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[561] Lips.
LIPS allein, wie aus einem Traum erwachend. Wie geschieht mir? – ich war so selig! ich hab' gar nicht nachzählt, im wievielten Himmel als ich war – aber nur einen Augenblick bin ich in Wolken g'schwebt; jetzt steh' ich wieder da, mit der Aussicht auf jahrelanges Sitzen. Der Abstand is groß. Das is Eiswassersturz im Dampfbad des Geistes. Mich beutelt was, und weil ich allein bin, so kann's nur das Fieber sein, – 's Abendlicht und Wärme geht dem[561] Übeltäter zugleich aus; wie's dunk'l wird, fängt das unheimliche Frösteln an. Die Seel' eines Verbrechers is eine Nachteule, beim Tag is sie stumpfsinnig, aber wie's dämmert, flattert s' auf, und mit der Finsternis wachst die Klarheit ihrer Katzenaugen – in jedem Winkel eine bleiche Gestalt. Nachdem er sich unheimlich umgesehen, nach einer Ecke starrend. Steht nicht dort –? Ja, er is's!! – nein – nein – 's nix als ein Rechen, und ich hab' glaubt, es is sein Geist, der mich zur Rechenschaft zieht. Wenn die Leut' wüßten, was das heißt, einen Schlosser ertränken, es ließ's g'wiß jeder bleiben. Mir scheint gar, d' Latern' geht mir aus. Öffnet die Laterne und geht damit gegen die Mitte der Bühne. Das ging mir noch ab. Stolpert über etwas. Stock an! – was ist das? An den Boden leuchtend. Ein eiserner Ring? – Eisen, unheimliches Metall für den, der Anspruch auf Ketten hat. Untersuchend. Das ist ja – Am Ring ziehend. Richtig eine Falltür – da komm' ich in einen Keller hinab. – Da kann ich mich verstecken. – Alte Fässer, neue Erdäpfeln, vergebliche Durchforschung. Kathi um Mitternacht – vielleicht unterirdischer Gang – Rettung – Freiheit! die ganze praktische Romantik liegt da vor meinem Blick! Öffnet die Falltür in der Mitte der Bühne. Da schaut's schauerlich aus! – Ah was! was sein muß, muß sein. Steigt mit der Laterne hinab, im Orchester beginnt dumpfe Musik.
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Der Zerrissene
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