46. Von einem Falliten / und dessen Vertrag.

[95] Ein Student bürtig von einem Land / davon der gröste Theil den Schweden durch den Teutschen Fried zu theil worden. Dieser Student gieng durch von Leiden /und hatte seine Creditores nicht bezahlt / wie es dann auch andere von dem Nord und den benachbarten Orten zu machen pflegen. Die Creditores wusten /daß der Vatter zimlich wohl stunde / und schickten einen von ihren Mittlen an ihn / daß Er die Bezahlung für alle einfordern solle / die Mutter / welche wie eine Heldin aussahe / wolte die Rechnung sehen mit solchen Geberden / daß der Holländer vor Angst etwas anders hätte thun mögen: Die erste war vom Buchführer / welcher[95] der Solicitator selbst war: deme brach sie die helffto ab / und sagte / Er habe die Bücher zu theuer angesetzt / und wolte nichts darwider reden lassen. Die Kost verwilligte sie zu bezahlen / aber wann sie Wein darbey fand / fragte sie / ob ihr Sohn einen gedruncken: Der Mann sagte: Ja. Darauf sprach die Frau: Der Schelm solte mit Bier zu frieden gewesen seyn / ich begehre diese Schuld nicht zu zahlen. Da sie aber sahe / das Er mit lautern Wein nicht vor lieb genommen / sondern daß Er an statt Wassers /Zucker und Citronen hinein gethan / darauf schmähete sie ärger / als man auf den Orpheum gethan. Was /sagte sie / der Dieb hat so grossen unnützlichen Kosten gemacht! Wann ich ihn hätte / ich wolte ihn beym tausend Schlaperment mit meinen Händen erwürgen. Unser armer Bot zitterte / wie die Kälber vor der Thür am Schlachthauß / und sorgete / er möchte mehr Stöß als Geld in Holland bringen. Er sagte nichts / sondern liesse sie vor zimlich wohl auswüten / damit sie zuvor[96] des Fechtmeisters Schuld auch sehen möchte. Sie sagte: Er solte nichts mit einander haben /dann Er hätte ihrem Sohn keine rechte Lection gegeben: hätte Er ihn recht unterrichtet / wäre er nicht so sehr verwundet worden / dann er wäre schier an der Wunden gestorben / und ist davon noch nicht heil. Unser Buchführer nahm Abschied von ihr / und war froh / daß er nicht gute Schläge bekommen / sondern die halbe Bezahlung erhalten.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 95-97.
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