Zweiundzwanzigster Auftritt

[294] Titus allein.


TITUS. Gnädige! Gnädige! Ich sag' derweil nichts als – Gnädige. – Wie ein'm das g'spaßig vorkommt, wenn ein'm nie eine mögen hat, und man fangt auf einmal zum bezaubern an, das is nit zum sagen. Wann i denk' heut' vormittag und jetzt, das wird doch eine Veränderung sein für einen Zeitraum von vier bis fünf Stund. Ja, die Zeit, das is halt der lange Schneiderg'sell, der in der Werkstatt der Ewigkeit alles zum Ändern kriegt. Manchsmal geht die Arbeit g'schwind, manchmal langsam; aber firtig wird's, da nutzt amal nix, g'ändert wird all's.


Lied.


's war einer von Eisen, hat wütend getanzt,

Dann mit'n Gefrornen sich beim offnen Fenster aufg'pflanzt,

Is g'rennt und g'sprengt zu die Amouren in Karrier,

Spielt und trinkt' ganze Nächt', er weiß vom Bett gar nix mehr,

Nach zehn Jahren is die Brust hektisch, homeopathisch der Mag'n,

Er muß im Juli flanellene Nachtleib'ln trag'n

Und extra ein'n wattierten Kaput, sonst war's z' kühl;

Ja, die Zeit ändert viel.[294]


's hat einer a Braut; steckt den ganzen Tag dort,

Wenn die Dienstleut ins Bett schon woll'n, geht er erst fort;

Dann bleibt er noch drunt, seufzt aufs Fenster in d' Höh',

Erfrert sich die Nasen vom Dastehn im Schnee,

A halb's Jahr nach der Hochzeit rennt er ganze Täg' aus,

Kommt spät auf die Nacht, oder gar nit nach Haus;

Dann reist er nach Neapel, sie muß in die Brühl. –

Ja, die Zeit ändert viel.


A Sängerin hat g'sungen wie Sphärenharmonie,

Wann s' der Schnackerl hat g'stoßen, war's Feenmelodie.

Diese Stimm', das is was Unerhörtes gewest,

Aus Neid sein die Nachtigall'n hin wor'n im Nest;

Silberglocken war'n rein alte Häfen gegen ihr;

Sechs Jahr' drauf kriegt ihr Stimm' a Schneid wie's Plutzerbier.

Jetzt kraht s' nur dramatisch, frett't sich durch mit'n Spiel;

Ja, die Zeit ändert viel. –


Ah, das is a lieber Knab', artig und nett,

Und schön und bescheiden und gar so adrett,

Er is still, bis man'n fragt, nacher antwort't er drauf,

Wo man'n hinnimmt, da hebt man a Ehr' mit ihm auf;

's machen d' Herren und die Frauen mit dem Knab'n a Spektackel;

Nach zehn Jahren is der Knab a großmächtiger Lack'l,

A Löllaps, der keck in alles dreinreden will;

Ja, die Zeit ändert viel.


A Schönheit hat dreizehn Partien ausg'schlagen,

Darunter waren achte mit Haus, Roß und Wagen,

Zwa Anbeter hab'n sich an ihr'm Fenster aufg'henkt,

Und drei hab'n sich draußen beim Schanzel dertränkt;

Vier hab'n sich beim Dritten Kaffeehaus erschossen,

Seitdem sein a siebzehn Jahrl'n verflossen;

Jetzt schaut s' keiner an, sie kann sich am Kopf stell'n wann s' will;

Ja, die Zeit ändert viel. –[295]


Hat vor Zeiten einer über ein'n sein' Schöni was g'sagt,

Pumsti hat er a eiserne Ohrfeigen dafragt,

Nach der Klafter haben s' kämpft und gleich auf Tod und Leben;

Alle Daumlang hat's blutige Fehde gegeben.

Jetzt nehmen die Liebhaber das nit a so,

Machen über ihr Schöni selbst scharfe Bonmots,

Für ihr'n Bierhauswitz nehmen s' d' Geliebte als Ziel.

Ja, die Zeit ändert viel. –


Durch die Seitentür rechts ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 294-296.
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