61. Betrug der jenigen / die Waar sagen.

[125] War zu grosser Vorwitz ist schädlich / und die jenige / welche zukünfftige[125] Dinge wissen wollen / begehren betrogen zu werden. Ein junger Mensch gesellte sich einmahl zu einem / der sich unterfienge waar zu sagen: Er begehrte von ihm / er solte ihm diese Vergnügung thun. Ja / sagte er / ich will euch waar sagen / was euch begegnen wird. Aber man thut nichts umsonst: und jeder Arbeiter ist seines Lohnes wehrt. Er gab ihm einen halben Gulden / und seine Hand / die besahe der Waarsager gar genau / umb die Zeit zu haben seine Lügen anzubringen: Er sagte: Ihr werdet lang leben / dann eure Lebens Linie ist nirgend abgeschnitten. Ihr seyd fromm / wie eine Taube / und wann euer Zorn vorbey ist / so verzeihet ihr leichtlich euren Beleidigern. Ihr liebet das Frauenzimmer / aber lieber ihre Liebe / ihr werdet eine göttliche Heyrat treffen / in eurer Jugend seyd ihr kräncklich gewesen: Aber jetzund befindet ihr euch wohl. Ihr schlaget eurem Vatter nach / der ein tapfferer Mann gewesen /und dem Recht der Seinigen beygestanden. Eure Mutter ist ein[126] Tugendsames Weibe gewesen / und ein Spiegel der Keuschheit / sie that niemanden Unrecht /und liesse jedem das Seinige. Ein Kerl / der dabey war / fienge an zu lachen / und sagte / daß sein Vatter in seinem Heymat gestorben / nicht daß er sein Recht vertheidigte / sondern daß er der Justitz ein Genügen geleistet / und daß ein Gaßconischer Salat ihn umb das Leben / und umb die Begräbnus seiner Vätter gebracht. Seiner Mutter hätte ein hitziges Fieber ihr Leben verkürtzet / daß ihr Leib nicht verfaulen durffte. Mit einem Wort / sein Vatter ward um seines Stehlens willen gehenckt / und die Mutter umb Zauberey willen verbrennt.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 125-127.
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