Erster Auftritt

[4] Thalia und Silenus.


SILENUS.

Melpomene muß fort! du must sie nur verklagen,

Und alles, was du kanst, mit derben Lügen sagen.

Die Leute, die dich hörn, die haben mehr zu thun,

Als nur auf sie zu sehn. Du darfst nunmehr nicht ruhn.

Nun ist es hohe Zeit. Lauf, eile, renne fliehe!

Ich steh dir treulich bey.

THALIA.

Nunmehr soll alle Mühe

Auf ihr Verderben gehn. Das böse schlaue Thier

Verderbt mir meine Kunst; deßwegen will ich ihr

Den Fall, so bald ich kan, geschwinde zubereiten.

Sie muß verstossen seyn, und zwar von allen Leuten.

Ich hasse sie so sehr, als du die Tugend haßt.

Ihr Fleiß und ihre Kunst wird mir zur schwersten Last;

Ich soll die Leute nicht mit Possen mehr betrügen,

Und nicht mit leichter Müh viel Geld in Kasten kriegen;

Ich soll, nach ihrer Art, nach strengen Regeln gehn,

Und jede Leidenschaft recht aus dem Grund verstehn.

Der Teufel plagt sie doch! den Leuten weiß zu machen:

Man müßt im Lustspiel nicht, so, wie ein Bauer lachen;

Und auf dem Schauplatz dürft kein Possenreisser seyn.

Das nasenweise Ding bildt sich wahrhaftig ein,

Sie thät noch recht daran, und fragt die klügsten Leute[5]

Wohl gar um Rath darum, und raubt mir meine Beute.

Denk nur, Silenus, denk an alles, was sie spricht,

Und was sie meiner Kunst für Schaden zugericht!

Ich soll so viel verstehn: Kein Laster sey zu dulden;

Kein Fehler soll geschehn, und zwar durch mein Verschulden.

Ich soll den Leuten, die auf meiner Bühne stehn,

Mit Vorsicht und Vernunft und Rath entgegen gehn:

Ja, wenn ich wo gefehlt, so soll ichs nicht bedecken;

Mich bessern, und zugleich vor meiner That erschrecken.

SILENUS.

Das ist ja grausam viel! Das kan kein Doctor nicht!

Es fehlt dem Besten wohl, daß er sich wo verspricht.

Geschweige dir mein Kind. Wir haben nichts vergessen,

Und jede Wissenschaft nach unsrer Kraft gemessen.

Deßwegen bleib auch so. Der Mühe wär zu viel.

Das ist in Wahrheit nicht ein blosses Kinderspiel!

THALIA.

Ey! wenns das alles wär! das sind die ersten Stuffen.

Sie spricht: Man müste sich selbst zur Erkänntniß ruffen,

Hernach mit Wissenschaft und Treue weiter gehn;

In jedem Schauspiel soll kein leerer Possen stehn,

Und auch kein Zötgen nicht; der Harlekin soll schweigen;

Der wäre nur ein Ding, die Thorheit anzuzeigen;

Der Pöbel dürfte nicht noch mehr verdorben seyn;

Er wär der Beßrung werth.

SILENUS.

Ich aber sage nein!

Denn ist der Pöbel klug; So komm ich nicht zu rechte.

Wir haben so zu thun, daß wir bey dem Geschlechte,

Das alle Fehler kennt, aus Mitleid noch bestehn.

Das redet schon zu klug.

THALIA.

Man soll noch weiter gehn.[6]

Sie sagt: Man müsse sich mit allem Fleiß bestreben,

Als ein vernünftger Mensch nach dem Gesetz zu leben.

SILENUS.

Das ist mir lächerlich. Das geht ja gar nicht an!

THALIA.

Man soll, zum wenigsten, so viel thun, als man kan.

Nicht wahr, das schickt sich nicht? Das hat zu viel zu sagen?

Wer wird sich so gezwängt mit dem Gesetze plagen?

SILENUS.

Ey! freylich! bleibe nur so, wie du itzo bist.

Und fehlt dir der Verstand; So brauche deine List.

Zu dem so weist du nicht, was in den Rechten stehet.

THALIA.

Sie tadelt; wenn man sich in einem Stück vergehet.

Sie will: Ich soll so gar mit aller Höflichkeit,

Bescheiden, ruhig seyn; und die Gelegenheit,

Den Leuten mit Betrug die Thaler abzulügen,

Nicht weiter suchen; Ja mich nur an dem Begnügen,

Was ich mit wahrem Fleiß und Ehre haben kan.

SILENUS.

Will denn Melpomene gar endlich oben an?

Was denkt sie denn von mir? Ich hab auch drein zu sprechen.

Ich wollt ihr eher gleich den Hals in Stücken brechen;

Stünd nur nicht Straf und Recht für meinen Vorsatz drauf:

Ich henkte sie gewiß noch diesen Abend auf.

THALIA.

Das ist ein Glück für sie, daß wir nicht viel bedeuten,

Und daß sie noch darzu von redlich klugen Leuten

Gar unterstützet wird.[7]

SILENUS.

Ey! das mag immer seyn!

Ich bilde mir gewiß ihr ganz Verderben ein.

Je mehr sie Vorsicht braucht; je mehr will ich ihr schaden.

Ich setze sie durch dich aus Schutz und aus Genaden.

Und eh sie sich erholt; so ist sie hingericht.

Nur fein geschwind daran, daß man das Urtheil spricht!

Sie soll verstossen seyn, und hier nicht mehr erscheinen,

Aus diesen Ländern ziehn, und den Verlust beweinen.

Wir nehmen was sie hat, und sprechen: Es gehört

Von alten Zeiten dir. Eh sie sich nun beschwert,

Und uns verklagen kan: So haben wir gewonnen,

Und ihre Kunst vergeht, wie Butter an der Sonnen.

Dann haben wir das Spiel in unsrer klugen Hand,

Und unser Harlekin wird erstlich recht bekannt.

Man wird den Nutzen erst von seinen Schwänken sehen,

Was er bedeuten soll.

THALIA.

Wär es nur schon geschehen!

Mein Herze wird mir schwer!

SILENUS.

Sey du nur unverzagt!

Wir haben sie zeither ja hart genug verklagt.

Die Leute glauben nicht, was sie für Zeugniß bringet.

Und, wenn sie gar zu stark auf ihre Hülfe dringet;

So macht sie sich verhaßt. Der Grund ist schon gelegt.

Ich weis nicht, was dich doch für Zweifel noch bewegt?

Wir haben ihr ja schon mit lauter derben Lügen

Das Werk sehr schwer gemacht. Sie wird nichts weiter kriegen,

Als daß sie gehen soll, woher sie kommen ist;

Daß sich das ganze Werk zu unserm Vortheil schließt.

Ich will noch einen Streich zu ihrem Fall versuchen:

Da muß sie mich gewiß in Abgrund nein verfluchen;

Und wäre sie auch sonst gelassen in Geduld:[8]

Denn dieses schmerzt sie hoch. Ich such die Gnad und Huld

Ihr von Apollens Herz noch so weit zu entziehen,

Daß er sie gar nicht hört.

THALIA.

Du magst dich recht bemühen.

Denn das ist ja bekannt: Er ist gerecht. Ich weis,

Er ist den Lügnern feind.

SILENUS.

Ich kriege doch den Preis.

Ich will die Lügen schon mit solchem Glanz bestreichen,

Daß sie der Wahrheit soll an diesem Orte gleichen.


Quelle:
Friederike Caroline Neuber: Ein Deutsches Vorspiel verfertiget von Friederica Carolina Neuberin, Leipzig 1897, S. 4-9.
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