebe Marie –!

MARIE ihr entgegeneilend und ihre Hand küssend. O, gnädige Frau, Sie sind also wirklich so gütig –?

FRAU VON KORBHEIM. Und warum sollt' ich es nicht sein, warum sollt' ich mich nicht um die Herzensangelegenheiten meiner künftigen Stieftochter annehmen? Nur früher hätte man schon zu mir Vertrauen haben sollen!

MARIE. Ich hab' ja heut' erst durch einen Zufall Ihr Verhältnis zum Papa erfahren, er war da so geheimnisvoll!

FRAU VON KORBHEIM zu Guido. Machen Sie mir nur auf Tod und Leben die Cour, Herr von Trüb. Schlankels Idee ist gut.

GUIDO. Ich fürchte, ich fürchte – Spricht mit Frau von Korbheim im stillen weiter, dann mit Marie, während Frau von Korbheim mit Isabella sich in ein Gespräch einläßt.


Melancholisch.


HUTZIBUTZ tritt zur Mitte ein, er trägt ein Wichshäferl und Pinsel. Um zwei Gulden, meint der Schlankel, soll ich mir eine schwarze Farb' kaufen – das wär' doch ein hinausgeworfenes Geld, ich hab' ja mein Wichshäferl da! Also ans Kunstwerk! Es kommt bei allem drauf an, daß man's probiert. Wer weiß, ob ich[130] nicht ein heimlicher Maler bin. Hat sich gesetzt und fängt an, das Kleid schwarz zu malen. Es geht ja wie g'schmiert!


Sanguinisch.


FROH zur Mitte eintretend. Untertänigster, meine Gnädige! Küßt ihr die Hand und konversiert mit vieler Galanterie fort; bis er Guido erblickt, stutzt er.


Melancholisch.


HUTZIBUTZ fleißig fortmalend. Das Kolorit wird äußerst lebhaft, es geht halt nix über Kienruß und Frankfurter Schwärz'! Ist fertig geworden und betrachtet es mit Wohlgefallen. Wirklich, es is über die Erwartung gelungen!


Sanguinisch.


FRAU VON KORBHEIM zu Froh. Ich weiß, welches Mißverhältnis zwischen Ihnen und dem jungen Herrn von Trüb obwaltete, doch das ist jetzt vorbei, er entsagt Ihrer Tochter, wird aber fernerhin der Freund des Hauses bleiben.

FROH in unmutiger Verlegenheit. Gehorsamer Diener –!


Melancholisch.


HUTZIBUTZ. Wie wär's, wenn ich ihr übers G'sicht ein' schwarzen Schleier machet? – Ja, ich will ganz den Eingebungen meiner Phantasie gehorchen. Malt über das Gesicht schwarz weg, so daß das Bild gar nicht mehr zu erkennen ist.


Sanguinisch.


FRAU VON KORBHEIM. Er wurde mir Auf Guido. von meiner Tante in Prag so schmeichelhaft empfohlen, daß ich ihn in allen Häusern, die ich besuche, einführen werde.

GUIDO. Sie sind zu gütig, gnädige Frau!

FROH für sich. Ja, das find' ich auch!


[131] Melancholisch.


HUTZIBUTZ ist fertig geworden. Superb! Da kann man sehen, was im Menschen oft für Talente stecken! Ich hätt' mir das nicht träumen lassen, daß ich ein Maler bin. Jetzt lehn' ich's an die Wand, daß es ruhig trocknen kann, 's wär' ewig schad', wenn wer anstreifet! Lehnt das Gemälde an die Wand, samt der Staffelei, so daß nur die Rückseite zu sehen ist. Schad', daß man bei so was nicht mit der Bürsten drüber kann.

WALBURGA kommt eilig zur Mitte herein. Irene! Irene!

IRENE durch die Seite. Wer ruft? – Ah, du bist's?

WALBURGA. Hast du den Schlankel nicht gesehn?

IRENE. Nein!

WALBURGA. Ich bin so in Angst, daß der Vater gleich sehen wird, daß mein Bräutigam nicht der rechte ist, denn ich habe oft von ihm gehört, daß sein Freund Sturm auffallend pockennarbig ist. Der Vater ist zwar sehr kurzsichtig, aber das könnte er doch bemerken! Jetzt möcht' ich Schlankel konsultieren, was da zu tun ist.

HUTZIBUTZ vortretend. Wo ist der Bräutigam?

WALBURGA. Ach, Er ist hier? Der Herr von Schlaf schläft oben.

HUTZIBUTZ von einer Idee ergriffen. Wenn er nur fest schlaft!

WALBURGA. O, den weckt keine Kanone auf.

HUTZIBUTZ. Und blattermaset soll er sein? Is schon recht, das werd' ich besorgen.

WALBURGA. Ja, ja, sei Er so gut und frag' Er den Schlankel um Rat! Adieu, Irene, ich muß gehn, ich erwarte den Papa jeden Augenblick. Eilt zur Mitte ab.

IRENE. Leb' wohl, Walburga! In die Seite ab.


Sanguinisch.


FRAU VON KORBHEIM. Kommen Sie, Marie! Zu Guido. Herr von Trüb, begleiten Sie mich! Mit Marie und Guido in die Seite ab.


[132] Melancholisch.


HUTZIBUTZ allein, überlegend. Er schlaft fest. Zu was brauchen wir da den Schlankel? Wie ich ein Genie bin, brauch' ich a bissel a rote Farb' und weiter nichts. G'schwind noch ein Kunstwerk vollbracht, und mein Renommee als Maler ist gegründet! Läuft zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 129-133.
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