Eilfter Auftritt

[544] Lips allein.


LIPS. Der red't recht hübsch über mich, ich muß das alles anhören und tun dabei, als ob ich's gar nit wär', da braucht man schon eine Portion Verstellung, übrigens is es nicht gar so arg; mein Trost is, es gibt Situationen, wo die Verstellung eine noch weit schwierigere Aufgabe ist.


Lied.


1

's betrügt ein'm die Frau, 's wird ein'm g'steckt von die Leut.

»Ha Elende, jetzt mach zum Tod dich bereit!«

So möcht' man ihr donnern ins Ohr in der Hitz,

Und ihr antun 10 Gattungen Tod auf ein Sitz.

Doch halt – lieber nachspionieren ohne G'säus,

Sonst lacht s' ein'm noch aus, sagt, man hat kein' Beweis.

Jetzt kommt s' aufputzt ins Zimmer. »Ich geh' in d' Visit,

's hat a Freundin mich eing'lad'n!« »No ja; warum nit,

A Bußerl, mein Herz, unterhalte dich nur!«

(Sich so zu verstell'n, na da g'hört was dazur.)


2

Man redt mit ein' Herrn, der kann nutzen und schad'n,

Mit dem sich z' verfeinden, das möcht' ich kein'm rat'n,

Sein Benehmen is stolz, was er spricht, das is dumm,

Den ein Esel zu heißen, man gebet was drum –

Doch halt – für den Esel müßt' teuer man büßen,

Lieber legt man sich ihm untertänig zu Füßen;

Euer Gnaden, Dero Weisheit und hoher Verstand

Geht mit Hochdero Edelsinn stets Hand in Hand,

Euer Gnad'n strahl'n als Musterbild uns allen vur,

(Sich so zu verstell'n, na da g'hört was dazur.)[544]


3

Ein Herr, der macht Musik, blast fleißig Fagott,

Seine Frau, die macht Vers, man möcht' krieg'n d' Schwernot,

Der Sohn patzt in Öl, »Leut', wo habt's euer Hirn« –

Möcht' man ihnen gern sag'n – ös tut's euch nur blamiern!

Doch halt – man is ja in die Tochter verliebt,

Und die kriegt a 3 Häuser, wann 's Elternpaar stirbt,

Jetzt muß man den Alten sein' Blaserei lob'n,

Der Frau sag'n: »Sie stehen auf dem Parnaß ganz ob'n«,

Dem Lackel: »Sie sein ein' Correggio-Natur –«

(Sich so zu verstell'n, na da g'hört was dazur.)


4

Man liebt eine Schwärmerin, jausent bei ihr,

Sie bringt ein'm a Mili, und im Leib hat man Bier,

Dann kommt s' noch mit Erdbeern, die sie selber tut pflücken,

Man möcht' ihr gern sag'n: »Kind, da krieg i ja 's Zwicken«,

Doch halt – das zerstört die Illusion,

Der Schwärmerin z'lieb muß man essen davon –

Und ausrufen, während dem Schmerzenverbeißen:

»Ach sieh dort die Taube, die Lämmer, die weißen,

O wie reizend der Abend auf der blumigen Flur!«

(Sich so zu verstell'n, na da g'hört was dazur.)


5

Ein'm dramatischen Künstler wird mitg'spielt oft übel,

Und dann hat man Täg, wo man b'sonders sensible,

Man feindt d' ganze Welt an, sich selber am meisten,

Nein in dieser Stimmung, da kann ich nichts leisten –

Doch halt – glaubst denn, Dalk, daß das wen intressiert,

Ob ein Unrecht dich kränkt, oder sonst was tuschiert,

's is Simi, 's wird aufzog'n, jetzt renn auf die Szen',


Im Thaddädl-Ton.


»O Jegerl, mein Trudl, die is gar so schön,

Und i g'fall' ihr, ich bin ein kreuzlustiger Bur«,

(Sich so zu verstell'n, na da g'hört was dazur.)


Seite rechts ab.[545]


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 544-546.
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