[130] ABRA.
Da ist das Wilde Haupt, das alle Welt zue fressen
Vorhin gemeinet war; jetzt wird sein baldt vergessen.
Da ist des Wütrichs Haupt, das jhm (O Wunderthat!)
Ein Weib herab gerissen hat.
JUDITH.
Wer seinen Kräfften trawt vnd nicht den Feind wil achten,
Der kan mich Schwaches Weib vnd diesen hier betrachten:
Der alle Welt gedruckt, der dich, du Heyl'ges Landt
Zue fangen hat vermeint, dem mangelt jetzundt Sandt,
In dem er faulen mag; sein Aaß liegt vnbegraben,
Gestümmelt vnd Zerhackt; sie wollen alle haben:
Egypten sagt, ein Arm der müsse seine sein,
Der Bürger am Eufrat ergreifft das Rechte Bein,
Das Lincke der von Tyr: ein jeglicher begehret;
Doch würde gleich sein Leib in Sonnen Staub verkehret,
So wer' er nicht genung. Nun diß hat der gethan,
Der auch ein Weibeßbildt zum Manne machen kan.
Wie sol ichs doch, O HERR, verdancken deiner Güte?
Du hast mit Himmelßkrafft verpantzert mein Gemüte:
Durch dich erhielt ich mir das Leben ohne Noth,
Die Jugendt ohne Fall, die Keuschheit ohne Spoth.
ABRA.
Kompt, jhr Jungfrawen, kompt herbey
Vnd lobt mit Süsser Melodey
Die Werthe Fraw, das Heyl der Stadt,
Die euch vnd sie erhalten hat.
Herbey vnd lobet ewre Zier!
JUDITH.
Nein; nicht mich, GOTT vielmehr für mir.
ABRA.
Seidt frölich Wiesen, Wald vnd Feldt,
Erhebt euch jhr Gefilde.
Der euch vnd vns hat nachgestellt,[130]
Ist selbst erlegt vnd vmbgebracht
Von einem Weibeßbilde.
JUDITH.
Von mir nicht, von des Höchsten Macht.
Judith sampt dem Chore der Jungfrawen.
Laßt vns ein Getichte singen,
Das biß durch die Wolcken thönt,
Vnd dem HERRN ein Opffer bringen,
Der der Fürsten Pracht entthrönt,
Vnd dem Armen, der Ihn liebet,
Thron vnd Cron vnd Zepter giebet.
Hett' es jemand glauben können?
Dennoch ist das Haupt gefellt,
Das in seinen Stoltzen Sinnen
Herr war dieser gantzen Welt,
Also weit der Sonnen Stralen
Mohren Land vnd Calpe mahlen.
Holofern ist eine Leiche
Vnd noch minder dieser Zeit,
Der so manchem Königreiche
Auffdrang schwere Dienstbarkeit.
Der viel Länder vberwunden,
Hat nur keinen Sarch gefunden.
Wüterich, laß dich begraben
In Porphir vnd Marmorstein.
Nein; dein Ebenbildt, die Raben,
Sollen dein Begräbnüß sein.
Es muß dir, du Last der Erden,
Erde nicht zu theyle werden.
Vnser GOTT hat Obgesieget,
Hat diß grosse Werck gethan:
Er ists der nicht vnten lieget
Vnd durch Wincken schlagen kan.
Wem Er seine Gunt wil senden,
Der bezwingt mit Weiber-Händen.
JUDITH.
Schawt, kommen doch die Könige gegangen,
Die Holofern so schändlich hielt Gefangen.
Sie sind hinfort erlöst von Menschen-Dienstbarkeit;
Ach weren sie deß diensts der Götter auch befreyt!
Buchempfehlung
Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro